SSW (Schleswig-Holstein 2022)

Bei unserem Wahlcheck betrachten wir die jeweiligen Wahlprogramme, die Antworten auf unsere Wahlprüfsteine sowie die parlamentarischen Aktivitäten in der vergangenen Legislaturperiode.

Programm

Alltäglicher Drogengebrauch findet im Wahlprogramm leider keine Berücksichtigung. Stattdessen wird der Begriff “Drogen” nur im Zusammenhang mit Abhängigkeit und psychischer Erkrankung erwähnt. Für diese will die SSW bedarfsgerechte Unterstützung ausbauen. Das stellt im Vergleich zum SSW-Wahlprogramm von 2017 einen großen Rückschritt dar. Zur letzten Wahl gab es noch Prohibitionskritik und die Forderung nach Entkriminalisierung von Drogenkonsumenten.

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Auszug aus dem Wahlprogramm

“Wir wollen Hilfen für Gruppen mit besonderem Unterstützungsbedarf – wie etwa für drogenabhängige, wohnungslose oder psychisch kranke Menschen – bedarfsgerecht ausbauen.”

Antworten auf Wahlprüfsteine

Mit den Antworten auf unsere Wahlprüfsteine macht der SSW wett, was im Wahlprogramm komplett fehlt. Hier passt alles für Hanffreunde: Klares Bekenntnis zur Legalisierung von Cannabis inklusive Eigenanbau, Zustimmung im Bundesrat, Ende der Führerscheindiskriminierung, höhere “Geringe Menge” als Übergangslösung zur Legalisierung auf Bundesebene, Entkriminalisierung aller Drogenkonsumenten auf Landesebene, Cannabis-Modellprojekt falls die Legalisierung scheitert, Ausbau von Prävention und Hilfe. Die Partei macht deutlich, dass ihr ein “echter Kurswechsel in der Drogenpolitik” am Herzen liegt!

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Frage 1

Die Bundesregierung plant den Cannabismarkt zu regulieren. Dieser Prozess dürfte wegen vieler Details noch etwas dauern. Wie stehen Sie dazu, die Entkriminalisierung im Vorfeld über Anhebung der “Geringen Menge” (§31a BtMG) u. konsequenter Einstellungsvorgabe für Staatsanwaltschaften voranzubringen?

Antwort

Der SSW hat die Pläne der Bundesregierung zum Thema Cannabis wohlwollend und mit großem Interesse verfolgt. Wir setzen uns seit vielen Jahren für eine Entkriminalisierung jeglicher Konsument:innen und eine kontrollierte Freigabe von Cannabis ein. Aus unseren Erfahrungen auf Landesebene wissen wir, dass hier ein dickes Brett zu bohren ist. Eine Anhebung der so genannten „geringen Menge“ kann daher durchaus eine Brücke sein. Doch der § 31a zielt bekanntlich nur auf den Verzicht der Staatsanwaltschaften auf Verfolgung einer weiterhin strafbaren Handlung ab. Insofern ergibt dieser Zwischenschritt also tatsächlich nur Sinn, wenn die Staatsanwaltschaften weitere Vorgaben erhalten. Wir wären selbstverständlich dazu bereit, diesen Weg zu prüfen bzw. diese Übergangsmaßnahme auf den Weg zu bringen. Langfristig muss aber klar sein, dass dies nicht das Mittel der Wahl sein kann, um die Entkriminalisierung der Konsument:innen zu erreichen.

Frage 2:

Nach §3 Abs. 2. BtMG kann eine Kommune oder ein Land eine Ausnahmegenehmigung für eine legale Cannabisabgabe, im wissenschaftl. oder öffentl. Interesse, beantragen. Wie stehen Sie zu Modellversuchen für eine kontrollierte Abgabe an Erwachsene, falls ein bundesweit regulierter Cannabismarkt scheitert?

Antwort

Wir haben den Koalitionsvertrag der amtierenden Jamaika-Koalition bei uns im Land in genau diesem Sinne verstanden. Da aber auch nach knapp 3 Jahren in Regierungsverantwortung nichts geschah, haben wir die entsprechende modellhafte, kontrollierte Freigabe beantragt (siehe auch Antwort 6). Die Debatte hat dann recht deutlich gezeigt, dass man innerhalb der Koalition offenbar doch noch nicht so weit ist. Abgesehen davon, dass wir hier kein Stück vorankommen, haben wir den konkreten Verlauf sehr bedauert. Denn man hat sich hierauf zwar vereinbart und einen modernen, progressiven Anstrich gegeben. Im Anschluss hat man dann aber versucht, dieses Thema auszusitzen. Und als man zur Debatte gezwungen war, haben wesentliche Stimmen der Koalition mit jahrzehntealten und längst widerlegten Vorurteilen für die Aufrechterhaltung von Verboten und Kriminalisierung argumentiert. Das ist aus Sicht des SSW viel zu wenig und enttäuschend.

