Bei unserem Wahlcheck betrachten wir die jeweiligen Wahlprogramme, die Antworten auf unsere Wahlprüfsteine sowie die parlamentarischen Aktivitäten in der vergangenen Legislaturperiode.
Programm
In ihrem Landtagswahlprogramm positionieren sich die Grünen pro Legalisierung in Form einer kontrollierten Abgabe in Fachgeschäften. Sie wollen Prävention und Hilfsangebote anstelle von Kriminalisierung. Außerdem fordern sie mehr Aufklärung über die “Volksdrogen” Alkohol und Tabak und über Medikamentenabhängigkeit. Das Drug-Checking wollen die Grünen in Schleswig-Holstein einführen sowie Drogenkonsumräume einrichten und sie finden den kommunalen Einsatz von Streetworkern begrüßenswert. Außerdem wollen sie AIDS- und Drogenberatungsstellen stärken. Zudem wollen sie “die Richtlinie zur Umsetzung des § 31a des Betäubungsmittelgesetzes anpassen und, bis zu einer endgültigen Entkriminalisierung, den Grenzwert für die „geringe Menge“ von Cannabisprodukten auf 20 Gramm Bruttogewicht anheben.”
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Auszug aus dem Wahlprogramm
“Strafverfolgung: Das Strafrecht darf immer nur das letzte Mittel sein. Wir werden die gesetzlichen Bestimmungen schaffen, dass in Schleswig-Holstein niemand wegen Bagatelldelikten zu einer Haftstrafe verurteilt wird. Zudem wollen wir die Richtlinie zur Umsetzung des § 31a des Betäubungsmittelgesetzes anpassen und, bis zu einer endgültigen Entkriminalisierung, den Grenzwert für die „geringe Menge“ von Cannabisprodukten auf 20 Gramm Bruttogewicht anheben.”
“Für eine ganzheitliche Drogenpolitik: Grundsatz unserer Drogenpolitik ist die Aufklärung, der selbstbestimmte Umgang mit Drogen und die Prävention von Suchterkrankungen. Dabei wollen wir auch stärker über die Volksdrogen Alkohol, Tabak sowie Medikamentenabhängigkeit aufklären. Wir begrüßen die Ankündigung der Bundesregierung, ein rechtssicheres Drug-Checking in Clubs und Discotheken zu ermöglichen, und werden dies auch in Schleswig-Holstein umsetzen, um die Gefahren beim Konsum chemischer Drogen zu mindern. Statt der Kriminalisierung von Suchterkrankten setzen wir auf Prävention und Hilfsangebote. Wir unterstützen ausdrücklich die Legalisierung von Cannabis für Volljährige und die Abgabe in speziellen Fachgeschäften. Wir wollen kostenfreie Beratungsangebote und Beratungsstellen unterstützen. Auf kommunaler Ebene unterstützen wir die Einrichtung von Drogenkonsumräumen und begrüßen es, wenn Kommunen verstärkt Streetworker*innen einsetzen.”
“Neben dem Präventionsrat wollen wir Beratungsstrukturen wie die AIDS- oder Drogenberatungsstellen, die für die Gesundheitsprävention eine große Rolle spielen, stärken. Durch mobile Angebote soll es auch mehr Informations- und Beratungsangebote im ländlichen Raum geben.”
Antworten auf Wahlprüfsteine
Die Grünen bestätigen ihre Forderung, die “Geringe Menge” auf 20 Gramm anzuheben. Cannabis-Modellprojekte unterstützen sie weiterhin, sollte die Legalisierung auf Bundesebene scheitern. Schon in den aktuellen Koalitionsvertrag hatten sie Modellprojekte hineinverhandelt. Drug-Checking befürworten sie, verweisen jedoch auf dafür notwendige rechtliche Änderungen auf Bundesebene. Beim Führerscheinrecht sprechen sie sich für eine Anhebung des THC-Grenzwertes auf mindestens 2,0 ng/ml Blutserum aus. Zudem wollen sie die Praxis beenden, dass bereits einmalige Auffälligkeiten mit geringen Abbauwerten zu einer MPU führen. Sie begrüßen die Umsetzung einer Landesverordnung, die das Einrichten von Drogenkonsumräumen in den Kommunen ermöglicht. Der Eigenanbau, wie im Entwurf des Cannabiskontrollgesetzes beschrieben, wird befürwortet. Gesetzesinitiativen zur Legalisierung würden sie auch im Bundesrat unterstützen. In der kommenden Legislaturperiode wollen sie Drogenberatung, Streetworker, Drogenkonsumräume, Drug-Checking und Aufklärungsprojekte voranbringen. Für Cannabiskonsumenten wollen sie die Legalisierung mit vorantreiben und vorerst die Strafverfolgung in Schleswig-Holstein reduzieren.
