Wahlanalyse zur Landtagswahl in Schleswig-Holstein 2022

Ebenso wie Drogen nicht alles im Leben sein sollten, ist natürlich auch Drogenpolitik nicht der einzige ausschlaggebende Punkt bei einer Wahlentscheidung. Der Wahl-O-Mat liefert einen Überblick über die Positionen der Parteien zu unterschiedlichen Themen. Erkundigt euch bei Interesse auch über kleinere Parteien, wir betrachten hier nur die größeren! Auf abgeordnetenwatch.de könnt ihr euch über die Politiker eures Wahlkreises informieren und ihnen Fragen stellen. Informiert euch und geht wählen! Seid euch bewusst, dass die Möglichkeiten der Bundesländer begrenzt sind. Eine vollständige Legalisierung ist nur auf Bundesebene möglich. Die Bundesländer haben etwas Spielraum bei der “geringen Menge”, beim Führerscheinrecht, bei Modellprojekten und Drug-Checking.

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Was bisher geschah

Seit 2017 wird Schleswig-Holstein von einer Koalition aus CDU, Grüne und FDP regiert. Im Koalitionsvertrag von 2017 gibt es einen kurzen Abschnitt zum Thema Drogenpolitik. Dort hielt man fest, dass man auf “Prävention, Beratung, Therapie und Entkriminalisierung statt auf Repression setzen” wolle. Zudem wurde festgehalten, dass man die “Möglichkeit zur kontrollierten Freigabe von Cannabis im Rahmen eines Modellprojektes” prüfen wolle.

Anfang 2019 gab es von der SSW den Antrag “Modellprojekt zur kontrollierten Freigabe von Cannabis umsetzen” um zu beschließen, zum 01.01.2020 ein Modellprojekt zur kontrollierten Freigabe von Cannabis zu starten. Es folgte dazu eine Debatte im Landtag und ein Alternativantrag von CDU, Grüne und FDP. Dieser forderte zunächst zu prüfen, welche Möglichkeiten zur Umsetzung eines solchen Projekts bestünden. Das Ergebnis war, dass zunächst eine Änderung der bundesgesetzlichen Rahmenvorgaben nötig sei und man dieser nicht vorgreifen könne. Es folgte keine weiteren Bestrebungen zur Umsetzung des Koalitionsziels und auch keine Initiativen im Land zum Anheben der Geringen Menge oder für ein Modellprojekt zum Drug-Checking.

Im September 2020 löste sich die Landtagsfraktion der AfD auf, so dass sich der Landtag seitdem aus CDU, SPD, Grüne, FDP, SSW und 5 Fraktionslosen zusammensetzt.

Derzeit gilt in Schleswig-Holstein nach einer Handreichung der Staatsanwaltschaft von 2008 zu § 31a BtMG, dass bei einer Menge von bis zu 6 Gramm von der Strafverfolgung abgesehen werden soll. Bei einer Menge von 6 bis zu 30 Gramm kann in der Regel von der Strafverfolgung abgesehen werden. Hier gilt zudem, dass Erwachsenen gerichtlich auferlegt werden soll, an Beratungsstunden in einer Drogenberatungsstelle teilzunehmen.

Wahlprognose

Laut der aktuellen Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen ist eine Fortsetzung der bestehenden Koalition aus CDU, Grüne und FDP möglich.

Die CDU liegt mit 36 Prozent in den Umfragewerten an der Spitze. Mit einigem Abstand folgt die SPD mit 20 Prozent, dicht gefolgt von den Grünen mit 18 Prozent. Gute Chancen die 5-Prozent-Hürde zu knacken hat auch die FDP, die bei den Umfragen derzeit bei 8 Prozent liegt. Damit wäre auch eine GroKo aus CDU und SPD möglich. Erneut könnte auch die AfD wieder im Parlament von Schleswig-Holstein landen. Die Minderheiten- und Regionalpartei SSW – Südschleswigscher Wählerverband, für die keine Prozent-Hürde gilt, liegt derzeit bei 4 Prozent in den Umfragen. Knapp wird es wohl für die Linke, die bei den Umfragen bei nur 3 Prozent liegt und damit die 5-Prozent-Hürde nicht überwinden würde.

Das im Koalitionsvertrag festgehaltene Cannabis-Modellprojekt verlief im Sande. Es gab ansonsten keinerlei drogenpolitische Initiativen der CDU im Parlament. Zum Glück! Denn laut Wahlprogramm setzt die CDU im Zusammenhang mit Drogen auf repressive Maßnahmen, wie den verstärkten Einsatz von Drogenspürhunden in Justizvollzugsanstalten und generell stärkere Kontrollen, um “drogenfreie Bereiche” zu schaffen. Der Betrieb von Drogenkonsumräumen und ein allgemeines Bekenntnis zu Präventionsmaßnahmen sind die einzigen “progressiven” Ansätze bei den Konservativen. Das Thema Drogen wird nur im Zusammenhang mit Suchtkranken und Kriminalität behandelt. Den repressiven Kurs und die Ablehnung eines regulierten, legalen Cannabismarktes bestätigt die CDU auch in den Antworten auf die Wahlprüfsteine. Vor der Wahl der CDU müssen wir dringend abraten!

