Meldung des DHV vom 19. 4. 2007
Die Fraktion DIE LINKE hat im Deutschen Bundestag eine Kleine Anfrage gestellt, durch die geklärt werden soll, welche finanziellen Auswirkungen das Cannabisverbot hat. Besonderes Augenmerk richten die Parlamentarier auf das Verhältnis der Strafverfolgungskosten zu den Mitteln, die für Prävention und Behandlung von Suchtkranken aufgewendet werden.
Am 01.04.2007 hat die Bundestagsfraktion DIE LINKE auf einen Bericht der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) reagiert. Dieser verglich die in den Ländern der EU für die Bekämpfung der Drogenkriminalität aufgewendeten Beträge und die Verteilung des Geldes auf die verschiedenen Bereiche (Säulen) der Betäubungsmittelpolitik:
- Prävention
- Beratung und Behandlung
- Überlebenshilfen und Schadensreduzierung
- Angebotsreduzierung und repressive Maßnahmen
Der Bericht der EMCDDA kommt zu dem Schluss, dass die Bundesrepublik Deutschland europäischer Spitzenreiter bei der Ungleichverteilung der Mittel ist. Rund 84 Prozent des zur Verfügung stehenden Geldes würden in die Angebotsreduzierung (Strafverfolgung) investiert, während auf die offiziell gleichwertigen, drei anderen Säulen der deutschen Drogenpolitik zusammen gerade einmal 14 Prozent der Mittel entfallen.
Andere europäische Länder geben einen deutlich höheren Anteil für Prävention, Behandlung und Schadensreduzierung aus.
Die Linkspartei will darüber hinaus wissen, welche Steuereinnahmen erzielt werden könnten, wenn Hanfprodukte auf einem legalen Markt ähnlich wie Tabak besteuert würden und in welchem Umfang durch diesen Markt Arbeitsplätze entstehen würden.
Die Kleine Anfrage stützt sich unter anderem auf Zahlenmaterial, das der Deutsche Hanf Verband unter dem Titel “Finanzielle und wirtschaftliche Auswirkungen einer Cannabislegalisierung” auf seiner Webseite anbietet.
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Monika Knoche, Karin Binder, Dr. Martina Bunge, Inge Höger, Ulla Jelpke, Katja Kipping, Wolfgang Neskovic, Dr. Ilja Seifert, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.
Finanziellen Auswirkungen des Cannabisverbotes
Cannabis ist die am meisten verbreitete und konsumierte illegale Droge in Deutschland und Europa. Seit Jahren gibt es eine lebhafte Debatte über den Status dieser Droge.
Für eine Bewertung der offiziellen Cannabispolitik sind neben gesundheitlichen Studien transparente Zahlen über die Ausgaben für die Strafverfolgung – auch im Vergleich zur medizinischen Behandlung und Prävention – und Mindereinnahmen von Steuern durch das Cannabisverbot unabdingbar.
Nach einer Untersuchung der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) gibt Deutschland im europäischen Vergleich den höchsten Anteil seiner Ausgaben im Drogenbereich für die Strafverfolgung aus, und zwar 84 Prozent. Dagegen werden 16 Prozent für die medizinisch-therapeutische Versorgung von Abhängigen ausgegeben. Zum Vergleich: In Schweden werden 60 Prozent der Ausgaben im Drogenbereich für die medizinisch-therapeutische Versorgung ausgegeben.
Insgesamt beziffert der Bericht die Ausgaben Deutschlands für die Strafverfolgung im Drogenbereich in dem Zeitraum von 1990 bis 2000 mit 1,59 Milliarden Euros jährlich. Damit steht Deutschland bezogen auf die die absoluten Ausgaben als auch auf die Ausgaben pro Abhängigen im Bereich Strafverfolgung in Europa auf Platz 1. Der Bericht der EMCDDA kommt dementsprechend zu dem Schluss, dass in Deutschland im europäischen Vergleich die Betonung auf der Strafverfolgung liege.
Die Ausgaben der Strafverfolgung im Drogenbereich in Deutschland sind nicht nach den unterschiedlichen Drogen aufgeschlüsselt. Legt man allerdings internationale Studien zu Grunde, ist zu vermuten, dass ein großer Teil der diesbezüglichen Ausgaben für die Strafverfolgung bei Cannabis ausgegeben wird. So schätzte eine für das britische Unterhaus erstellte Studie die Kosten für die Strafverfolgung bei Cannabis auf 1,35 Milliarden Euro jährlich (2000).
Der Deutsche Hanf Verband (DHV) schätzte 2003 die Kosten der Cannabisprohibition in Deutschland auf circa eine Milliarde Euro. Dabei stützt er sich auf Untersuchungen aus dem In- und Ausland und eigene Berechnungen. Allein für das Jahr 2002 wurden laut polizeilicher Kriminalstatistik 140.000 Strafverfahren wegen Cannabis gezählt.
In diesem Zusammenhang kommt eine Cannabis-Studie für das britische Unterhaus zu dem Schluss, dass das Steuereinkommen des britischen Staates jährlich um 1 Milliarde Pfund wachsen würde – sollte Cannabis legalisiert werden und Cannabisprodukte in der gleichen Höhe besteuert werden wie Tabakprodukte.
