Auf dieser Seite findet ihr Informationen zu unserer Führerschein-Kampagne von 2017. Informationen zur aktuellen Rechtslage beim Thema Führerschein findet ihr hier.
Die Führerscheinkampagne des Deutschen Hanfverbands – Gerechtigkeit, Verhältnismäßigkeit und Sicherheit
Niemand will berauschte Fahrer im Straßenverkehr! Doch Cannabiskonsumenten wird der Führerschein oft dauerhaft entzogen, selbst wenn sie nicht unter Rauschwirkung am Steuer sitzen oder sogar überhaupt nicht am Straßenverkehr teilnehmen. Die Ungleichbehandlung von Cannabis- und Alkoholkonsum führt zu schwerwiegenden Folgen für den Konsumenten und die Gesellschaft. Der langfristige Verlust des Führerscheins zerstört Existenzen und Steuerzahler werden zu Sozialhilfeempfängern gemacht – auch wenn keine Verkehrsgefährdung vorgelegen hat. Das ist ungerecht!
Deshalb haben wir uns zum Ziel gesetzt, auf diese Problematik nicht nur öffentlich aufmerksam zu machen, sondern auch mit der Politik ins Gespräch zu kommen, um endlich zu einer Veränderung in der Rechtspraxis beizutragen!
Fazit und Forderungen der Kampagne
Für mehr Gerechtigkeit, Verhältnismäßigkeit und Sicherheit im Straßenverkehr ist eine Angleichung der Verfahrensweisen in Bezug auf Alkohol und Cannabis notwendig.
Dazu ist eine wissenschaftlich fundierte Anpassung des THC-Grenzwertes und dessen Normierung in §24a StVG nötig. Das ist die zentrale Forderung an die Bundesebene!
Auch bei höheren THC-Werten ist bei manchen Betroffenen keinerlei Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit messbar. Deshalb wäre mittelfristig umzustellen auf Methoden, die eine tatsächliche Beeinträchtigung von Fahrern beurteilen. Forschung in diesem Bereich ist zu intensivieren.
Politiker auf Landesebene sollten diese Forderungen, insbesondere zur Einführung eines gerechten THC-Grenzwertes, innerhalb ihrer Parteien bestärken. Auch eine Bundesratsinitiative kommt in Frage.
Aber auch auf Länderebene sind Verbesserungen für mehr Gerechtigkeit möglich:
Mit der IV. Änderungsverordnung (BR-Drs 302/08 vom 30.04.2008) wurde §14 Abs. 2 Satz 3 FEV angefügt, wonach wegen Zweifel an ausreichendem Trennungsvermögen bei einem wiederholten Drogennachweis im Straßenverkehr (§24a StVG) eine MPU-Anordnung erfolgen soll. Diese Änderung, die eine Angleichung an die Praxis bei Alkohol vorsieht, wurde von den meisten Landesbehörden bislang nicht umgesetzt.
Das BVerfG hat am 20.06.2002 entschieden, dass von Überprüfungsmaßnahmen durch die Fahrerlaubnisbehörden alleine aufgrund des Besitzes einer geringfügigen Menge Cannabis zum Eigenbedarf abzusehen ist. Auch dieses Urteil wird nicht in allen Bundesländern konsequent angewendet, insbesondere wenn bei den Behörden wiederholt Meldungen wegen geringer Besitzdelikte eingehen.
Die Führerscheinstellen sind also per Durchführungserlass zur FEV anzuweisen, dass Besitzdelikte ohne Verkehrsbezug in keinem Fall zu Überprüfungsmaßnahmen führen dürfen.
Die Polizei ist anzuweisen, Besitzdelikte wegen geringer Cannabismengen nicht mehr an die Führerscheinstellen zu melden.
Unsere ausführlichen Forderungen mit Begründungen könnt ihr hier lesen und herunterladen: Positionspapier
Wissenschaftliche Broschüre
Zusammen mit einem wissenschaftlichen Team haben wir die relevantesten Studien der letzten Jahre ausgewertet. Neben wissenschaftlichen Fakten gibt Rechtsanwalt Sebastian Glathe eine Übersicht der aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen und mögliche Sanktionen.