Frage 3

Wie stehen Sie zur Qualitätskontrolle (Drug-Checking) von Substanzen wie Cannabis, z.B. auf Verunreinigungen durch synthetische Cannabinoide?

Antwort

Die Verunreinigung von Cannabis ist ein großes und leider wachsendes Problem. Deshalb haben wir diesen Aspekt als ein ganz wesentliches Argument für die kontrollierte Abgabe in die Debatte getragen. Losgelöst von Modellversuchen zur kontrollierten Abgabe von Cannabis befürworten wir selbstverständlich auch sekundärpräventive Maßnahmen wie das Drug-Checking. Prüfungen während unserer Regierungsbeteiligung zwischen 2012 und 2017 haben aber leider gezeigt, dass dieser Ansatz nicht wirklich rechtssicher umsetzbar ist. Noch dazu waren die diesbezügliche Debatte und die mediale Reaktion darauf in Schleswig-Holstein mehr als ernüchternd. Wir bedauern unverändert, dass es auf dem derzeitigen Drogenschwarzmarkt mit Millionen von Kund:innen keinen Verbraucherschutz gibt. Für einen erneuten Vorstoß zum Drug-Checking stehen wir daher jederzeit zur Verfügung.

Frage 4

Cannabiskonsumenten werden sowohl bei der Definition einer Rauschfahrt (THC Grenzwert) als auch bei der Überprüfung der Fahreignung (z.B. MPU-Anordnung) benachteiligt. Setzen Sie sich für eine Gleichbehandlung von Cannabis- und Alkoholkonsumenten im Straßenverkehr ein?

Antwort

Wir bedauern sehr, dass dieses Thema noch immer aktuell ist. Auch wir sehen die eindeutige Ungleichbehandlung mit Blick auf Cannabis- und Alkoholkonsument:innen im Straßenverkehr und halten diese Tatsache für diskriminierend. Nicht zuletzt, weil der Umgang mit Cannabiskonsument:innen dem uralten, längst gescheiterten Ansatz der Kriminalisierung folgt, sind wir hier sehr an einer Reform interessiert. Entsprechend stehen wir allen Initiativen, die realitätsnahe Testverfahren oder eine Erhöhung des THC-Grenzwerts und damit eine grundsätzliche Gleichbehandlung von Cannabiskonsument:innen zum Ziel haben, wohlwollend gegenüber. Wir hoffen, dass sich hierfür bald die nötigen Mehrheiten finden. Am SSW würde eine diskriminierungsfreie(re) Regelung definitiv nicht scheitern.

Frage 5

Der reine Besitz von Cannabis – ohne einen Bezug zum Straßenverkehr – wird häufig von der Polizei an die Führerscheinstellen gemeldet. Wie wird dies in Ihrem Bundesland gehandhabt und wollen Sie an dieser Praxis festhalten?

Antwort

Auch diese Praxis halten wir grundsätzlich für diskriminierend. Ob in Schleswig-Holstein so verfahren wird, entzieht sich leider unserer Kenntnis. Um ehrlich zu sein, ist es uns aus Ressourcengründen nicht möglich, diesen Sachverhalt noch vor der Wahl zu klären. Aber wir behalten uns vor, hierzu zeitnah eine Anfrage zu starten. Für den Fall, dass diese Praxis auch bei uns im Land gängig sein sollte, werden wir selbstredend auf eine Abschaffung drängen.

Frage 6

Welche drogenpolitischen Initiativen gab es von Ihrer Fraktion in der aktuellen Legislaturperiode? (Bitte listen Sie Anträge, Anfragen etc. konkret und mit Link auf, damit wir Ihre parlamentarische Arbeit besser einschätzen können!)