Der Deutsche Hanf Verband (DHV) schätzt nach Auswertung verschiedener Studien, dass eine Cannabislegalisierung zu mindestens 530 Millionen direkten Steuermehreinnahmen in Deutschland führen würde. Ein Vielfaches davon sei wahrscheinlich. Weitere finanzielle Einbußen nähme der Staat durch die Illegalität des Cannabismarktes hin, weil dadurch tausende potentielle Arbeitsplätze verhindert würden.
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Kosten der Cannabis-Prohibition
- a) Wie hoch sind die Gesamt-Kosten der Cannabisprohibition in Deutschland?
- b) Wie hoch sind die Kosten für Behandlung und Prävention im Cannabis-Bereich in Deutschland und wer trägt im Einzelnen diese Kosten?
- c) Falls für a) und b) keine konkreten Zahlen vorliegen: Wie hoch schätzt die Regierung diese Kosten?
- d) Wie hoch sind die Kosten für die Strafverfolgung bei Cannabis (Polizei, Justiz) in Deutschland?
- e) Falls für d) keine konkreten Zahlen vorliegen: Wie hoch schätzt die Regierung u.a. auf Grund der polizeilichen Kriminalstatistik die Kosten?
- f) Wie hoch sind die Kosten für die Cannabisprohibition im Bereich des Zolls in Deutschland?
- g) Falls für f) keine konkreten Zahlen vorliegen: Wie hoch schätzt die Regierung die Kosten?
- h) Auf welchen Daten basiert die Untersuchung der EMCDDA bezüglich der Ausgaben für die Strafverfolgung im Drogenbereich in Deutschland?
- i) Lassen sich diese Ausgaben nach verschiedenen Drogen differenzieren und wie hoch sind sie jeweils?
- j) Wie hoch sind die Ausgaben Deutschlands für die Strafverfolgung und die medizinisch-therapeutische Betreuung im Drogenbereich insgesamt und nach Drogen differenziert in den Jahren 2001 bis 2006?
- k) Wie beurteilt die Bundesregierung die Einschätzung des Deutschen Hanf Verbandes, der die Kosten der Cannabis-Prohibition in Deutschland auf 1 Milliarde Euro schätzt?
- l) Wie beurteilt die Bundesregierung die in der Übersicht des DHV genannten Untersuchungen aus dem Ausland? Inwieweit sind diese auf Deutschland übertragbar?
- m) Sind der Bundesregierung weitere internationale Untersuchungen dazu bekannt, die in der Übersicht des DHV nicht erwähnt werden bzw. die nach deren Erscheinen 2003 bekannt wurden?
- n) Wie wurden die in der Untersuchung der Europäischen Drogenbeobachtungsstelle genannten 1,59 Milliarden Euro für Drogenprohibition insgesamt in Deutschland berechnet? Lassen sich daraus Rückschlüsse auf die konkreten Kosten der Cannabisprohibition (Polizei, Justiz, Zoll) ziehen?
- o) Sind der Bundesregierung weitere Untersuchungen zu Prohibitionskosten bekannt, die sich auf Deutschland beziehen?
- p) Auf welche Untersuchungen und Erkenntnisse stützt die Bundesregierung ihre eigene Einschätzung der Kosten der Cannabisprohibition in Deutschland?
2. Wie hoch schätzt die Bundesregierung die möglichen Steuereinnahmen bei einer legalen Organisation des bestehenden Cannabismarktes?
- a) Wie beurteilt die Bundesregierung die Einschätzung des Deutschen Hanf Verbandes, dass mit direkten Verbrauchssteuern auf Cannabis in Deutschland mindestens 530 Millionen Steuereinnahmen – möglicherweise auch mehr -erzielt würden?
- b) Wie beurteilt die Bundesregierung die Studie der Bibliothek des britischen Unterhauses und die in der Übersicht des Deutschen Hanfverbandes genannten Untersuchungen aus dem Ausland ein?
- c) Inwieweit sind diese Untersuchungen auf Deutschland übertragbar?
- d) Sind der Bundesregierung weitere Untersuchungen zu diesem Thema bekannt, die sich auf Deutschland beziehen?
- e) Auf welche Untersuchungen und Erkenntnisse stützt die Bundesregierung ihre eigene Einschätzung der möglichen Einnahmen direkter Cannabissteuern in Deutschland?
3. Wie viele Arbeitsplätze würden nach Meinung der Bundesregierung entstehen, wenn der Cannabismarkt in Deutschland legal geregelt würde?
- a) Wie beurteilt die Bundesregierung die Einschätzung des Deutschen Hanf Verbandes, dass bei einer Regulierung des derzeit bestehenden Cannabismarktes 13.500 bis 24.000 Arbeitsplätze in Deutschland allein im Einzelhandel entstehen würden?
- b) Wie hoch schätzt die Bundesregierung die Zahl der möglichen Arbeitsplätze in der Landwirtschaft/im Gartenbau bei einer Produktion von Cannabis in Deutschland ein?
- c) Sind der Bundesregierung weitere Untersuchungen dazu bekannt, die sich auf Deutschland beziehen?
- d) Auf welche Untersuchungen und Erkenntnisse stützt die Bundesregierung ihre eigene Einschätzung der möglichen Arbeitsplätze bei einer Regulierung des Cannabismarktes in Deutschland?
Berlin, den 1.04.2007Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion
- Webseite der Bundestagsfraktion DIE LINKE
- PDF-Download der Kleinen Anfrage “Finanzielle Auswirkungen des Cannabisverbotes”
- Finanzielle und wirtschaftliche Auswirkungen einer Cannabislegalisierung
- Die ökonomischen Kosten des Drogenverbotes
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