Inhaltsverzeichnis
1. Wissenschaft
1.1. Zusammenfassung unserer Literaturstudie
1.2. THC – Wirkung und Beeinträchtigung
1.3. Abbauverhalten und Nachweis
1.4. Ein sinnvollerer Grenzwert
1.5. Literaturverzeichnis
2. Rechtliche Dimensionen
2.1. Betäubungsmittelgesetz
2.2. Strafgesetzbuch
2.3. Ordnungswidrigkeit
2.4. Fahrerlaubnisverordnung
3. Kosten
Resolution “Gleichstellung von alkohol- und cannabiskonsumierenden Führerscheininhabern”
Gemeinsam mit verschiedenen Akteuren haben wir nachfolgende Resolution verabschiedet:
Resolution
An die Abgeordneten des Deutschen Bundestages
An die Abgeordneten der Landesparlamente
An den Bundesverkehrsminister
An den Bundesjustizminister
An die Verkehrsministerkonferenz
An die Justizministerkonferenz
“Gleichstellung von alkohol- und cannabiskonsumierenden Führerscheininhabern”
Die Unterzeichnenden sprechen sich für Änderungen im Verkehrs- und Fahrerlaubnisrecht aus, um eine Gleichbehandlung von alkohol- und cannabiskonsumierenden Führerscheininhabern zu erreichen.
Risikobasierte Grenzwerte und erzieherische Sanktionsspirale bei Alkohol
Bei Alkohol im Straßenverkehr gibt es mehrere Grenzwerte, die sich am tatsächlichen Gefahrenpotential orientieren und die unterschiedlich harte Sanktionen zur Folge haben (Blutalkoholkonzentrationen von 0,3 – 0,5 – 1,1 Promille). Außerdem wird unterschieden, ob ein Fahrer einmalig oder mehrfach mit Alkohol am Steuer auffällt. Die erste Auffälligkeit mit Bußgeld und einmonatigem Fahrverbot ist ein deutlicher Warnschuss und reicht bei vielen Betroffenen aus, um Konsum und Fahren zukünftig zu trennen. Das Ordnungwidrigkeitenrecht hat hier eine erzieherische Funktion. Eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) wird von den Fahrerlaubnisbehörden erst nach wiederholter Auffälligkeit über 0,5 Promille oder bei einmaligen Verstößen ab 1,1 Promille gefordert.
Null-Toleranz bei Cannabis
Bei Cannabis gilt der analytische Grenzwert von 1 Nanogramm (ng) aktives THC pro Milliliter Blutserum. Dieser Grenzwert hat keine Aussage über eine Rauschwirkung und orientiert sich nicht an einer tatsächlich erhöhten Unfallgefahr. Er wird noch viele Stunden, manchmal sogar mehrere Tage nach Abklingen der Rauschwirkung überschritten. Auf diese Weise wird nüchternen Fahrern eine Rauschfahrt unterstellt, die sie nicht begangen haben. Darin liegt die erste ungerechte Ungleichbehandlung.
Bei 0,49 Promille Alkohol kann die Fahrtüchtigkeit durchaus beeinträchtigt sein. Solange die Beamten keine Beeinträchtigungen bemerken, hat dieser Wert aber keinerlei Folgen bei einer Verkehrskontrolle, während vollkommen nüchterne Fahrer mit 1,0 ng THC pro ml Blutserum bereits Bußgeld und Fahrverbote auferlegt bekommen wie bei über 0,5 Promille Alkohol. Dieser Ungleichbehandlung kann nur mit einem risikobasierten Grenzwert für Cannabis begegnet werden.
