Am 01. April fand im Görlitzer Park in Berlin ein unangemeldetes Kiff-In aus Protest gegen die Null-Toleranz Zone für Cannabiskonsumenten im Park statt. Trotz massiver Polizeipräsenz, Kontrollen an jedem Parkeingang und windigem, nasskaltem Wetter kamen weit über 500 Menschen an der Steinformation neben dem Café Edelweiß zusammen.
Lex Görli – neue Regeln für Cannabis
Die neuen Regeln waren entgegen früherer Ankündigungen bereits am 31. März in Kraft getreten, so dass die Polizei an diesem Tag in aller Ruhe einen Medientross durch den Park führen konnte, um ihre Arbeit zu präsentieren. Ob die kurzfristige Verlagerung des Termins um einen Tag wegen dem angekündigten Kiff-In gemacht wurde, oder um die Händler mit der Maßnahme zu überraschen, ist nicht bekannt. Auch die exakten Grenzen der Null-Toleranz Zone sind nicht bekannt. Warnschilder im Park wurden nicht aufgestellt. Viele der Händler im Park sprechen kein Deutsch und lesen keine deutschen Zeitungen; hatten daher also gar keine Möglichkeit, sich rechtzeitig auf die neue Situation einzustellen.
Die Berliner Zeitung war bei den Maßnahmen am 31.03. dabei und berichtet relativ kritisch:
„Wir sind gut aufgestellt“, sagt Polizeisprecher Thomas Neuendorf. „Und wir lassen uns nicht vorführen.“ Als er das sagte, war er noch mit den Fernsehteams im Park unterwegs. Sie konnten filmen, wie Drogenfahnder mehrere Dealer festnahmen und auch Konsumenten kontrollierten. Als die Fernsehleute weg waren und die verbliebenen Polizisten sich am Hähnchenstand bedienen ließen, waren die Dealer wieder da.
Laut übereinstimmenden Zeugenaussagen und einem Bericht in einem Berliner Blog hat die Polizei bei dieser medial begleiteten Großrazzia einen Dealer aus dem Park mit einem halben Kilogramm Cannabis erwischt. Dieser sei dann vor die von Flüchtlingen bewohnte Gerhart-Hauptmann-Schule in der Ohlauer Straße geführt und dort abfotografiert worden, vermeintlich um die Bewohner zu diskreditieren und einen Zusammenhang zum Drogenhandel im Park zu suggerieren.
Das große Kiff-In
Für den 01.April, den Tag an dem die Neuregelungen laut ursprünglicher Ankündigung des Senats in Kraft treten sollte, war im Internet zu einem Kiff-In im Park aufgerufen worden. Fast alle Berliner Medien berichteten im Voraus, sogar in den Pro7 Nachrichten am Vorabend wurde es kurz erwähnt. Knapp 3.000 Menschen hatten zum Schluss bei der Veranstaltung auf Facebook zugesagt. So waren viele Beobachter sehr gespannt, wie der Tag verlaufen würde.
Zwischen 13 und 15 Uhr bezog die Polizei massiv Position rund um den Park sowie an der Stelle, an der später das Kiff-In stattfinden sollte. Die anwesenden Beamten waren sehr fotoscheu, der Einsatz war einigen von ihnen sichtbar unangenehm.Zwischen 17 und 18 Uhr postierten sich dann Beamte an allen Eingängen zum Park und kontrollierten vereinzelt Leute, die sie für mögliche Teilnehmer des Kiff-Ins hielten. Währenddessen wurde auf dem schmalen Parkstreifen in Richtung Neukölln, jenseits des Landwehrkanals, weiter fleißig mit Cannabis gehandelt.
Um 18 Uhr waren dann bereits einige Leute am Café Edelweiß versammelt. Es kam nicht zu Platzverweisen, die Polizei machte keinerlei Anstrengungen, die sich ansammelnde Menschenmenge zu zerstreuen. Trotz der Kontrollen an den Eingängen und des ekligen, nasskalten Wetters kamen kamen weit über 500 Menschen auf den Platz. Einige hatten große und kleine Beutel mit Kräutern darin, andere rauchten riesige Zigaretten mit Tabak oder anderen Kräutern gefüllt. Als ein paar Teilnehmer dann mit solchen Utensilien vor den beiden Polizeiautos posierten, fuhren diese unter dem jubelnden Applaus der Menschenmenge weg.
