Meldung des DHV vom 13.07.2010
SPD und Grüne in Nordrhein-Westfalen wollen die von der schwarz-gelben Vorgänger-Regierung durchgesetzte Verschärfung der Strafverfolgung von Cannabiskonsumenten rückgängig machen.
Im Koalitionsvertrag, der am vergangenen Wochenende besiegelt wurde, heißt es konkret:
Um die Justiz zu entlasten und Gelegenheitskonsumentinnen und -konsumenten zu entkriminalisieren, werden wir die Eigenbedarfsgrenzen wieder auf den Stand 2007 anheben.
CDU und FDP hatten 2007 die genannte Verordnung verschärft und die “geringe Menge”, bis zu der die Staatsanwaltschaft in der Regel Verfahren gegen Cannabiskonsumenten einstellen soll, von 10 auf 6 Gramm Haschisch und Marihuana herabgesetzt. Die Folge war, dass die Zahl der Verfahren in 2008 um 24,8 Prozent stieg. Auch einige andere Bundesländer haben die “geringe Menge” in den letzten Jahren auf 6 Gramm herabgesetzt, darunter das Saarland, Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und Hamburg. In NRW fiel die Änderung aber besonders hart aus. Verfahren gegen Jugendliche sollten z.B. gar nicht mehr ohne Auflagen eingestellt werden. Eine derart harte Regelung kam einer Kriegserklärung an große Teile der Bevölkerung gleich. In NRW konsumieren etwa 850.000 Menschen zumindest gelegentlich Cannabis.
Hanffreunde können diesen Beschluss der rot-grünen Koalitionäre in NRW aber nicht gerade als besonderen Erfolg feiern. Schließlich geht dieser Beschluss kein bisschen über das bisherige Vorgehen der früheren rot-grünen Koalition hinaus. Es wird weiterhin tausende Strafverfahren gegen einfache Cannabiskonsumenten geben. Da viele von ihnen aus verschiedenen Gründen mehr als 10 Gramm Vorrat zu Hause haben, werden auch weiterhin normale Menschen verurteilt werden, die lieber Hanf rauchen als Bier oder Schnaps zu trinken. Als rot-grüne Evolution in der Drogenpolitik kann man es jedenfalls nicht bezeichnen, wenn es einfach nur weitergeht wie gehabt.
Andererseits sollte auch nicht verschwiegen werden, dass mit diesem Beschluss zum ersten mal seit 6 Jahren ein Landesparlament eine liberalere Cannabisregelung beschließt. 2004 hatte Berlin die “geringe Menge” angehoben. Seitdem gab es ein Reihe von Beschlüssen in Landesparlamenten, die alle auf mehr Repression gegen Cannabiskonsumenten hinausliefen. Insofern könnte die kommende Verordnung in NRW auch eine Trendwende bedeuten – hin zu einer allgemein liberaleren Cannabispolitik.
Ob dieser Beschluss nur ein rot-grüner Reflex auf die verhasste Rüttgers-Regierung ist oder tatsächlich eine andere Geisteshaltung dahinter steckt, werden SPD und Grüne wohl noch deutlich machen. Immerhin ging die irrationale Jagd auf Cannabiskonsumenten unter Rüttgers weit über die bloße “Geringe-Menge-Verordnung” hinaus. So gab es z.B. im Grenzgebiet zu Holland immer wieder Strafanzeigen gegen Deutsche, die zu Fuß und noch etwas bekifft vom Besuch in einem Coffee-Shop nach Hause kamen, obwohl sie gar kein Cannabis dabei hatten und obwohl der Konsum von Cannabis selbst auch in Deutschland nicht verboten ist. Die Polizei kam mit dem Argument, man müsse dann ja wohl vorher Cannabis besessen haben. Solche Geschichten dokumentieren eine noch nie dagewesene Aggressivität der Polizei in NRW gegen einfache Hanffreunde. Unvergessen bleibt auch, dass die Landesregierung eingeschritten ist, als der Münsteraner Polizeipräsident Wimber eine Diskussion über den Sinn der Kifferverfolgung angestoßen hat. Cannabiskonsumenten können wohl erwarten, dass eine derart wahnhafte Einstellung zum Thema Cannabis nun ein Ende hat.
- Eigenbedarfsregel in Nordrhein-Westfalen verfassungswidrig?, Meldung des DHV vom 01.08.2007
- Deutsche Polizei verfolgt Coffee-Shop-Besucher, DHV-Blog, 19. Dezember 2008
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