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Frage 1
Die Bundesregierung plant den Cannabismarkt zu regulieren. Dieser Prozess dürfte wegen vieler Details noch etwas dauern. Wie stehen Sie dazu, die Entkriminalisierung im Vorfeld über Anhebung der “Geringen Menge” (§31a BtMG) u. konsequenter Einstellungsvorgabe für Staatsanwaltschaften voranzubringen?
Antwort
Wir haben diese Forderung schon immer unterstützt und werden das auch weiterhin tun. Sollten wir genügend Stimmen erhalten, um an Koalitionsverhandlungen beteiligt zu werden, würden wir uns auch weiterhin dafür einsetzen, dass im Vorgriff auf die Änderungen im Bund eine Strafverfolgung in Schleswig-Holstein weiter begrenzt wird. Wir haben dazu in unserem Wahlprogramm beschlossen: „Zudem wollen wir die Richtlinie zur Umsetzung des § 31a des Betäubungsmittelgesetzes anpassen und, bis zu einer endgültigen Entkriminalisierung, den Grenzwert für die „geringe Menge“ von Cannabisprodukten auf 20 Gramm Bruttogewicht anheben.“
Frage 2:
Nach §3 Abs. 2. BtMG kann eine Kommune oder ein Land eine Ausnahmegenehmigung für eine legale Cannabisabgabe, im wissenschaftl. oder öffentl. Interesse, beantragen. Wie stehen Sie zu Modellversuchen für eine kontrollierte Abgabe an Erwachsene, falls ein bundesweit regulierter Cannabismarkt scheitert?
Antwort
Auch das unterstützen wir und haben die Prüfung eines solchen Modellprojekts bereits in den aktuellen Koalitionsvertrag der Jamaika-Koalition verhandelt. Leider konnte dieser Punkt aus dem Koalitionsvertrag nicht umgesetzt werden, da es an der erforderlichen Genehmigung des Bundesamts für Arzneimittel und Medizinprodukte fehlt. Wir setzen daher unbedingt auf die geänderte Linie im Bund.
Frage 3
Wie stehen Sie zur Qualitätskontrolle (Drug-Checking) von Substanzen wie Cannabis, z.B. auf Verunreinigungen durch synthetische Cannabinoide?
Antwort
Auch das unterstützen wir bereits seit langem. Wir haben dazu im aktuellen Landtagswahlprogramm beschlossen: „Wir begrüßen die Ankündigung der Bundesregierung, ein rechtssicheres Drug-Checking in Clubs und Discotheken zu ermöglichen, und werden dies auch in Schleswig-Holstein umsetzen, um die Gefahren beim Konsum chemischer Drogen zu mindern.“ Wir hatten auch bereits in den Koalitionsvertrag der Küstenkoalition (2012-2017) eine Klausel zum Drug-Checking verhandelt. Ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes (Umdruck 18/2867) hat rechtliche Hindernisse bei einer Einführung des Drug Checkings auf Landesebene festgestellt. Auch hier ist also die Änderung der rechtlichen Voraussetzungen durch den Bund dringend notwendig (siehe S. 129 des grünen Wahlprogramms zur Bundestagswahl 2021).
Frage 4
Cannabiskonsumenten werden sowohl bei der Definition einer Rauschfahrt (THC Grenzwert) als auch bei der Überprüfung der Fahreignung (z.B. MPU-Anordnung) benachteiligt. Setzen Sie sich für eine Gleichbehandlung von Cannabis- und Alkoholkonsumenten im Straßenverkehr ein?
Antwort
Das Grundproblem beim Cannabiskonsum und der Fahrtauglichkeit besteht darin, dass keine lineare Korrelation von Wirkstoffkonzentration im Körper und einer Beeinträchtigung der Fahrtauglichkeit zu bestehen scheint. An den Beeinträchtigungen der Sinne und des Reaktionsvermögens durch Alkohol, Cannabis oder anderen Drogen ändert sich durch deren Legalisierung nichts. Wir sind allerdings für eine Anhebung des Grenzwerts auf mindestens 2,0 ng/ml Blutserum, wie es z. B. auch die Bundesanstalt für Straßenwesen in einer Anhörung vor dem Verkehrsausschuss des Bundestages im Jahr 2021 vortrug. Zusätzlich wollen wir die in Schleswig-Holstein übliche Praxis beenden, bei einer einmaligen Auffälligkeit im Straßenverkehr mit Cannabis und gleichzeitig geringen Abbauwerten sofort von einer gelegentlichen Einnahme von Cannabis auszugehen und eine medizinisch-psychologische Untersuchung anzuordnen.
Frage 5
Der reine Besitz von Cannabis – ohne einen Bezug zum Straßenverkehr – wird häufig von der Polizei an die Führerscheinstellen gemeldet. Wie wird dies in Ihrem Bundesland gehandhabt und wollen Sie an dieser Praxis festhalten?
Antwort
Regelungen, wie dies in Schleswig-Holstein gehandhabt wird, sind uns nicht bekannt. In der polizeilichen Praxis geschieht dies in Schleswig-Holstein üblicherweise nicht. Der Besitz von Cannabis kann kein Anlass für die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) zum Zweck der Überprüfung der Fahrereignung sein. Aus dem Besitz von Cannabis soll über die Entziehung der Fahrerlaubnis keine Strafe durch die Hintertür erfolgen.
Frage 6
Welche drogenpolitischen Initiativen gab es von Ihrer Fraktion in der aktuellen Legislaturperiode? (Bitte listen Sie Anträge, Anfragen etc. konkret und mit Link auf, damit wir Ihre parlamentarische Arbeit besser einschätzen können!)
Antwort
In dieser Legislatur spielte das Thema Drogen oder Cannabis keine große Rolle, weder von Seiten der Koalition noch Opposition. Die Koalition hat gemeinsam einen Antrag zum Modellprojekt eingebracht, der den drogenpolitischen Rahmen der Koalition beschreibt. Da wir im Rahmen der Koalition an den Koalitionsvertrag und das Mehrheitsprinzip gebunden sind, sind unsere parteipolitischen Initiativen bzgl. unserer Vorstellung einer gelingenden Drogenpolitik aufschlussreicher (siehe dazu https://sh-gruene.de/wp-content/uploads/2022/03/LTW-Programm_web-1.pdf). Wir sind sehr froh, dass die Landesregierung in dieser Legislatur umgesetzt hat, was wir Grüne bereits in der Küstenkoalition gefordert haben und damit an SPD und SSW gescheitert waren: Endlich gibt es eine Landesverordnung, die das Einrichten von Drogenkonsumräumen in den Kommunen ermöglicht. Kiel und Lübeck sind bereits auf dem Weg der Umsetzung bzw. haben dies angekündigt.
Frage 7
Welche drogenpolitischen Initiativen planen Sie in der nächsten Legislaturperiode?
Antwort
Wir wollen die Drogenberatung stärken und mehr mobile Angebote im Land schaffen, damit auch im ländlichen Raum eine gute Beratung möglich ist. Wir wollen gute Aufklärung insbesondere für Jugendliche leisten und einen selbstbestimmten Umgang ermöglichen und gleichzeitig Suchterkrankungen vorbeugen. Wir wollen mehr Aufklärung über die weit verfügbaren Drogen Alkohol, Tabak und Medikamente. Wir wollen Drug-Checking endlich ermöglichen und Legalisierung genauso voranbringen wie eine Entkriminalisierung. Wir unterstützen Drogenkonsumräume und mehr kommunale soziale Arbeit durch Streetworker*innen.
Frage 8
Befürworten Sie die Legalisierung von Cannabis für Erwachsene wie von der Bundesregierung geplant und würden dementsprechend eine Ja-Stimme Ihres Bundeslandes im Bundesrat befürworten? Wie stehen Sie in diesem Zusammenhang zur Legalisierung des privaten Eigenanbaus?
Antwort
Das unterstützen wir, wie oben erläutert. Zum Eigenanbau möchten wir auf den damaligen Entwurf des Cannabiskontrollgesetzes durch die Grüne Bundestagsfraktion verweisen. (https://dserver.bundestag.de/btd/18/042/1804204.pdf ). Darin vorgesehen ist auch der Anbau von bis zu drei weiblichen, blühenden Cannabispflanzen für den privaten, häuslichen Bedarf. Das unterstützen wir weiterhin.
Bisherige parlamentarische Aktivität
Wie bei Koalitionspartnern üblich gab es von den Grünen keine eigenen drogenpolitischen Initiativen. Zusammen mit FDP und CDU brachte man zu einem Modellprojekte-Antrag der SSW einen Alternativantrag ein, dass man zunächst nur Möglichkeiten dafür prüfen wolle. Die Landesregierung hat dies geprüft und geantwortet, dass das BfArM einem Modellprojekt nicht zustimmen würde. Obwohl die Grünen Modellprojekte selbst in den Koalitionsvertrag hinein verhandelt haben, wurde nichts weiter in der Richtung unternommen oder angestoßen, während z.B. Berlin trotzdem einen Antrag gestellt und gegen die Ablehnung geklagt hat.
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Alternativantrag: “Modellprojekt zur kontrollierten Freigabe von Cannabis”
Programmatisch sind die Grünen gut aufgestellt. Sie haben ein ausführliches Programm mit sinnvollen Forderungen und unterstützen die Legalisierung auf Bundesebene sowie Modellprojekte und Entkriminalisierung in Schleswig-Holstein mit einer Anhebung der “Geringen Menge” auf 20 Gramm. Fraglich ist allerdings, wie motiviert die Grünen bei der Sache sind. Dass das Thema Cannabis-Modellprojekt wegen Widerstand aus dem BfArM abgeblasen wurde, haben sie einfach hingenommen. Dass Koalitionspartner keine eigenen Anträge vorzuweisen haben, ist üblich, aber die Grünen haben das Thema Cannabis auch nicht wesentlich mit öffentlichen Statements bespielt.