Noch drastischer sind allerdings die weiteren Folgen für Cannabiskonsumenten. Während nach einer Alkoholfahrt über 0,5 Promille die Sache nach Bußgeld und befristetem Fahrverbot erst einmal ausgestanden ist, fangen die großen Probleme bei Cannabis erst an. Neben den ordnungswidrigkeitsrechtlichen Sanktionen werden auch die zuständigen Führerscheinstellen informiert, die in der Regel schon nach einem einmaligen Verstoß fehlendes Trennungsvermögen zwischen Konsum und Verkehrsteilnahme unterstellen. Diese entziehen meistens die Fahrerlaubnis sofort und langfristig oder fordern zumindest ein teures Überprüfungsverfahren mit fachärztlichen Gutachten oder MPU an. Die erzieherische Sanktionsspirale bzw. Warnschuss-Intention, die nur auf das Ordnungswidrigkeitenrecht bezogen auch bei Cannabis greifen würde, wird durch einen sofortigen Entzug der Fahrerlaubnis auf der verwaltungsrechtlichen Ebene ausgehebelt.
Der Entzug der Fahrerlaubnis kommt darüber hinaus in der Praxis auch ohne Verkehrsbezug häufig vor, wenn die Führerscheinstelle von einem regelmäßigen Cannabiskonsum des Betroffenen ausgeht. “Regelmäßiger Konsum” wird von den Fahrerlaubnisbehörden oft schon bei wöchentlichem oder monatlichem Konsum unterstellt, während es in der Praxis keinerlei Problem darstellt, wenn ein Autofahrer jeden Abend ein Feierabendbier trinkt.
Wenn jemand dagegen mit geringen Mengen Cannabis zum Eigenbedarf erwischt wird, erfolgt eine Meldung an die Führerscheinstelle. Mehrere solche Meldungen können schon für das Einleiten teurer Überprüfungsmaßnahmen ausreichen. Hierin liegt die dritte wesentliche Ungleichbehandlung zwischen Alkohol und Cannabis im Straßenverkehr.
Unterschiedliche Behandlung orientiert sich nicht am Unfallrisiko
Diese drastische Ungleichbehandlung von Alkohol und Cannabis lässt sich nicht mit der potentiellen Erhöhung des Unfallrisikos im Vergleich zum nüchternen Fahren begründen. Während sich das Unfallrisiko bei 0,5 oder mehr Promille Alkohol um das 2- bis 200-fache erhöht, erhöht es sich für akut durch THC beeinträchtigte Fahrer (Konsum innerhalb der letzten drei Stunden) im Mittel nur um das 2-fache, wie aktuelle Studien zeigen. Selbstverständlich ist auch diese Verdopplung des Unfallrisikos nicht zu tolerieren, sondern zu sanktionieren. Für eine wesentlich härtere Bestrafung für Cannabis am Steuer gibt es aber keine wissenschaftliche Begründung.
Anders als bei Alkohol ist es hingegen bei THC aus verschiedenen Gründen schwierig, einen wissenschaftlich fundierten, eindeutigen Blutkonzentrations-Grenzwert für den Straßenverkehr zu definieren. Um dennoch nüchterne Fahrer von verkehrsrelevant beeinträchtigten klar unterscheiden zu können und die Wahrscheinlichkeit falsch-positiver und falsch-negativer Testergebnisse auszubalancieren, empfehlen verschiedene Studien Grenzwerte zwischen 3 und 10 ng THC/ml Blutserum. In diesem Bereich wurden international bereits unterschiedliche Grenzwerte umgesetzt, zum Beispiel 3* ng in der Schweiz für Taxi- und Busfahrer, 4* ng in Tschechien und Großbritannien, 6* ng in den Niederlanden sowie 10* ng in Colorado und Kanada.
*aus Vollblutwerten mit dem konservativen Faktor 2,0 umgerechnet, laut Giroud et al. 2001 kann er zwischen 1,5 und 2,8 schwanken.
