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Repräsentative Umfragen – Wie stehen die Deutschen zu Cannabis und Legalisierung?

Diese Woche wurde in Berlin der Alternative Drogen- und Suchtbericht vorgestellt. Darin enthalten ist auch folgender Beitrag von DHV-Sprecher Georg Wurth. Der Bericht enthält viele weitere interessante Beiträge. 

Zusammenfassung

Eine Mehrheit für eine vollständige Legalisierung von Cannabis gibt es in Deutschland noch nicht. Aber die Werte steigen seit Jahren deutlich an, eine Mehrheit hält den Kampf gegen Drogen für wenig erfolgreich und glaubt unabhängig von der eigenen Meinung, dass Cannabis in Deutschland für Erwachsene in einigen Jahren legal erhältlich sein wird.

USA und Medizin

In den USA werden seit vielen Jahren regelmäßig Umfragen zum Thema Cannabislegalisierung durchgeführt. Seit 1986 (23 %) ist die Zustimmung kontinuierlich auf mittlerweile stabil über 50 % gestiegen (Gallup, Illegal Drugs). Ende März 2016 wurde ein Rekordwert von 61 % gemessen (Washington Post, 25.03.2016). In Deutschland ist die Datenlage dünner, aber auch hier gab es in den letzten Jahren zunehmend entsprechende Umfragen.

Eindeutig, beinahe überwältigend, ist die Zustimmung in Sachen Cannabis als Medizin. Eine große Mehrheit befürwortet es, Patienten den Zugang zu Cannabis zu erleichtern. Das Allensbach Institut kam 2006 auf eine Zustimmung von 77 % (DHV, 29.06.2006), der Spiegel meldete im Sommer 2015 nach einer Infratest-Umfrage 90 %. Hier besteht großer Handlungsbedarf, wenn Demokratie mehr bedeuten soll als ein Kreuzchen alle vier Jahre. Entsprechend plant die Bundesregierung zu handeln.

Legalisierung und Entkriminalisierung

Bei der Frage nach der Legalisierung von Cannabis, also der staatlichen Regulierung des bestehenden Marktes inklusive des Verkaufs, zeigen die Umfragen noch keine Mehrheit, aber einen deutlichen Anstieg der Zustimmung.

Mir vorliegende EMNID-Umfragen aus 2001 und 2010 fragten noch nicht eindeutig nach „Legalisierung? ja oder nein“, sondern waren differenzierter und haben als Antwortmöglichkeit auch die Entkriminalisierung von Konsumenten angeboten, also einen liberaleren Umgang mit ihnen, ohne den Verkauf zu regeln. 2001 kamen die Antwortmöglichkeiten „Entkriminalisierung“ und „Legalisierung“ zusammen noch auf 34 %. 2010 waren es dann 54 % der Befragten, die sich auf die eine oder andere Weise für eine liberalere Cannabispolitik aussprachen (DHV, 30.07.2010).

Diese EMNID-Umfragen sind wegen der vielen Antwortmöglichkeiten vermutlich nicht ganz aussagekräftig, was die Legalisierungsfrage angeht, aber es liegen aus früheren Jahren keine eindeutigeren Umfragen vor. In beiden Umfragen hatten sich 19 % der Deutschen für die Legalisierung ausgesprochen, nur die Zustimmung zur Entkriminalisierung war deutlich gestiegen.

2014 waren laut Infratest-Dimap 30 % der Deutschen der Meinung, Cannabis sollte für Volljährige legal und reguliert erhältlich sein, zum Beispiel über Fachgeschäfte wie in Colorado (DHV, 03.11.2014). Genau ein Jahr später, im November 2015, waren es bei genau gleicher Fragestellung 42 % (DHV, 16.11.2015). Beide Umfragen wurden vom DHV in Auftrag gegeben und zeigen einen sehr deutlichen Trend, der in letzter Zeit von einer zunehmenden Zahl ähnlicher Umfragen bestätigt wurde. Forsa kam zum Beispiel im Auftrag des Stern im Juli 2015 auf 37 % (Stern, 29.07.2015), Yougov meldet im März 2015 39 % (Yougov, 10.03.2016).
Das entspricht in etwa dem Wert, der in den USA 2008 überschritten wurde. So gesehen liegt Deutschland in der Entwicklung 7 Jahre hinter den USA zurück. Allerdings steigt die Zustimmung hierzulande zurzeit schneller als vor einigen Jahren in den USA, vermutlich auch durch die internationale Entwicklung und die Tatsache, dass es nun erstmals konkrete Beispiele für eine staatliche Regulierung von Cannabis gibt.

Die Zustimmung zu einer umfassenden Regulierung des Cannabismarktes ist also deutlich gestiegen und kein Außenseiterthema mehr. Aber es gibt eben auch noch keine Mehrheit. Also kein Handlungsbedarf?

Handlungsbedarf

Zumindest beim Thema Cannabis als Medizin legen die Umfragen sofortiges Handeln nahe. Es ist der Bevölkerung kaum noch zu vermitteln, warum Patienten ihre Medizin verweigert wird. Auch die Verfolgung der Konsumenten scheint nicht mehr zeitgemäß. Doch auch was den legalen Zugang zu Cannabis als Genussmittel angeht, wird die Politik nicht mehr lange den Kopf in den Sand stecken können.

Angesichts der steigenden Zustimmungsraten ist damit zu rechnen, dass es in wenigen Jahren auch in Deutschland eine Mehrheit für die Legalisierung von Cannabis gibt. Es macht also Sinn, sich zumindest schon mal Gedanken über mögliche Legalisierungsszenarien zu machen. Eine knappe Mehrheit von 51 % rechnete laut Infratest Dimap im November 2015 jedenfalls damit, „dass Cannabis in Deutschland für Erwachsene in einigen Jahren legal erhältlich sein wird“, also auch einige derjenigen, die selbst nicht dafür sind (DHV, 16.11.2015).

Dazu kommt, dass 77 % der Meinung sind, der internationale Kampf gegen Drogen sei wenig oder gar nicht erfolgreich (DHV, 03.11.2014). Sie sehen also das Scheitern repressiver Maßnahmen, ohne in gleicher Zahl konsequent umsteuern zu wollen. Offenbar sind die Menschen unsicher, ob ein legaler Cannabismarkt bessere Ergebnisse zeigt.

Dieser Zwiespalt lässt die Deutschen aber zumindest über Alternativen nachdenken, sie wollen andere Modelle erproben. Das zumindest legen Umfragen aus Berlin nahe. Obwohl Forsa im Auftrag der Berliner CDU im September 2015 entsprechend dem Bundestrend „nur“ 39 % für eine generelle Legalisierung gemessen hat (CDU Berlin, 28.09.2016), sprachen sich kurz darauf 58 % der Berliner dafür aus, das geplante Modellprojekt zur Cannabisabgabe in Friedrichshain/Kreuzberg zu genehmigen (DHV, 25.11.2015). Für eine umfassende Legalisierung von Cannabis auf einen Schlag im ganzen Land ist Deutschland also noch nicht bereit, aber die Bevölkerung möchte neue Wege in begrenztem Umfang erproben. Städte, die sich für solche Modellprojekte einsetzen, brauchen keine Angst vor der eigenen Courage bzw. dem Wähler zu haben. Das gleiche gilt für die zur Zeit diskutierte Änderung des BtMG zur Erleichterung solcher Projekte und für die Bundesregierung, die wohlwollender mit solchen Ersuchen aus den Städten umgehen könnte.

Cannabis vs. Alkohol

Interessant sind auch die Ergebnisse der Infratest-Umfrage von Oktober 2014 bezüglich der Frage zur Gefährlichkeit von Cannabis im Vergleich zu Alkohol. Nur 20 % halten Cannabis für gefährlicher als Alkohol, weitere 20 % halten Cannabis für weniger gefährlich, der Rest hat entweder keine Meinung oder hält beide Drogen für ähnlich gefährlich (46 %) (DHV, 03.11.2014). Das Argument, Cannabis müsse verboten bleiben, weil es schädlicher sei als Alkohol, findet also in der Bevölkerung genau so wenig Zustimmung wie unter Fachleuten.

Details der Umfragen-Ergebnisse – Alter, Bildung, Einkommen, Geschlecht, Parteien

Die Ergebnisse der Infratest-Dimap-Umfragen 2014 und 2015 offenbaren interessante Details bei der Legalisierungsfrage. So haben sich die Meinungen in den verschiedenen Altersgruppen weitgehend angeglichen, es gibt kaum Unterschiede in den Altersgruppen von 18 bis 59. Nur die Generation 60+ liegt deutlich unter dem Durchschnitt, obwohl die Zustimmung zur Legalisierung auch dort innerhalb eines Jahres deutlich zugenommen hat (von 19 auf 33 %). Beim Bildungsgrad ist das Gefälle dagegen eindeutig: 2015 waren nur 33 % der Befragten mit Hauptschulabschluss für Cannabis-Fachgeschäfte wie in Colorado, aber 51 % der Befragten mit Abitur/Fachhochschulreife. Das gleiche Bild ergibt sich bei der Betrachtung der finanziellen Situation der Befragten, die Zustimmung zur Legalisierung steigt mit dem Haushaltseinkommen von 34 auf 50 % (2015). Männer sind wesentlich häufiger für die Legalisierung als Frauen (52 vs. 33 %). (DHV, 03.11.2014; DHV, 16.11.2015)

Interessant für die politische Debatte sind natürlich auch die Ergebnisse bei den unterschiedlichen Parteianhängern. Bei den Wählern von Linken, Grünen und „Sonstigen“ gab es 2015 jeweils deutliche Mehrheiten für die Legalisierung von Cannabis (56, 67, und 61 %). Bei der SPD waren es 44 und bei der CDU immerhin 29 %. Das spricht für erheblichen Diskussionsbedarf auch innerhalb der beiden „großen Volksparteien“. Auch die Anhänger der CDU stehen bei Weitem nicht so klar hinter dem Cannabisverbot wie ihre Volksvertreter.

Die öffentliche Debatte der letzten Jahre lässt sich deutlich daran ablesen, dass es immer weniger Menschen gibt, die keine Meinung zum rechtlichen Umgang mit Cannabis haben. Nur noch 1 % der Befragten hatte 2015 keine Meinung zu dem Thema, 2014 waren es noch 2 % und bei der EMNID-Umfrage 2010 waren es 7 %.

Fazit

International gerät das Cannabisverbot ins Wanken. Auch die Deutschen sehen repressive Drogenpolitik kritisch, sie zeigen sich offen dafür, neue Wege auszuprobieren. Für eine vollständige Legalisierung von Cannabis sind sie noch nicht bereit, aber die Umfragewerte sind stark gestiegen, so dass eine Mehrheit in absehbarer Zeit nicht unwahrscheinlich ist.
Beim Thema Cannabis als Medizin ist die Sache wiederum glasklar, eine überwältigende Mehrheit will den Zugang erleichtern.

Die Zeiten ändern sich!

Literatur:

CDU Berlin (2016): 61 Prozent der Berliner lehnen Freigabe von Cannabis ab, online verfügbar unter: http://www.cduberlin.de/lokal_1_1_167_61-Prozent-der-Berliner-lehnen-Freigabe-von-Cannabis-ab.html, letzter Zugriff: 12.04.2016.

Deutscher Hanfverband (2006): Breite Mehrheit für Cannabis als Medizin, online verfügbar unter: https://hanfverband.de/nachrichten/news/breite-mehrheit-fuer-cannabis-als-medizin, letzter Zugriff: 12.04.2016.

Deutscher Hanfverband (2010): Laut EMNID-Umfrage ist die Mehrheit der Deutschen für ein liberaleres Cannabisrecht, online verfügbar unter: https://hanfverband.de/nachrichten/news/laut-emnid-umfrage-ist-die-mehrheit-der-deutschen-fuer-ein-liberaleres-cannabisrecht, letzter Zugriff: 12.04.2016.

Deutscher Hanfverband (2014): Mehrheit der Deutschen sieht Drogenkrieg kritisch – Hanfverband kündigt Medienkampagne an, online verfügbar unter: https://hanfverband.de/nachrichten/pressemitteilungen/mehrheit-der-deutschen-sieht-drogenkrieg-kritisch-hanfverband-kuendigt-medienkampagne-an, letzter Zugriff: 12.04.2016.

Deutscher Hanfverband (2015): Neue Umfrage: Zustimmung zur Legalisierung von Cannabis innerhalb eines Jahres drastisch gestiegen, online verfügbar unter: https://hanfverband.de/nachrichten/pressemitteilungen/neue-umfrage-zustimmung-zur-legalisierung-von-cannabis-innerhalb-eines-jahres-drastisch-gestiegen, letzter Zugriff: 12.04.2016.

Deutscher Hanfverband (2015): Mehrheit der Berliner für Cannabis-Modellprojekt in Kreuzberg, online verfügbar unter: https://hanfverband.de/nachrichten/pressemitteilungen/mehrheit-der-berliner-fuer-cannabis-modellprojekt-in-kreuzberg, letzter Zugriff: 12.04.2016.

Gallup (2015): Umfragen-Übersicht USA, online verfügbar unter: http://www.gallup.com/poll/1657/illegal-drugs.aspx, letzter Zugriff: 12.04.2016.

Ingraham, C. (2016): Support for marijuana legalization has hit an all-time high, in: Washington Post, 23.05.2016, online verfügbar unter: https://www.washingtonpost.com/news/wonk/wp/2016/03/25/support-for-marijuana-legalization-has-hit-an-all-time-high/, letzter Zugriff: 12.04.2016.

Schmidt, M. (2016): Bevölkerung uneins über Legalisierung von Marihuana, in: YouGov, 10.03.2016, online verfügbar unter: https://yougov.de/news/2015/03/10/knappe-mehrheit-gegen-legales-kiffen/, letzter Zugriff: 12.04.2016.

Stern (2015): Deutsche gegen Legalisierung von Haschisch, in: stern-Umfrage, 29.07.2015, online verfügbar unter: http://www.stern.de/panorama/gesellschaft/stern-umfrage-deutsche-gegen-legalisierung-von-haschisch-6362378.html, letzter Zugriff: 12.04.2016.


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