Der 20. April ist mittlerweile in vielen Ländern auf der ganzen Welt zu einer Art inoffiziellem Feiertag für Hanfkonsumenten geworden. Auch in Deutschland gibt es jetzt wachsende Tendenzen, diesen Tag für die Hanfszene zu besetzen.
Jenseits des Atlantiks ist der Begriff 420, und damit auch das Datum 4-20, ja schon länger mit Cannabiskonsum assoziiert. Über die Entstehungsgeschichte des Mythos gibt es verschiedene Theorien, aber auf jeden Fall ist er aus der heutigen US-amerikanischen Legalisierungsbewegung nicht wegzudenken. Denn rund um diesen Begriff entwickelten sich im Laufe der Zeit einige gesellschaftlich und politisch relevante Trends, unter anderem die 4-20 Smoke-Outs (oder auch Smoke-Ins genannt).
In vielen Städten der USA und anderer Länder treffen sich Menschen am 20. April in Parks, auf öffentlichen Plätzen oder auf den Campussen der Universitäten. Sie treffen sich nicht nur zum Protest gegen das Hanfverbot, sondern auch um gemeinsam Cannabis zu konsumieren. Einige der Veranstaltungen sind angemeldet und mit Bühne, Musik und Ständen für Informationen, Essen und Getränke ausgerüstet. Andere sind nur unorganisierte, harmlose Treffen von Hanf-Enthusiasten, die sich dem staatlichen Verbot widersetzen wollen. Meist zählen die Teilnehmer um 4:20 Uhr Nachmittags einen Countdown, wonach sich alle gemeinsam ihre Joints, Bongs oder Pfeifen anzünden. Das stärkt den Gemeinschaftscharakter, und führt oft zu spektakulären Bildern.
Einige 420 Events wurden im Lauf der Zeit zu riesigen Veranstaltungen, die auch von der nationalen und internationalen Presse nicht ignoriert werden konnten. Im Gegenteil scheint es bei Betrachtung der Presseberichte fast so, dass Medien lieber über ein Smoke-Out mit öffentlich zelebriertem Cannabiskonsum berichten als über eine klassische Demonstration für die Legalisierung.
In der kanadischen Stadt Vancouver findet seit Jahren eines der erfolgreichsten 420 Smoke-Outs statt, über das sogar die internationale Presse regelmäßig berichtet. Dort bauen die Organisatoren der Veranstaltung nicht nur Stände und eine große Bühne auf – sie bauen auch hunderte pure Cannabiszigaretten und werfen diese kurz vor dem magischen Moment in die Menschenmenge. Unter den weit mehr als 10 Tausend Besuchern bieten währenddessen fliegende Händler Cannabis, vorgedrehte Joints und berauschendes Gebäck an. Viele lassen sich bereitwillig dabei fotografieren und filmen. Die Polizei akzeptiert dieses Treiben, obwohl Cannabisbesitz dort grundsätzlich auch illegal ist.
In Amsterdam gibt es seit 2012 auch ein 420 Smoke-Out, das von vielen Deutschen besucht wurde. Allerdings wurde es 2014 nur sehr wenig beworben und blieb dementsprechend klein.
Eingeschüchtert vom Überwachungsdruck und der vielerorts scharfen Repression gegen einfache Hanfkonsumenten, schien eine solche Aktion in Deutschland seit dem Ende der 90er Jahre unmöglich. Der bekannte Hanfaktivist Steffen Geyer hatte es 2010 mit einem sogenannten “Flash-Smoke” vor der kanadischen Botschaft versucht. Trotz der kurzfristigen Ankündigung in einem YouTube Video war eine große Anzahl von Polizisten vor Ort und kontrollierte jeden, der auch nur ansatzweise nach einem Hanffreund aussah. Danach war es lange Zeit ruhig um das ganze Konzept Smoke-Out. Dieses Jahr sollte sich daran aber etwas ändern.
Wenige Tage vor dem 20. April wurde durch Steffen Geyer eine Veranstaltung für 15:45 Uhr im Görlitzer Park angemeldet und auf Facebook beworben. Außerdem erschien ein Transparent an einem hohen Zaun im Park, und Flyer wurden im Park verteilt, die auf 4:20 hinwiesen. Es war klar: Am 20. April um 16:20 passiert etwas im Görli.
Tatsächlich sammelten sich kurz nach 16 Uhr einige dutzend Menschen inmitten des Parks, der in den letzten Jahren wegen des dort stattfindenden öffentlichen Cannabishandels für viele zum Symbol für die fehlgeschlagene Drogenpolitik der deutschen Regierung wurde. Durch zwei Hanf-Banner im Hintergrund der Menschenmenge wurde der Versammlungscharakter noch etwas verdeutlicht. Ein paar Teilnehmer brachten mit dem Longpaper-Baum auch eine kreative und passende Dekoration mit.
Zunächst schien vielen Teilnehmern etwas unklar, was passieren sollte. Es gab keine Anlage, kein Megaphon und keine Ansprache. Erst um kurz vor 16:20 Uhr kam Bewegung in die Gruppe. Einige Leute blickten verstohlen auf ihre Uhren oder Handys, zückten irgendwoher Joints, tuschelten untereinander und plötzlich fingen ein paar Teilnehmer an, einen Countdown von 20 abwärts zu zählen.
Bei 0 wurden dann die verbotenen Zigaretten entzündet. Mit einer wilden Mischung aus dem amerikanischen „Happy 420„ und dem in Deutschland recht weit verbreiteten Facebook-Spruch „Zündung“ bejubelten die Teilnehmer den besonderen Moment und ihre erfolgreiche Aktion. Die Polizei war zu diesem Zeitpunkt nicht anwesend und fiel auch im späteren Verlauf nicht unangenehm auf, obwohl Polizei in Uniform durch den Park patroullierte. Noch Stunden später saßen einige der Teilnehmer in entspannter Runde im Park.
Zeitgleich fand auch eine ähnliche Aktion in Frankfurt am Main statt. Es wurde zwar im Voraus nicht öffentlich beworben, aber aus gut informierten Kreisen wissen wir: eine niedrige zweistellige Anzahl von Menschen traf sich konspirativ in einem Frankfurter Park auf einer der alten „Haschwiesen” und zelebrierte unter einer wehenden Hanffahne das 420 Ritual.
So ist auch dieser Teil der US-amerikanischen Legalisierungsbewegung hiermit in Deutschland angekommen. Entgegen allen Ängsten haben es deutsche Hanffreunde geschafft, das 420-Ritual in aller Öffentlichkeit zu vollziehen. Ob dies förderlich für die weitere Akzeptanz von Cannabis in der Gesellschaft ist oder nicht – diese Frage muss an anderer Stelle erörtert werden. Zumindestens wurde dadurch der bisher fest zementierte Status Quo des Hanfverbots in Deutschland ein wenig erschüttert. Man kann wohl davon ausgehen, dass auch im Jahr 2015 deutsche Hanffreunde den 20. April nicht mehr völlig unbeachtet vorbei gehen lassen.
Schreibe einen Kommentar