Sicherheit wird eher gefährdet als erhöht
Die klaren, nachvollziehbaren und einhaltbaren Regeln für Alkohol im Straßenverkehr haben einen erzieherischen Effekt und erhöhen die Verkehrssicherheit. Alkoholkonsumenten können sich ohne Probleme an diese Regeln halten, indem sie sich erst nach Abklingen der Alkoholwirkung ans Steuer setzen. Dies ist bei Cannabiskonsumenten nicht der Fall. THC baut sich im Körper nicht linear ab. Die Werte sinken nach dem Konsum zunächst sehr schnell, am Ende aber sehr langsam. Dadurch haben Cannabiskonsumenten oftmals noch lange nach Abklingen der Wirkung einen Wert von 1 ng THC im Blutserum. Um einen Entzug der Fahrerlaubnis zu vermeiden, weichen daher Fahrer auch zunehmend auf nicht-nachweisbare synthetische Cannabinoide aus. Die sichergestellten Mengen dieser “THC-Substitutionsstoffe” steigen jährlich. Für viele Cannabiskonsumenten spielt es rechtlich gesehen keine große Rolle, ob sie nüchtern fahren oder nicht, da sie die Fahrerlaubnis auch durch Kontrollen verlieren können, bei denen ihnen lange nach dem Abklingen der THC-Wirkung noch eine Drogenfahrt unterstellt wird.
Unverhältnismäßig drastische Auswirkungen des Führerscheinentzugs
Alkoholkonsumenten bekommen bei Fahrten über 0,5 Promille immer eine zweite und dritte Chance, sofern sie keine Ausfallerscheinungen haben und nicht in einen Unfall verwickelt sind. Sie dürfen ihren Führerschein behalten, müssen aber beim nächsten Verstoß mit härteren Sanktionen rechnen. Eine solche Sanktionsspirale gibt es in der Praxis bei Cannabis nicht. Bei erstauffälligen Cannabiskonsumenten wird die Fahrerlaubnis in der Regel sofort und langfristig entzogen. Das führt für viele Betroffene zum Jobverlust und kann gerade im ländlichen Raum auch einen Rückgang sozialer Kontakte und das Auseinanderbrechen von Lebensgemeinschaften bedeuten. Das Wiedererlangen der eingezogenen Fahrerlaubnis ist zeitintensiv und mit hohen Kosten verbunden. Die Ungleichbehandlung zwischen Alkohol und Cannabis besteht nicht nur auf dem Papier, sondern sie bedeutet für zehntausende Betroffene eine massive Beeinträchtigung des Lebens, ob sie nun einmalig unter Cannabiseinfluss auffällig wurden, nüchtern unterwegs waren oder nicht einmal ein Fahrzeug geführt haben.
Der reine Konsum von Cannabis ist strafrechtlich nicht verboten, der Besitz geringer Mengen wird seit dem entsprechenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1994 oft nicht weiter verfolgt. Die aktuelle Rechtslage im Verkehrsrecht erweckt aber den Eindruck, dass ein totales Verbot des Cannabiskonsums über das Verkehrsrecht durchgesetzt werden soll – durch eine Regelung, die wissenschaftlich nicht fundiert ist und welche die Verkehrssicherheit nicht erhöht.
Änderungsbedarf
Um eine Gleichbehandlung von Cannabis und Alkohol im Straßenverkehr und damit mehr Gerechtigkeit, Verhältnismäßigkeit und Sicherheit zu erreichen, halten die Unterzeichnenden folgende Änderungen für notwendig:
1. Wir fordern die Förderung von Forschung, Entwicklung und Erprobung sowie die anschließende Einführung von Messverfahren, welche nur eine akute, verkehrsrelevante Beeinträchtigung durch Cannabiskonsum eindeutig tatsächlich nachweisen. Laut verschiedener Studien sind THC-Konzentrations-Bestimmungen im Blut nicht gut geeignet, um die tatsächliche Beeinträchtigung zu messen.
