Das Jahr 2019 hat auf den ersten Blick wenig Fortschritte gebracht in Deutschland und international, jedenfalls mit Blick auf wesentliche, große Veränderungen. Dafür sind wir zuversichtlich, was das kommende Jahr 2020 angeht.
Deutschland
Ein Dämpfer war unsere diesjährige Meinungsumfrage per Infratest Dimap. Die Zustimmung zur Legalisierung ist nicht weiter gestiegen, wie wir es erwartet hatten.
Auch die Ernennung einer neuen Drogenbeauftragten war natürlich ein wichtiger Aspekt des Jahres 2019. Daniela Ludwig zeigte sich zumindest offener und gesprächsbereiter als ihre Vorgängerin Marlene Mortler. Wohin die Reise im nächsten Jahr mit ihr geht, wird sich noch zeigen müssen, denn auch sie kommt von der wenig cannabisfreundlichen CSU.
Das macht auch die Tatsache noch spannender, dass langsam Bewegung in die Union kommt. CDU und CSU sind zwar noch Lichtjahre davon entfernt, Legalize-Parteien zu werden, aber es wird offener diskutiert und es trauen sich mittlerweile einige MdBs und Gliederungen wie die JU Stuttgart oder die Schüler Union, sich klar für die Legalisierung von Cannabis auszusprechen.
Berlin macht nicht nur vorwärts beim Thema Drugchecking, sondern auch beim Modellprojekt zur Cannabisabgabe. Berlin ist damit derzeit das einzige Bundesland, das nicht nur schöne Koalitionsverträge schreibt, sondern ernsthaft vorangeht.
Die SPD setzte das ganze Jahr über das Trauerspiel fort, dass es keinen Beschluss auf Bundesebene zum Thema Cannabis gibt, weder in der Partei, noch in der Bundestagsfraktion. Das nervt, auch wenn es kleine Fortschritte gab. Zum Beispiel haben sich die Landesverbände Bremen und Schleswig-Holstein für Legalisierung ausgesprochen, ebenso die SPD-Kreisverbände in Remscheid und Köln.
Stillstand gab es auch im Bundestag. Die Anträge von Linken und FDP auf Entkriminalisierung von Cannabiskonsumenten bzw. auf rechtliche Klarstellung kommunaler Modellprojekte zur Cannabisabgabe wurden abgelehnt. Über die DHV-Petition von 2017 wurde ebenso wenig entschieden wie über das grüne Cannabiskontrollgesetz.
Während der Bundestag sich an den Füßen spielt, werden täglich 500 Strafverfahren gegen einfache Cannabiskonsumenten eröffnet, jedenfalls wenn man nach der in diesem Jahr veröffentlichten Statistik von 2018 ausgeht. Mit 179.700 Strafverfahren wegen konsumbezogener Cannabisdelikte (ohne Handel) ist der Verfolgungsdruck auf Rekordniveau.
Das Thema CBD war ein Dauerbrenner des Jahres 2019. Einerseits wächst der Markt massiv, andererseits gibt es Ärger an vielen Fronten, angefangen bei Problemen mit der Novel Food Verordnung der EU, wenn es um Nahrungsmittel mit CBD geht, bis hin zu regelmäßigen Razzien in ganz Deutschland wegen Verstoß gegen das BtMG bei Shops, die THC-arme, aber CBD-reiche Nutzhanfblüten verkaufen. Und auch die Konsumenten dieser Blüten sind nicht vor Strafverfolgung sicher.
Immerhin hat es das Bundesinstitut für Arzneimittel (BfArM) endlich geschafft, Lizenzen für den Anbau von medizinischem Cannabis in Deutschland zu vergeben. Drei Firmen sollen nun Ende 2020 das erste “Medical Marijuana” made in Germany liefern. Derzeit bauen sie die entsprechenden Gebäude dafür auf.
International
Auch auf der internationalen Ebene war 2019 ein schwaches Jahr in Sachen Cannabis-Fortschritt. Das fing schon ganz oben bei den Vereinten Nationen an. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte vorgeschlagen, Cannabis wenigstens etwas weniger streng einzuordnen als Heroin & Co und Hanfprodukte mit bis zu 0,2 Prozent THC komplett aus der internationalen Kontrolle herauszunehmen (siehe oben, CBD-Produkte!). Die für die Entscheidung zuständige Kommission der UN vertagte die Entscheidung auf 2020.
Dass in 2019 auch in den USA nicht viel vorwärts gehen würde, war einerseits abzusehen, denn Volksabstimmungen werden dort in der Regel zusammen mit den Parlaments- oder Präsidentschaftswahlen abgehalten, die es eben dieses Jahr in den USA nicht gab. US-Staaten, die Ende 2018 noch angekündigt hatten, Cannabis auf dem parlamentarischen Weg legalisieren zu wollen, sind daran reihenweise in 2019 gescheitert, zum Beispiel New Jersey. Der einzige US-Staat, der es 2019 über die Ziellinie geschafft hat, ist Illinois. Immerhin ist das der erste US-Staat, der Cannabis nicht per Volksabstimmung, sondern durch das Parlament legalisiert hat. Ansonsten gab es in den USA eher Fortschritt ein Level unterhalb der großen Legalize-Beschlüsse. Zum Beispiel haben in Michigan ein Jahr nach der Legalize-Volksabstimmung nun die ersten Cannabisgeschäfte eröffnet. Diverse US-Staaten und Städte, in denen Cannabis legal oder entkriminalisiert ist, haben außerdem daran gearbeitet, die Akten von früheren “Cannabis-Straftätern” zu löschen, zum Beispiel New York.
Außer Illinois hat 2019 nur das kleine US-Territorium Guam Cannabis legalisiert, was mit gerade 200.000 Einwohnern wenig Gewicht hat. Zusammen mit Illinois ist die “Legalisierte Weltbevölkerung” um 13 Millionen auf 129,5 Millionen gewachsen. Es ging also vorwärts, aber nur zäh.
Weltweit gesehen ist vor allem Cannabis als Medizin massiv auf dem Vormarsch, nicht nur in Nordamerika und Europa. Dieser Trend kommt mittlerweile auch in Afrika und Asien an, wo man im Gegensatz zu Deutschland auch gute Exportchancen für medizinisches Cannabis sieht.
In Australien machte die Hauptstadt Canberra Schlagzeilen, dort wurde Besitz und Eigenanbau von Cannabis legalisiert.
DHV
Auch ein Verband muss mal im Maschinenraum herumschrauben und so begann das Jahr nach einem Wasserschaden für uns mit umfangreichen Renovierungsarbeiten und einer Erweiterung der Bürofläche. Jetzt hocken wir nicht mehr aufeinander wie in einem Kaninchenbau.
Den DHV-Shop konnten wir 2019 komplett neu aufsetzen, er erstrahlt jetzt in neuem Glanz und steht wieder zur Verfügung, um unser Info-Material und Merchandise effizient und kostengünstig zu vertreiben.
Das große Ding des Jahres war natürlich die Justizoffensive, mit der wir erreichen wollen, dass sich das Bundesverfassungsgericht erneut mit der Frage beschäftigt, ob das Cannabisverbot verfassungswidrig ist. Die Kampagne ist noch nicht abgeschlossen und wir uns auch 2020 begleiten.
Nach dem Gewinn der Millionärswahl 2014 war 2019 das erste Jahr, das wir ohne erhebliche Rücklagen aus den laufenden Einnahmen bestreiten mussten. Das hatte einige schmerzhafte Folgen, insbesondere dass wir dieses Jahr weder unsere “Cannabis Normal!” Konferenz noch den Parlamentarischen Abend ausrichten konnten.
Davon abgesehen konnten wir unsere Arbeit aber ohne große Einschränkungen fortsetzen – auf erheblich höherem Niveau als vor dem Gewinn. Möglich wird das vor allem durch einen erheblichen Mitgliederzuwachs, der 2019 einen neuen Rekord erreichte.
Mit unseren Infoständen und Interviews auf den FDP– und SPD-Parteitagen konnten wir dieses Jahr sogar ein ganz neues Kapitel unserer Lobbyarbeit aufschlagen.
Auch die Zahl und Aktivitäten unserer Ortsgruppen ist 2019 gestiegen. Sie organisierten nicht nur Infostände und Demos, einige waren auch politisch vor Ort sehr aktiv und haben Anträge in die städtischen Parlamente gebracht.
Während wir weiterhin gefragter Ansprechpartner für die Medien waren, ist unsere eigene Reichweite auf Instagram, Twitter und Youtube erheblich gestiegen, auf Facebook ist sie sowieso hoch.
Ausblick
Der Ausblick auf das kommende Jahr 2020 verspricht wesentlich mehr Bewegung als im vergangenen Jahr.
In den USA stehen Präsidentschaftswahlen an und damit auch wieder Volksabstimmungen zur Legalisierung in einigen US-Staaten. Bei Zustimmungswerten von mittlerweile stabil über 60 Prozent bundesweit sollte da einiges gehen.
Ebenfalls vielversprechend sind Mexiko, wo nach einem Urteil des Obersten Gerichtes ein Legalisierungsgesetz bis Ende März zu erwarten ist, und Neuseeland, wo die Regierung selbst eine Volksabstimmung für Herbst 2020 angekündigt hat. Auch hier sehen die Umfragen gut aus.
Die Regierung in Luxemburg wird wohl auch 2020 noch nicht ganz fertig werden mit dem geplanten Legalize-Gesetz. In allgemein politisch instabilen Zeiten kann man da nur die Daumen drücken, dass diese Koalition bis zum Ende durchhält.
Ob Deutschland den kompletten Stillstand in der Cannabispolitik nächstes Jahr überwinden wird, ist schwer vorhersehbar. Wird die heftig angeschlagene SPD sich endlich zu einer Meinung durchringen können und gegenüber der Union wesentliche Schritte einfordern? Oder wird die Koalition platzen und es stehen Neuwahlen an? Wie würden die ggf. ausfallen und zu welcher neuen Regierungskoalition würde das führen? Wird sich die neue Drogenbeauftragte Daniela Ludwig wenigstens einigermaßen fortschrittlich positionieren?
In dieser Situation setzen wir beim DHV für nächstes Jahr vor allem auf Öffentlichkeitsarbeit. Die USA und Kanada haben gezeigt, dass die Mehrheit der Bevölkerung eine wesentliche Triebfeder für die dortige Legalisierung war. Wie es auch immer in Deutschland politisch weitergeht: Wir wollen die Mehrheit der Deutschen für die Legalisierung von Cannabis! Weit sind wir davon nicht mehr entfert, Mehrheit 2020!
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