Antwort

Wie oben erwähnt hat der SSW die Jamaikakoalition per Landtagsantrag an ihre Ankündigungen im Koalitionsvertrag erinnert. Den Antrag finden Sie unter:

https://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl19/drucks/01200/drucksache-19-01241.pdf

Die entsprechende Debatte hierzu finden Sie unter:

https://www.landtag.ltsh.de/export/sites/ltsh/infothek/wahl19/plenum/plenprot/2019/19-052_02-19.pdf

Zur Einordnung: Hierüber hinaus gab es in der gesamten 19. Wahlperiode im Schleswig-Holsteinischen Landtag lediglich eine weitere Initiative (in Form einer Kleine Anfrage einer anderen Oppositionsfraktion) mit einem entfernten Bezug zum Thema Drogen. Seitens der regierungstragenden Fraktionen von CDU, Grünen und FDP lässt sich für diesen 5-Jahres-Zeitraum kein Vorstoß finden.

Frage 7

Welche drogenpolitischen Initiativen planen Sie in der nächsten Legislaturperiode?

Antwort

Neben dem von Ihnen in Frage 5 angesprochenen Thema und einer Anfrage hierzu planen wir u.a. Initiativen zu den Bedarfen und zur Versorgungssituation im Bereich der Suchthilfe im Land (wenngleich diese überwiegend kommunale Angelegenheit ist). Und mit Blick auf die Frage der Legalisierung werden wir im Zweifel natürlich auch zum Verhalten der Landesregierung auf Bundesebene bzw. gegenüber den Regierenden im Bund nachfragen.

Frage 8

Befürworten Sie die Legalisierung von Cannabis für Erwachsene wie von der Bundesregierung geplant und würden dementsprechend eine Ja-Stimme Ihres Bundeslandes im Bundesrat befürworten? Wie stehen Sie in diesem Zusammenhang zur Legalisierung des privaten Eigenanbaus?

Antwort

Wir befürworten die Legalisierung von Cannabis für Erwachsene uneingeschränkt. Und wir hoffen, dass unsere klare Haltung zu dieser Frage auch durch die vorangegangenen Antworten deutlich wurde. Wir fordern einen echten Kurswechsel in der Drogenpolitik. In diesem Rahmen wäre auch der straffreie geringfügige private Eigenanbau etwas, dass geprüft und im Zweifel umgesetzt werden sollte. Gleichzeitig wollen wir aber auch die Angebote der Drogenprävention stärker fördern und so dafür sorgen, dass Konsument:innen, die ein Drogenproblem haben, jederzeit niedrigschwellige Hilfe in Anspruch nehmen können.

Bisherige parlamentarische Aktivität

Als einzige Partei stellte der SSW im Landtag einen Antrag, um das im Koalitionsvertrag festgehaltene Modellprojekt zur kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene umzusetzen. Dieser fand jedoch keine Mehrheit und scheiterte an einem Alternativantrag, der zunächst nur eine Prüfung der Möglichkeiten forderte. Das ist nicht gerade viel Aktivität des SSW im Landtag, aber mehr als bei der Konkurrenz.

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Antrag Modellprojekt umsetzen: https://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl19/drucks/01200/drucksache-19-01241.pdf 

Debatte zum Antrag im Landtag: https://www.landtag.ltsh.de/export/sites/ltsh/infothek/wahl19/plenum/plenprot/2019/19-052_02-19.pdf 

Der SSW ist inhaltlich gut aufgestellt und war im Landtag zumindest aktiver als die Konkurrenz. Leider ist das Wahlprogramm diesmal nichtssagend, aber an den Antworten auf unsere Wahlprüfsteine haben wir nichts auszusetzen. Der SSW spricht sich für eine Legalisierung aus und würde diese auch im Bundesrat bejahen. Vorstöße für Drug-Checking-Projekte will man unterstützen. Der SSW will sämtliche Drogenkonsumenten entkriminalisieren, Übergangsweise würde man bis zur Legalisierung auch die Anhebung der Geringen Menge nach §31a BTMG begrüßen. Die diskriminierende Behandlung von Cannabiskonsumenten im Straßenverkehr will die SSW beenden durch Erhöhung des THC-Grenzwertes. Er erwägt eine Anfrage im Landtag, inwiefern Besitzmeldungen durch die Polizei an Führerscheinstellen erfolgen. Dem privaten Eigenanbau steht der SSW grundsätzlich offen gegenüber. Die Partei stellte einen Antrag zur Umsetzung eines Modellprojekts für die kontrollierte Abgabe von Cannabis, der jedoch abgelehnt wurde.