2. Bis neue Testverfahren angewendet werden können, welche eine tatsächliche Rauschfahrt zuverlässig und rechtssicher nachweisen, fordern wir eine wissenschaftlich fundierte Anpassung des THC-Grenzwertes und dessen Normierung in §24a StVG. Analog zur Regelung bei Alkohol fordern wir einen versicherungsrelevanten Grenzwert von 3,0 ng THC/ml Blutserum, unterhalb dem eine verkehrsgefährdende Beeinflussung durch THC ausgeschlossen wird, vergleichbar mit der Regelung bei 0,3 Promille Alkohol, sowie einen Toleranzgrenzwert von bis zu 10 ng, bei dem analog zur 0,5-Promille-Grenze bei Alkohol vorgegangen wird.
3. Das Abbauprodukt von THC, THC-COOH, hat keinerlei Auswirkung auf die Fahrtüchtigkeit und sollte daher auch nicht zur Bestimmung von Fahrtüchtigkeit und Fahrtauglichkeit herangezogen werden.
4. Angleichung der ordnungswidrigkeitsrechtlichen und verwaltungsrechtlichen Maßnahmen bei Alkohol und Cannabis. Bei echten Verstößen oberhalb des neu zu bestimmenden Grenzwertes sollte kein langfristiger Entzug der Fahrerlaubnis wegen “mangelnden Trennungsvermögens” nach einer einmaligen Auffälligkeit angeordnet werden, sondern Bußgeld und zeitlich begrenztes Fahrverbot. Eine MPU sollte nur bei wiederholten oder besonders schweren Verstößen angeordnet werden.
5. Kein Entzug der Fahrerlaubnis ohne Bezug zum Straßenverkehr und keine Meldung von Strafverfahren wegen geringer Mengen Cannabis ohne Verkehrsbezug an die Führerscheinstellen.
Für Gerechtigkeit, Verhältnismäßigkeit und Sicherheit im Straßenverkehr:
Deutscher Hanfverband
LEAP Deutschland
Schildower Kreis
Akzept e.V.
Grüne Hilfe e.V.
Cannabis Colonia e.V.
Rechtsanwalt Sebastian Glathe
Institut zur Förderung qualitativer Drogenforschung, akzeptierender Drogenarbeit und rationaler Drogenpolitik (INDRO) e.V.
Hanfinitiave Frankfurt
Hanf e.V. (Hanfmuseum)
Jakis e.V. (Hanfparade)
JES NRW e.V.
Substanz AG
FINDER Institut für Präventionsforschung
Nachtschattenverlag
CSC Berlin
Rechtsanwalt Patrick Welke
Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V.
„Freie Träger der Berliner Suchthilfe“:
ADV gGmbH
ADV Rehabilitation und Integration gGmbh
Haus Lenne gGmbh
Drogentherapiezentrum Berlin e.V
Fixpunkt e.V
FrauSuchtZukunft e.V
Mann-o–Meter e.V.
Notdienst Berlin e.V.
Vista gGmbH
Therapieladen e.V.
Schwulenberatung Berlin gGmbH
ZiK gGmb
Offizielle Kampagnen-Website
Alle Informationen zur Kampagne haben wir auf einer eigenen Homepage gesammelt. Dort findet ihr neben unseren Forderungen, Berichte von Betroffenen und allen Fakten auch Erklärungen zu unseren Standpunkten:
Gerechtigkeit
Verhältnismäßigkeit
Sicherheit
Erklärvideos: Ungerechtigkeit an Beispielen
Zur kompletten Playlist auf Youtube hier klicken.
Pressemitteilung
Pressemitteilung des Deutschen Hanfverbands vom 16.06.2017
Heute wurde im Haus der Bundespressekonferenz in Berlin der Startschuss für die bislang größte Kampagne in der Geschichte des Deutschen Hanfverbands gegeben. Im Beisein des Freiburger Rechtsanwalts Sebastian Glathe stellten DHV-Geschäftsführer Georg Wurth und DHV-Kampagnen-Leiterin Mariana Pinzón Becht die bis November laufende Führerschein-Kampagne vor. Auch Betroffene der aktuellen Rechtsprechung berichteten von ihren gemachten Erfahrungen mit den Behörden, den Führerscheinstellen und den Kämpfen um ihre Führerscheine.
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Führerschein
- Allgemeine Verkehrskontrolle – Was darf die Polizei, wie sollte ich mich verhalten?
Handel ruhig, freundlich, aber bestimmt. Signalisiere möglichst keine Unsicherheit. Wenn du nicht aktiv unter dem Einfluss von Cannabis oder anderen Substanzen Auto fährst, hast du dir moralisch gesehen nichts vorzuwerfen. Dank der langen Nachweisbarkeit von Cannabis und des strengen Führerscheinrechts in Deutschland sind Cannabiskonsumenten aber auch weit jenseits der Wirkungsdauer noch gefährdet, ihren Führerschein zu verlieren.
Die Polizei wird bei Verdacht versuchen, das Thema illegale Drogen in den Raum zu stellen. Mach keine Angaben zu deinem Konsumverhalten! Dazu bist du nicht verpflichtet und es kann nur schaden. Selbst Aussagen wie “Ich habe vor 3 Jahren das letzte Mal gekifft”, machen es den Polizisten leichter, eine richterliche Anordnung für eine Blutentnahme zu erhalten. Im Zweifel genügen solche Aussagen auch ohne positiven Laborbefund die Überprüfung der Fahreignung einzuleiten, z.B. wenn ein regelmäßiger Konsum oder ein Mischkonsum mit Alkohol zugegeben wird.
NIE das Einverständnis zu einem Drogenschnelltest (Urin/Schweiß o.ä.) geben, da dieser auch den schon Tage zurückliegenden Konsum aufdeckt und somit zusammen mit anderen belastenden Umständen eine Blutentnahme rechtfertigen kann.
Auch sollte nie eine Einwilligung in die Blutentnahme selbst erteilt werden. Erfolgt sie, ist eine Anordnung nach § 81 a StPO nicht notwendig.
Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang noch darauf, dass die Staatsanwaltschaft – soweit eine Einwilligung des Betroffenen nicht vorliegt- die Blutentnahme selbst anordnen darf, wenn gem. § 81 a II S. 2 StPO bestimmte Tatsachen vorliegen, die den Verdacht einer Straftat nach §§ 315 a I Nr. 1. II und III, 315 c Nr. 1a), II oder 316 StGB begründen. Auch bedarf es gem. § 46 Abs. 4 S. 2 OWiG keiner richterlichen Anordnung, wenn Tatsachen den Verdacht begründen, dass eine Ordnungswidrigkeit nach den §§ 24a und 24c des Straßenverkehrsgesetzes begangen worden ist.
Auch sogenannte Torkeltests wie Laufen auf einer imaginären Linie oder Berühren der Nase, ja selbst das Schauen in eine Taschenlampe sind freiwillig und können den Beamten helfen, Verdachtsmomente festzustellen, die eine zwangsweise Blutentnahme rechtfertigen.
Eine Verweigerung solcher freiwilligen Tests muss nicht begründet werden. Nachteile im Strafverfahren entstehen dadurch nicht.
Wenn die Polizei keinen konkreten Anfangsverdacht gegen dich hat wie z.B. einen Fund von Konsumzubehör im Fahrerraum oder strafrechtliche Vorbelastungen wegen Verstoßes gegen das BtMG, wird sie massiv unter Ausnutzung aller psychologischen Tricks versuchen, einen Urintest zu bekommen. Auf diesen Druck reagierst am besten gar nicht. In vielen uns berichteten Fällen lassen die Beamten nach 30-120 Minuten davon ab und ziehen weiter.
