Entkriminalisierung

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Keine Entkriminalisierung ohne Legalisierung?

Eine unserer wichtigsten Forderungen derzeit ist die schnelle Entkriminalisierung der Cannabiskonsumenten durch den legalen Besitz einer kleinen Eigenverbrauchsmenge. Dies würde die Eröffnung von mehreren hunderttausend Strafverfahren verhindern, bis in zwei oder drei Jahren Cannabis-Fachgeschäfte eröffnet werden. Die zuständigen Politiker sind skeptisch. Im DHV-Interview sprach der drogenpolitische Sprecher der SPD Dirk Heidenblut von einem “Henne und Ei”-Problem. Nicht nur er befürchtet, dass die bloße Entkriminalisierung der Konsumenten zu “holländischen Verhältnissen” mit zunehmender Gewalt von Drogen-Gangs führen könne.

“Holländische Verhältnisse” in Deutschland?

Ursprung dieser Befürchtungen sind Hinweise von GdP und DPolG, dass die niederländischen Probleme mit Kriminellen auf die Coffeeshops zurückgingen, deren Belieferung mit Ware dem Schwarzmarkt überlassen wird. Außerdem war in den letzten Monaten der Kriminologe Robin Hofmann in den Medien mit seiner Kritik an der Situation in den Niederlanden präsent.

Entkriminalisierung ist nicht mit Coffeeshops vergleichbar

Dass kriminelle Strukturen durch die Entkriminalisierung der Konsumenten gestärkt würden, ist ein Scheinargument. Eine Entkriminalisierung in Deutschland würde ausschließlich den Eigenbedarf der Konsumenten betreffen. Der Verkauf von Cannabis wäre bis zur endgültigen Regelung weiterhin verboten im Unterschied zu den Niederlanden, wo dieser geduldet wird. Die Entkriminalisierung ohne legalen Zugang zu Cannabis wäre außerdem nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zur Legalisierung. Es geht um eine zeitlich begrenzte Übergangsphase von Monaten oder wenigen Jahren, während der Verkauf in den Coffeeshops seit Jahrzehnten geduldet wird. Inwieweit dies zu einer Stärkung der organisierten Kriminalität in den Niederlanden geführt hat, wird kontrovers diskutiert.

Tatsächlich sind Drogenbanden in den Niederlanden in den letzten Jahren durch besondere Brutalität aufgefallen. Aber dies steht eher im Zusammenhang mit anderen Drogen und der Tatsache, dass die Niederlande mit ihren großen Häfen ein internationaler Handelsplatz sind, auch für illegale Waren und diverse Drogen, insbesondere Kokain. Außerdem gibt es natürlich auch in Deutschland Probleme mit gewalttätigen Drogen-Gangs wie “Rocker-Clubs” und die berüchtigten Clans. Drogenprohibition fördert überall organisierte Kriminalität, völlig unabhängig von der Frage, ob die Konsumenten strafrechtlich verfolgt werden oder nicht.

Entkriminalisierung führt nicht zu mehr Konsum

Auch ist nicht davon auszugehen, dass die Entkriminalisierung von Cannabis zu einem deutlichen Anstieg des Konsums und damit einer Ausweitung des Schwarzmarktes für Cannabis führt. Zahlreiche Studien aus Ländern wie Portugal, die diesen Schritt gegangen sind, belegen keinerlei Auswirkungen. Dies bestätigte auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages und stellte zudem fest, dass die Lebenszeitprävalenz für den Konsum von Cannabis in Portugal trotz der Entkriminalisierung mit 11% deutlich unter dem europäischen Durchschnitt liegt.

Eigenanbau als Ausweg aus dem Schwarzmarkt

Eine Lösung der Schwarzmarkt-Problematik würde die gleichzeitige Freigabe des Eigenanbaus von Cannabis in begrenztem Umfang darstellen, wie es beispielsweise durch LEAP gefordert wurde. Dies jedoch, gab Heidenblut zu verstehen, würde den gesamten Prozess der Entkriminalisierung erheblich komplizierter gestalten, da es einerseits juristisch umfangreicher wäre und andererseits politisch aktuell keine Mehrheit in der Koalition für legalen Eigenanbau bestehe.
Ohne eine legale Möglichkeit Cannabis zu erwerben, bliebe den Konsumenten trotz einer Entkriminalisierung vorerst weiterhin nur der Schwarzmarkt.
Auch der DHV würde es natürlich begrüßen, wenn der Eigenanbau sofort legal würde. Das Thema gehört jedenfalls zu unseren wichtigsten Forderungen. Noch hat die Politik offenbar nicht verstanden, dass legaler Eigenanbau das effektivste Mittel gegen Schwarzmarkt und organisierte Kriminalität ist.

Entkriminalisierung löst nicht die Schwarzmarktprobleme – aber die Probleme mit Kriminalisierung

Momentan bleibt den meisten Konsumenten nichts anderes übrig, als sich auf dem Schwarzmarkt zu versorgen. Dies ist natürlich mit den allseits bekannten Problemen in Hinblick auf Verunreinigungen mit Streckmitteln, synthetische Cannabinoide und die unbekannte Qualität der Produkte verbunden.
Allerdings ist dies, so schlimm die Situation auch ist, seit Jahrzehnten der Fall. Eine Entkriminalisierung würde zumindest in der Zwischenzeit bis zur endgültigen Legalisierung über 180.000 Strafverfahren pro Jahr gegen einfache Konsumenten überflüssig machen. Strafverfahren, die auch ohne Verurteilung Existenzen zerstören können.

Auch kleine Schritte führen zum Ziel!

Natürlich wäre die Entkriminalisierung einer begrenzten Menge zum Eigenbedarf nicht die Lösung aller Probleme. Die Führerschein-Problematik und der Schwarzmarkt blieben weiterhin bestehen. Es wäre aber nicht zu erwarten, dass die Probleme mit organisierter Kriminalität noch größer werden. Die Entkriminalisierung wäre zumindest ein erster einfach und schnell umsetzbarer Schritt in einem Prozess, an dessen Ende die Legalisierung stehen muss. Auf diesem Weg schafft man Ergebnisse, ohne das Ziel aus den Augen zu verlieren.


Kommentare

6 Antworten zu „Keine Entkriminalisierung ohne Legalisierung?“

  1. Philine

    “Clans” sind eine rassistische Erfindung von Polizei, CDU & Co.
    Ein Hinweis: “Die berüchtigten Clans” gibt es nicht. Die sind ein Gerücht bzw. konservatives/rassistisches/polizeiliches/stigmatisierendes Konstrukt mit brutalen Folgen. Siehe u.a. https://www.zeit.de/gesellschaft/2020-05/diskriminierung-clan-kriminalitaet-razzien-polizei-rassismus/komplettansicht

  2. David Holub

    Rechts kriegen
    nicht nur das ist problem ich bin in eine woche mehrfach kontrolliert und bestraft für nichts das ist ungerecht ich war nicht wegen der fahrt benommen der arzt hat es bestätigt trotzdem habe viele probleme habe alles verloren , was die polizei sich erlaubt nicht normal das ist psychische folterer

  3. M. A. Haschberg

    Schluss mit der sinnlosen Kriminalisierung!
    Eine Entkriminalisierung für geringe Mengen könnte schon jetzt angegangen werden, denn es macht überhaupt keinerlei Sinn, Hanfliebhaber weiterhin für den Konsum und Besitz einer Substanz zu verfolgen, die ohnehin in absehbarer Zeit legalisiert werden soll.
    Jedes weitere Strafverfahren ist eines zu viel, denn es hat das Zeug, junge Menschen für ihr gesamtes weiteres Leben unnötig zu belasten und sogar völlig aus der Bahn zu werfen.
    Eine derart eklatante Unverhältnismäßigkeit ist in einer Gesellschaft des 21. Jahrhunderts durch nichts mehr zu rechtfertigen!
    Ihr Politiker solltet das so langsam mal begreifen und endlich dementsprechend handeln!

  4. FrafraFrankenstein

    Wo kann ich drehen, um es zu beschleunigen?
    Dann ist es um so wichtiger, möglichst schnell für einen legalen Markt zu sorgen! Anbau in De regeln (Landwirte,Gärtnereien). Führerschein regeln. Verkauf in Apotheken für die ersten drei Jahre. Cannabisagentur für Genusscannabis. Aus den Einheitsabkommen bis Sommer austreten.
    Wann Bubatz legal?

  5. Buri_see_käo

    Eigenanbau gegen die Schwarzmarkt-Problematik
    …und wenn ein Garten oder Balkon nicht verfügbar ist?: in CSCs!,
    die vielfältigen positiven Aspekte habe ich in anderen Beiträgen bereits dargestellt.
    Dass für Eigenanbau keine Mehrheit in der Koalition besteht…
    vielleicht sind der FDP beim Gedanken daran die $-Zeichen vor den Augen verblasst.
    Ohne die zu erwartenden Probleme und Fallstricke kleinreden zu wollen,
    nahezu JEDE angedachte Änderung ist besser als die derzeitige Situation.
    Man muss auch mal einen ersten Schritt tun,
    sonst begeht man neue Wege nie.
    mfG  fE

  6. Multitalentfrey

    Was ist die Motivation für die Legalisierung?
    Nach den jüngsten Äußerungen der Politiker muss man sich ernsthaft fragen, was die Motivation für die Legalisierung eigentlich ist. Haben sich die Politiker durch die Jahrzehnte der Strafverfolgung einfach dran gewöhnt und erachten die Entkriminalisierung als Nebeneffekt? Ich möchte ins Gedächtnis zurück rufen, dass wir es hier mit einer Grundrechtseinschränkung des Art. 2 GG zu tun haben, die bei Verstoß mit dem schärfsten Schwert, das der Staat zur Verfügung hat, geahndet wird.

    Die Rückgabe der Grundrechte ist keine Bagatelle und erst recht kein Spielball für politische Strategieüberlegungen.

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