Kurz danach postierten sich rund um das Kiff-In dutzende, schwarz uniformierte Bereitschaftspolizisten, die Helme und Knüppel mit sich führten. Diese hielten sich aber am Rand der Versammlung auf und beobachteten das Geschehen nur. In der Mitte der Menschenmenge wurde fröhlich gekifft – von Null-Toleranz für Cannabis war nicht viel zu spüren. Laut einem Bericht der taz kam es bei dem Kiff-In selbst zu 3 Anzeigen wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz. Wir konnten zwei davon beobachten, wobei diese Personen offensichtlich in direkter Nähe zu den Polizisten Cannabis konsumiert hatten. Wie viele Menschen außerdem bereits auf dem Weg kontrolliert und angezeigt wurden, ist unbekannt. Die Zeit schreibt relativ zutreffend:
Kiffer und Polizisten begegnen einander in wechselseitiger Unaufgeregtheit. Die Beamten schauen nicht allzu genau hin und die Protestler wenden ihnen zumindest den Rücken zu, wenn sie ihre Tüte bauen. So in etwa scheint der Deal.
Während der Veranstaltung wurden Fahnen geschwenkt und Banner hochgehalten, allerdings gab es keinerlei Reden oder Sprechchöre. Gegen 19:30 brach ein Hagelschauer los, der nach und nach alle Teilnehmer unter die Vordächer oder nach Hause trieb. So hat letztlich das Wetter die Veranstaltung aufgelöst, und nicht die Polizei. Die Berliner Morgenpost hat einen ausführlichen Zeitablauf veröffentlicht.
Videos
Sehr viele Medienvertreter waren vor Ort, so dass unser Mitarbeiter Florian Rister eine ganze Reihe von Interviews gab. Wir haben auch ein schönes Video dazu zusammengeschnitten, um euch einen Einblick zu geben. Auch sonst sind schon einige Videos online:
Bei Zoom in TV kommt auch Florian Rister kurz zu Wort.
RBB-Bericht
Auf Radio Eins wurde ein Audiobeitrag veröffentlicht.
Blamage für Innensenator Henkel
Dass nur einen Tag nach der Umsetzung der neuen Regeln für Cannabis im Görlitzer Park eine derart große Anzahl von Menschen offenen zivilen Ungehorsam mitten im Park zeigen konnten, wird erst einmal an der Gesamtsituation nichts ändern. Es wird weiterhin tägliche Polizeirazzien im Park geben und die regierende CDU wird weiterhin an ihrer repressiven Linie festhalten. Aber das Kiff-In war dennoch eine riesige Blamage für Innensenator Henkel. Die Polizei war offensichtlich nicht gewillt, den massenhaften und offenen Konsum von Cannabis im Park zu unterbinden. Wenn sie dies an einem bestimmten, lange vorher angekündigten und medial stark beobachteten Event nicht schaffen, wie sollen sie dass an den restlichen 364 Tagen im Jahr schaffen? Auf diese und ähnliche Fragen wird Innensenator Henkel hoffentlich bald Antworten geben müssen. Seine Umfragewerte sind sowieso schon im Keller, und die Gewerkschaft der Polizei kritisiert die neuen Regeln scharf:
“Der Innensenator und der Justizsenator handeln aufgrund öffentlichen Drucks aktionistisch”
sagt der stellvertretende Landesvorsitzende der GdP, Steve Feldmann. Die hohe Anzahl von Einsatzstunden im Görli führe zu Personalmangel in anderen Bereichen der Stadt.
Weitere Kiff-Ins?
Die Initiatoren kündigen auf Facebook bereits ein weiteres Kiff-In für den 14.Mai um 04:20 Nachmittags an, zwei Tage vor dem großen Global Marijuana March in Berlin. Bereits im letzten Jahr hatte es am 20. April ein kleineres Smoke-In im Görlitzer Park gegeben, dem “420 Day” an dem in den USA in vielen Städten ähnliche Events stattfinden.
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