Wenn dennoch eine Blutentnahme nach § 81 a StPO erfolgt und aktives THC festgestellt wird und auch eine Verkehrsteilnahme mit einem Kraftfahrzeug stattgefunden hat, ergeht regelmäßig ein Bußgeldbescheid nach § 24 a Abs. 2 StVG nebst Fahrverbot. Dies ist immer der Fall, wenn im Blut 1 ng/ml aktives THC oder mehr festgestellt wird, manchmal aber auch, wenn der Wert unter 1 ng/ml liegt. Wurde sogar eine Verkehrsstraftat verwirklicht, z.B. weil eine Fahruntüchtigkeit infolge von Drogenkonsum nach § 316 StGB vorliegt, muss im Regelfall mit einer Geldstrafe, der Entziehung der Fahrerlaubnis nebst Sperrfrist für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis gerechnet werden. Meist wird sodann auch noch die Fahrerlaubnis nach § 111 a StPO vorläufig entzogen bzw. der Führerschein nach § 94 III StPO beschlagnahmt.Darüber hinaus kann die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis entziehen oder Überprüfungsmaßen wie fachärztliche Gutachten und/oder eine medizinisch-psychologische Untersuchung nach der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) anordnen. Demnach ist es ratsam, den Konsum einzustellen und sich mit dem Thema „Erbringung von Abstinenznachweisen“ und dem Ablauf von Begutachtungen zu befassen bzw. sich auf eine mögliche Begutachtung vorzubereiten.
Die Abbauprodukte von THC sind abhängig von der Konsumintensität über einen längeren Zeitraum (meist über Wochen oder gar Monate) im Blut feststellbar und lassen auch auf die Konsumintensität schließen, wobei sowohl aktives THC als auch THC-COOH nicht linear abgebaut werden. Das führt dazu, dass viele Konsumenten sich ungerecht behandelt fühlen, z.B. wenn sie nüchtern kontrolliert werden und ihren Führerschein wegen eines positiven Urintests mit anschließender Blutentnahme verlieren bzw. sie ein medizinisch-psychologischen Gutachten beibringen müssen. Dennoch solltest du darauf nicht mit Wut und Ignoranz, sondern mit einer besonnenen Verteidigungsstrategie reagieren.
DHV Sponsoren erhalten im Ernstfall eine kostenlose Erstberatung bei dem führenden Experten für Probleme rund um Cannabis, Führerschein und MPU, Theo Pütz. Er hat auch das Buch “Cannabis und Führerschein” geschrieben, dass für (potentiell) Betroffene und am Thema interessierte Personen sehr lesenswert ist. Ihr findet es auch in unserem Webshop.
Das FAQ zu häufig gestellten Rechtsfragen entstand in Zusammenarbeit mit Markus Cronjäger, Rechtsanwalt und Mitglied des DHV-Rechtteams
- Die wollen mir den Führerschein wegnehmen. Was kann ich tun?
Es gibt viele unterschiedliche Gründe, warum die Führerscheinbehörde oder die Polizei den Führerschein entziehen bzw zur Überprüfung einbehalten kann, daher ist im Zweifel eine individuelle Beratung notwendig.
Das Führerscheinrecht in Deutschland insgesamt ist hochkomplex, und meist nicht zu Gunsten der Betroffenen. Juristisch gibt es oft nur wenige Möglichkeiten, sich gegen einen Entzug der Fahrerlaubnis zu wehren, bzw diese sind oft nicht erfolgversprechend, wenn es um Betäubungsmittel geht.
In jedem Falle ist es sinnvoll, einen eventuellen Konsum von Betäubungsmittel bis zu einer endgültigen Klärung des Sachverhaltes einzustellen. Ein Gespräch mit einem Fachanwalt für Verkehrsrecht oder Verwaltungsrecht kann sinnvoll sein. Oft ist es aber für die Betroffenen ratsamer, sich eine gute MPU Beratung zu suchen und sich auf die MPU vorzubereiten.
In unserem Themenbereich “Recht & Urteile” und auf der Homepage unserer Führerscheinkampagne “Klarer Kopf. Klare Regeln!” findest du weitere Informationen zum Thema Cannabis und Führerschein. - Drogentest – Wie lange ist THC im Blut und Urin nachweisbar?
Der psychoaktive Hauptwirkstoff von Cannabis THC wird in der Regel inhalativ (Vaporisieren, Rauchen) oder oral (z.B. als Gebäck) eingenommen. Der Anteil des THC, der dabei unverändert in den Blutkreislauf gelangt, beträgt bei der Inhalation im Mittel 30 % und bei der oralen Aufnahme 4–12 % (Bioverfügbarkeit). Bei letzterer Route vermindert die Leberpassage zusätzlich die Wirkung. Schließlich erreichen weniger als 1 % des verabreichten THC das Gehirn. Danach wird THC teilweise unverändert wieder ausgeschieden, teilweise in der Leber über das psychoaktive Zwischenprodukt THC-OH zu inaktivem THC-COOH metabolisiert.
Im Gegensatz zu der recht simplen, nahezu linearen Abbaukurve von Alkohol im Blut liegt bei THC ein komplizierterer zeitlicher Verlauf vor. Nachdem die THC-Konzentration im Blut bereits nach dem inhalativen Konsum einer kleinen Menge THC sprunghaft auf Werte bis über 100 Nanogramm pro Milliliter Blutserum ansteigt, sinkt sie ebenso schnell wieder ab, verbleibt aber recht lange bei niedrigen Werten zwischen 1 und 10 ng/mL – insbesondere dann, wenn häufiger konsumiert wird. Die THC-Konzentration in anderen Körperflüssigkeiten verhält sich nicht proportional zur THC-Konzentration im Blut, sondern folgt jeweils einem etwas anderen zeitlichen Verlauf.
Ursachen für das spezielle Abbauverhalten von THC
Dieses komplexe Abbauverhalten resultiert aus den Besonderheiten bei der Aufnahme und der Verteilung von THC:
Bereits unmittelbar nach dem Konsum gelangt ein großer Teil des lipophilen Wirkstoffs THC über den Blutkreislauf in fetthaltige Körpergewebe (Fettgewebe, Haut) und wird dort eingelagert. Gleiches gilt auch für die nicht-psychoaktiven Abbauprodukte. Von diesen Geweben werden THC und seine Abbauprodukte über einen längeren Zeitraum in niedriger Konzentration, welche die Fahrtüchtigkeit nicht beeinträchtigt, wieder ans Blut abgegeben („Hintergrundkonzentration“). Hierbei scheint es auch eine Rolle zu spielen, ob in der Abstinenzphase Körperfett abgebaut wird, in dem das THC eingelagert war und so freigesetzt werden kann.
THC und seine Abbauprodukte zirkulieren lange in einem enterohepatischen Kreislauf: Die Stoffe werden in der Leber nur teilweise abgebaut, der nicht abgebaute Anteil gelangt über die Leber zur Gallenblase, von dort hin in den Darm, wird wieder ins Blut resorbiert und gelangt dann erneut zur Leber.
So kann aktives THC im Blut noch über 30 Tage und im Speichel bis zu acht Tage lang nachgewiesen werden. Im Urin können die Abbauprodukte von THC drei bis über 30 Tage nach dem letzten Konsum nachgewiesen werden.
Ausführlichere Informationen zu dieser Frage findest du im Übersichtsartikel unserer Führerschein-Kampagne “Klarer Kopf. Klare Regeln!”:
Hinweis: Alle Angaben ohne Gewähr! Der Abbau von THC und THC-COOH im menschlichen Körper ist nicht linear, es gibt also große Unterschiede zwischen verschiedenen Menschen. In Einzelfällen kann auch nach deutlich längeren Abstinenzzeiten noch ein positiver Nachweis auf Cannabis erfolgen!
Du hältst die aktuellen Regelungen in Bezug auf Cannabis und Führerschein sowie im Arbeitsrecht für ungerecht? Du willst daran etwas ändern? Dann unterstütze jetzt den Deutschen Hanfverband als festes Fördermitglied oder mit einer einzelnen Spende. Gemeinsam sind wir stark!