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Seitens der FDP erfolgten keine parlamentarischen drogenpolitischen Initiativen mit Ausnahme eines gemeinsamen Antrags mit Grünen und CDU, dass man die Möglichkeit für ein Cannabis-Modellprojekt prüfen wolle. Nach einer ersten ablehnenden Stellungnahme ließ man das Thema allerdings gemeinsam versanden. Im Wahlprogramm fordern die Freien Demokraten den legalen Besitz und Konsum von Cannabis für Volljährige sowie den Verkauf über lizenzierte Geschäfte, ohne dies irgendwie auf die Landesebene zu beziehen. Die Einnahmen durch Steuern sollen in Präventions- und Beratungsangebote fließen, auch bei legalen Drogen und Glücksspiel. Mit der Führerscheinproblematik hat man sich offensichtlich nicht auseinandergesetzt. Auch der Eigenanbau wird nicht gefordert. Dafür ist man bereit, die Legalisierungspläne im Bundesrat zu unterstützen.

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Programmatisch sind die Grünen gut aufgestellt. Sie haben ein ausführliches Programm mit sinnvollen Forderungen und unterstützen die Legalisierung auf Bundesebene sowie Modellprojekte und Entkriminalisierung in Schleswig-Holstein mit einer Anhebung der “Geringen Menge” auf 20 Gramm. 

Fraglich ist allerdings, wie motiviert die Grünen bei der Sache sind. Dass das Thema Cannabis-Modellprojekt wegen Widerstand aus dem BfArM abgeblasen wurde, haben sie einfach hingenommen. Dass Koalitionspartner keine eigenen Anträge vorzuweisen haben, ist üblich, aber die Grünen haben das Thema Cannabis auch nicht wesentlich mit öffentlichen Statements bespielt.

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Die SPD in Schleswig-Holstein hat sich leider kaum mit dem Thema Drogenpolitik befasst. Auf parlamentarischer Ebene wurden keinerlei drogenpolitische Initiativen eingebracht. Auch das Wahlprogramm enttäuscht. Der Begriff “Drogen” wird ausschließlich im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Suchterkrankungen genannt, die nach Ansicht der Sozialdemokraten einen höheren Stellenwert haben müsse, dies insbesondere vor dem Hintergrund der Legalisierung von Online-Glücksspielen. Konkrete Umsetzungsvorschläge werden im Programm allerdings nicht ausgeführt. Auf allgemeinen Drogengebrauch und Konsum oder die zahlreichen Probleme durch die bestehende Prohibition wird überhaupt nicht eingegangen. 

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Die Linke war in der vergangen Legislaturperiode nicht im Landtag Schleswig-Holstein vertreten. Laut Wahlprogramm wird eine Entkriminalisierung jeglicher Konsumenten befürwortet. Das Stichwort Cannabis taucht darin aber nicht auf. Laut den Wahlprüfsteinen werden Modellprojekte und Drug-Checking befürwortet. Ebenso soll die diskriminierende Praxis im Führerscheinrecht beendet und ein wissenschaftsbasierter THC-Grenzwert eingeführt werden. Der private Eigenanbau sollte grundsätzlich erlaubt sein. Auch im Bundesrat würde man die Legalisierung unterstützen.

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Die AfD ist keine Wahloption für Menschen, die sich eine progressive, humane Drogenpolitik wünschen. Die Partei stellt sich klar gegen einen legalen, regulierten Cannabismarkt. Man will stattdessen eine realitätsferne “dauerhafte Abstinenz” durch suchtpsychiatrische Angebote erzielen. 

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Der SSW ist inhaltlich gut aufgestellt und war im Landtag zumindest aktiver als die Konkurrenz. Leider ist das Wahlprogramm diesmal nichtssagend, aber an den Antworten auf unsere Wahlprüfsteine haben wir nichts auszusetzen. Der SSW spricht sich für eine Legalisierung aus und würde diese auch im Bundesrat bejahen. Vorstöße für Drug-Checking-Projekte will man unterstützen. Der SSW will sämtliche Drogenkonsumenten entkriminalisieren, Übergangsweise würde man bis zur Legalisierung auch die Anhebung der Geringen Menge nach §31a BTMG begrüßen. Die diskriminierende Behandlung von Cannabiskonsumenten im Straßenverkehr will die SSW beenden durch Erhöhung des THC-Grenzwertes. Er erwägt eine Anfrage im Landtag, inwiefern Besitzmeldungen durch die Polizei an Führerscheinstellen erfolgen. Dem privaten Eigenanbau steht der SSW grundsätzlich offen gegenüber. Die Partei stellte einen Antrag zur Umsetzung eines Modellprojekts für die kontrollierte Abgabe von Cannabis, der jedoch abgelehnt wurde.

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Dringend abgeraten werden muss von der Wahl der CDU. Sie wird die Legalisierung im Bundesrat blockieren und keinerlei Fortschritt in Schleswig-Holstein bringen. Ihr Programm trieft vor Repressionsprosa, mit “gesellschaftlicher Ächtung von harten Drogen”, “Drogenspürhunden im Justizvollzug” und “drogenfreien Bereichen”.

Auch von der AfD sollten Hanffreunde ihre Kreuzchen fern halten. Mit der AfD gibt es den “Wirkstoff Cannabis” nur unter ärztlicher Aufsicht. Ansonsten werdet ihr so lange psychiatrisch suchtbehandelt, bis ihr “dauerhaft abstinent” seid.

Eine Wahlempfehlung können wir für die Grünen geben, obwohl sie (wie die Konkurrenz) mehr Motivation zeigen könnten. Sie haben einen vergleichsweise umfangreichen Abschnitt in ihrem Landtagswahlprogramm zur Cannabislegalisierung. Sowohl die Führerscheinproblematik als auch eine schnelle Entkriminalisierung der Konsumenten will man aktiv angehen.

Die FDP in Schleswig-Holstein hält sich in den Antworten auf die Wahlprüfsteine insbesondere zum Führerscheinthema und Eigenanbau bedeckt, unterstützt aber grundsätzlich Drug-Checking und die bundesweiten Bestrebungen einer Cannabislegalisierung. Sollte diese scheitern, würde man auch Modellprojekte weiterhin anstreben. 

Der SSW hat im Wahlprogramm diesmal vergleichsweise wenig zum Thema Drogenpolitik. Dafür sind die Antworten auf unsere Wahlprüfsteine ausgesprochen differenziert und ausführlich. Die kontrollierte, legale Abgabe von Cannabis an Erwachsene will man auf jeden Fall voranbringen. Daher gibt es von uns eine Wahlempfehlung.

Die Linke hat im Wahlprogramm nichts zu Cannabis. Dafür wird die Entkriminalisierung aller Drogen gefordert. Laut Wahlprüfsteinen befürwortet sie aber die Legalisierung, den privaten Eigenanbau, Drug-Checking und eine Änderung der führerscheinrechtlichen Regelungen. Eine Alternative, wenn man die anderen Parteien ablehnt und das Risiko nicht scheut, die Stimme unter 5% zu versenken. 

Die SPD enttäuscht mit dem Wahlprogramm. Drogen werden nur im Zusammenhang mit Suchterkrankungen genannt, welche die SPD bekämpfen will, ohne zu erwähnen wie. Auf parlamentarischer Ebene war sie drogenpolitisch überhaupt nicht aktiv. Die SPD Schleswig-Holstein hat nicht rechtzeitig auf unsere Wahlprüfsteine geantwortet, sodass wir diese bei unserer Analyse nicht mehr berücksichtigen konnten. Die nachgereichten Antworten könnt bei den Wahlprüfsteinen nachlesen. Bemerkenswert, im negativen Sinne, ist jedenfalls ein klares Nein zum Eigenanbau. Hier können wir keine klare Aussage zur Wahl treffen.

Sagt den Parteien eure Meinung!

Was auch immer ihr wählt, teilt den Parteien eure Meinung mit!

Deshalb nun der vielleicht wichtigste Hinweis zum Schluss: Jeder, dem Cannabispolitik am Herzen liegt, sollte den Parteien mitteilen, warum er sie gewählt oder nicht gewählt hat. Das erhöht das Gewicht einer einzelnen Stimme enorm! Es reicht ein Einzeiler wie:

SSW, Grüne, FDP, Linke:

Ich habe Ihnen diesmal meine Stimme gegeben, weil Sie sich für die Legalisierung von Cannabis einsetzen. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie das Thema die nächsten vier Jahre auch voranbringen!

SPD: 

Ich hätte mir vorstellen können, Sie dieses Jahr bei der Landtagswahl zu wählen, habe aber davon Abstand genommen, weil ich bei Ihnen ein klares Bekenntnis zur Legalisierung von Cannabis vermisst habe.

AfD, CDU:

Ich hätte mir vorstellen können, Sie dieses Jahr bei der Landtagswahl zu wählen, habe aber wegen ihrer repressiven Drogenpolitik davon Abstand genommen.

Hier die passenden E-Mail-Adressen der Parteizentralen: