|

Newsletter des Deutschen Hanf Verbandes: Juni 2010


  1. Viel Lärm um nichts – Berlin ändert nichts an Strafverfolgung
  2. Niederländische Politiker fordern Legalisierung sämtlicher Drogen
  3. Ausweissystem für Coffeeshops vor Gericht
  4. Medizinisches Cannabis soll verkehrsfähig werden
  5. Schule verlangt freiwilligen Urintest
  6. Erster Cannabis Social Club Ibizas eröffnet
  7. Meldungen des DHV in Kürze
  8. Termine

 


1. Viel Lärm um nichts – Berlin ändert nichts an Strafverfolgung

Kiffer-Paradies Berlin! Warum ist Berlin so lasch beim Hasch? Berlin bleibt für Kiffer attraktiv! 14 000 Berliner sind abhängig von Cannabis! Mit diesen reißerischen Überschriften war Mitte Mai das Thema Cannabis in den Berliner Medien.

Hintergrund war die Berliner “Hasch-Verordnung”, also die Verwaltungsvorschrift, die in jedem Bundesland regelt, bis zu welcher Menge Cannabis die Staatsanwaltschaften Verfahren einstellen können/sollen. In Berlin gilt seit 2005: Bei bis zu 10 g soll eingestellt werden, bei bis zu 15 g kann eingestellt werden. Es ist keine Muss-Regelung und es gibt einige Ausnahmen (Konsum in der Öffentlichkeit, in Schulen etc.).

Diese Verordnung wurde im Mai von der Berliner Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linke) erneut in Kraft gesetzt. In einem Interview mit dem Spiegel bezeichnete sie diese Art der Entkriminalisierung der Konsumenten als erfolgreich und sinnvoll.

Diese Nachricht führte in den Medien zu heftigen Reaktionen und zweifelhaften Interpretationen. So schrieb die BZ: “Die Hauptstadt plant eine neue Verwaltungsvorschrift, nach der das Mitführen von Haschisch und Marihuana bis 15 Gramm nicht bestraft wird.”

Regina Kneiding, Sprecherin von Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linke), versuchte klarzustellen: “Das bedeutet aber keine generelle Freigabe bis 15 Gramm. Ermittelt wird immer bei Drogenbesitz. In der Praxis wird das Verfahren aber bis 15 Gramm meist wegen Geringfügigkeit eingestellt. Wer allerdings seinen Drogenkonsum öffentlich zur Schau stellt, andere verführt oder gar Drogen verkauft, wird konsequent strafrechtlich verfolgt.”

Gegenwind kommt wie zu erwarten von der CDU, deren Sicherheitsexperte Peter Trapp sagte: “Die Berliner Regelung hat dazu geführt, dass die Dealer Drogenmengen genau bis zur Toleranzgrenze bei sich tragen und sie als Eigenbedarf deklarieren. Dann wird zwar von Amts wegen ermittelt, doch das Verfahren fast automatisch eingestellt. Wir fordern, dass vor allem in den drei Drogenkiezen Weinmeisterpark, Hasenheide und Kottbusser Tor keine Drogen toleriert werden, weil es dort primär um Verkauf als um Konsum geht.”

Der Leiter der auf Cannabis-Sucht spezialisierten Einrichtung “Therapieladen”, Andreas Gantner, hält die Entkriminalisierung der Droge für den richtigen Weg.

Wie die Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz auf eine Anfrage des DHV mitteilte, ändert sich an der Verordnung nichts. Die alte Verordnung war schlicht befristet und wurde nun wieder verlängert, die Darstellungen in der Presse waren aufgebauscht. Auch an der Arbeit der Polizei verändert sie nichts. Angesichts der Absenkung der “geringen Menge” in den letzen Jahren in anderen Bundesländern ist die Beibehaltung der derzeitigen Regelung in Berlin allerdings schon fast ein drogenpolitischer Erfolg. Dadurch gehört Berlin mittlerweile tatsächlich zu den liberalsten Bundesländern, ohne irgendeine eigene Veränderung seit 2005, aber mit einer Senatorin, die trotz heftigem Gegenwind zur alten Regelung steht.

Mehr zum Thema


2. Niederländische Politiker fordern Legalisierung sämtlicher Drogen

Mitten im niederländischen Wahlkampf forderten angesehene Alt-Politiker und Wissenschaftler in einem offen Brief die Legalisierung aller Drogen. Das Manifest, welches in der großen überregionalen Zeitung “NRC-Handelsblad” veröffentlicht wurde, wurde unter anderem von Frits Bolkestein, dem ehemaligen EU-Kommissar und Verteidigungsminister der Niederlande, der früheren Gesundheitsministerin der Niederlande, Els Borst-Eilers, sowie von Strafrechtsprofessor Theo de Roos unterzeichnet. Hier einige Zitate aus dem Manifest:

“Wenn der gesamte Drogenhandel staatlich reguliert wird, könnten Dealer nichts mehr verdienen”

“Drogen kann man nicht verbieten. Es hat sie immer gegeben. Es wird sie immer geben. Darum ist es das Beste, dass wir sie freigeben.”

“Die Bekämpfung der vor allem vom Drogenhandel kreierten Kriminalität kostet uns jährlich rund 15,75 Mrd. Euro oder 924 Euro pro Kopf der Bevölkerung.”

Inzwischen ist die Wahl entschieden und wie es derzeit aussieht, werden die drogenpolitisch weniger progressiven Christdemokraten in die Opposition gehen. Die sozialdemokratischen Partei der Arbeit (PvdA) wirbt für eine “violette” Links-Mitte-Regierung mit den rechtsliberalen Wahlgewinnern der Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD), den Grün-Linken und den linksliberalen Demokraten 66. Es bleibt also spannenden zu sehen, in wie weit der Aufruf sich in realer Drogenpolitik manifestieren wird…

Mehr zum Thema


3. Ausweissystem für Coffeeshops vor Gericht

Die Initiative des Maastrichter Bürgermeisters Gert Leers, ein Ausweissystem für Coffeeshops einzuführen, ist inzwischen ein Fall für den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Dieser soll klären, ob es zulässig ist, zwischen Käufern von außerhalb und solchen, die ortsansässig sind, zu unterscheiden. Diese Initiative Leers ist inzwischen mehr als ein Jahr alt, ursprünglich sollte die Pflicht zum 1. Januar eingeführt werden, danach wurde sie bis in den März verschoben. Eine von den beteiligten Städten in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie der Universität Tilburg war zuletzt zu dem Schluss gekommen, dass die Folge des vorgeschlagenen Systems die Verlagerung des Cannabishandels auf die Straße wäre, dies hätten die Erfahrungen aus den Städten Roosendaal und Bergen op Zoom gezeigt, in denen alle Coffeeshops geschlossen worden waren.

Mehr zum Thema


4. Medizinisches Cannabis soll verkehrsfähig werden

Endlich bewegen sich die Behörden in Sachen Cannabis als Medizin. Der Sachverständigenausschuss für Betäubungsmittel (BTM) sprach sich in seiner 35. Sitzung dafür aus, Cannabis-Extrakt als Wirkstoff von Fertigarzneimitteln in die Anlage III des BTM-Gesetzes aufzunehmen und damit verkehrsfähig zu machen. Entsprechende Präparate könnten dann mit einem BTM-Rezept regulär verordnet werden. Nun bedarf es noch der Zustimmung des Bundesgesundheitsministeriums und des Bundesrates, bevor das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) den ersten bereits vorliegenden Zulassungsantrag für ein konkretes Medikamente bearbeiten darf. Es wird vermutet, dass es sich hierbei um das Produkt Sativex des britischen Herstellers GW Pharmaceuticals handelt. Das Oromucosal-Spray ist in Kanada bereits im Einsatz, u.a. bei Tumorschmerzen und neuropathischen Schmerzen bei Multipler Sklerose (MS). GW Pharmaceuticals hat parallel Anträge für eine Zulassung in Großbritannien und Spanien zur Behandlung der Muskelsteifheit bei MS-Patienten gestellt.

Mehr zum Thema

  • Der Sachverständigenausschuss für Betäubungsmittel – Ergebnisse & Tagesordnung der Sitzungen
  • Cannabis soll verkehrsfähig werden, Apotheke Adhoc vom 04. Mai 2010

5. Schule verlangt freiwilligen Urintest

In Nordstemmen (Kreis Hildesheim) rief die Schulleitung der Haupt- und Realschule Marienberg nach Gerüchten über den Konsum und Handel mit Drogen die Polizei zur Hilfe. Mitten im Unterricht wurden 29 Schüler aus unterschiedlichen Klassen zu einem freiwilligen Drogentest gebeten. Bei einigen bestätigte sich der Verdacht auf Drogenkonsum dadurch. Auf welcher Grundlage die Polizei daraufhin mehrere Ermittlungsverfahren einleitete, ist leider nicht bekannt – der Konsum von Drogen ist in Deutschland legal. Der Direktor und die Polizei hofften beim Einsatz dieses pädagogischen Mittels auf eine abschreckende Wirkung.

Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) erklärte hierzu: “Grundsätzlich ist das gemeinsame Vorgehen von Polizei und Schule gegen Drogenkonsum an unseren Schulen zu begrüßen. Jeder Drogenhändler muss damit rechnen, dass er an Niedersachsens Schulen entdeckt wird.” Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Eberhard Brandt, zweifelte an dem Nutzen dieser Aktion und fragte: “Kommt man an die Dealer, indem man Schüler zum Urintest bittet?” Die Grüne Ina Korter hält Urintests unter Polizeianwesenheit nicht nur für pädagogisch bedenklich, sondern stellte auch die Rechtmäßigkeit dieses Eingriffes in die Persönlichkeitsrechte der minderjährigen Jugendlichen in Frage.

Die niedersächsische Landtagsabgeordnete Christa Reichwaldt (LINKE) stellte unter dem Titel “Willkürliche Drogentests durch die Polizei an Niedersachsens Schulen als pädagogisches Mittel?” im Landtag eine mündliche Anfrage. Darin wollte sie wissen: “Unter welchen Bedingungen fand der Drogentest bei den Schülerinnen und Schülern statt? Welche Konsequenzen haben Schülerinnen und Schüler im Falle einer Ablehnung des Drogentestes zu erwarten? Und in welcher Form war das Kultusministerium in diesen Vorgang involviert?”

Hier die Antwort der Landesregierung:

Nach Berichten der Landesschulbehörde sowie der Polizeidirektion Göttingen stellte sich der Sachverhalt wie folgt dar:

Seit 2009 waren der Haupt- und Realschule Marienbergschule und der Polizei in Nordstemmen Gerüchte bekannt, dass im Gebäude und im Außenbereich der Schule Cannabis und andere Drogen konsumiert und gehandelt würden. Der Schulleiter vereinbarte mit der Polizei, derartigen Gerüchten mit erhöhter Aufmerksamkeit nachzugehen. Das Polizeikommissariat Sarstedt nahm zunächst Kontrollen, auch Verkehrskontrollen, außerhalb der Schule vor. Mit Stand vom 3. Juni 2010 laufen mehrere Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz gegen Jugendliche aus der Gemeinde Nordstemmen, die auch Schülerinnen und Schüler der Marienbergschule betreffen. Ein darüber hinausgehender Bezug zur Schule oder zum schulischen Umfeld wurde bei den in Rede stehenden Ermittlungsverfahren nicht festgestellt.

Im Februar 2010 nahmen der Schulleiter und die Sozialpädagogin der Schule erneut Kontakt zur Polizei auf. Dabei wurde eine Intensivierung der Kontrollen vereinbart. Während der Abschlussfahrt zweier 10. Klassen im Jahr 2010 wurden zwei Schülerinnen beim Rauchen eines “Joint” entdeckt und von der weiteren Teilnahme an der Klassenfahrt ausgeschlossen. Mit diesem Vorfall befasste sich auch die zuständige Klassenkonferenz.

In einer darauf folgenden Dienstbesprechung des Lehrerkollegiums informierte ein Mitarbeiter des Polizeikommissariates Sarstedt allgemein über Drogen. Dabei wurde in Erwägung gezogen, als mögliche Maßnahme zur Feststellung von Drogenkonsum einen sogenannten Drogenschnelltest – auf freiwilliger Basis – bei den Schülerinnen und Schülern durchführen zu lassen. Das Ergebnis eines solchen Drogentestes kann nach Abgabe einer Urinprobe sofort am Teststreifen abgelesen werden.

Der Schulleiter informierte den Landrat, das Schulamt des Landkreises Hildesheim, den Elternratsvorsitzenden der Schule sowie die Landesschulbehörde und beriet sich mit ihr. Die Staatsanwaltschaft Hildesheim war bereits im Vorfeld vom Polizeikommissariat Sarstedt informiert worden.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie folgt:

Zu 1: Die Kontrolle fand als Präventionsmaßnahme am 10. Mai 2010 statt. Der Schulleiter nahm zunächst um 7:30 Uhr an einer Einsatzbesprechung im Polizeikommissariat in Sarstedt teil.

Die Zahl der für die Teilnahme am freiwilligen Drogenschnelltest vorgesehenen Schülerinnen und Schüler war auf 30 von 435 Schülern festgelegt worden. Der Schulleiter hatte nach Rücksprache mit dem Kollegium aus den Klassen 7 bis 10 je eine Schülerin bzw. einen Schüler pro Klasse ausgewählt. Den 29 der 30 ausgewählten, an diesem Tag anwesenden Schülerinnen und Schülern wurden im Beisein der Polizei sowie dreier im Auftrag des Jugendamtes tätigen Mitarbeiter der Jugendhilfestation West in der Aula durch den Schulleiter der Hintergrund und die Freiwilligkeit der Maßnahme erläutert.

Für die Sichtüberprüfungen auf Verdachtsindikatoren standen Besprechungszimmer und umliegende Klassenräume zur Verfügung. Für die Abgabe der Urinproben wurden die Toiletten im Sekretariatsbereich genutzt. Eine direkte Beaufsichtigung des eigentlichen Toilettenganges fand nicht statt.

Nach Ende der Kontrolle konnten die Schülerinnen und Schüler in ihre Klassen zurückkehren. Für ihre Erziehungsberechtigten wurde allen in die Stichprobe einbezogenen Schülerinnen und Schüler im Anschluss ein Brief des Schulleiters ausgehändigt.

Zu 2: Keine. Die Teilnahme sowohl an der Sichtüberprüfung auf Verdachtsindikatoren (Pupillentest, Verhaltensauffälligkeiten) als auch am Urintest war freiwillig. Aus der Weigerung, an dem Drogentest teilzunehmen, sind keine juristischen Folgen abzuleiten, da es dafür keine rechtlichen Grundlagen gibt.

Zu 3: Das Kultusministerium hat sich vor dem Hintergrund der öffentlichen Diskussion durch die Landesschulbehörde informieren lassen.

Mehr zum Thema


6. Erster Cannabis Social Club Ibizas eröffnet

In Spanien gründen sich immer mehr Cannabis Social Clubs (CSC). Nachdem sich in Madrid, Barcelona und Mallorca bereits CSCs gegründet hatten, konnte Anfang Mai die Organisation “Ibiza Growers” mit rund 50 Mitgliedern die Eröffnung ihres CSC auf Ibiza feiern. Der Vorsitzende Ka’rol Kittl stellte dabei die diverseren Ziele vor: Die Cannabiskonsumentinnen vom Schwarzmarkt holen, Schutz von Kindern und Jugendluchen sowie die Unterstützung von Menschen, die Cannabis als Medizin nutzen. In Spanien arbeiten die Vereine inzwischen offen mit dem Staat zusammen: Sie zahlen Steuern, legen ihre Mitglieder offen und informieren auch über den Anbauort. Martin Barriuso vom CSC Pannagh berichtete auf der Mitgliederversammlung des europäischen Dachverbandes ENCOD letztes Wochenende in Frankfurt, es gäbe mittlerweile allein in Katalonien 23 registrierte CSCs, in ganz Spanien könnten es sogar 200 sein.

Mehr zum Thema

  • Auf Ibiza eröffnete ein Cannabis Social Club, hanfplantage.de 4. Mai 2010
  • Cannabis Social Clubs – eine Chance für Deutschland?
  • DAS ENCOD BULLETIN ZU DROGENPOLITIK IN EUROPA – NR 58 DEZEMBER 2009 – CANNABIS SOCIAL CLUBS: DAS SPANISCHE MODEL
  • Examples of Cannabis Social Club’s in Europe

7. Meldungen des DHV in Kürze


8. Termine

  • 2.-4. Juli 2010, Burg Hohenberg: Seminar mit Georg Wurth: “Im Spannungsfeld zwischen Drogenpolitik und Drogenprävention”, Blogpost zum Termin
  • 7. August Hanfparade 2010, www.hanfparade.de
  • 17.-19. September.2010 Cannabizz Prague 2010 – the 1st international Hemp Fair of Czech republic, Prague www.cannabizz.cz
  • 29.-31. Oktober 2010 Cultiva Hanf Kongress, www.cultiva.at
  • 19-21. November 2010 Cannafest – The Biggest International Hemp Fair, Prague, Czech Republic Prague Exhibition Grounds www.cannafest.cz

  • Sponsoren des DHV erhalten eine umfangreichere Version dieses Newsletters – Werde Privatsponsor des Deutschen Hanf Verbandes!
  • Die Legalisierung von Cannabis kann man auf vielen Wegen unterstützen, zum Beispiel mit einer Spende an den DHV!
  • Zum Ein- oder Austragen und dem Verwalten eines Abonnements besuche bitte die Seite der Mailingliste

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert