Bundestagswahl 2009

Informiert Sie über die Programme und Kandidaten der Parteien zur Bundestagswahl am 27.09.2009 und gibt eine Wahlempfehlung.
Schwerpunkt der Betrachtungen ist die bisherige und zu erwartende Drogenpolitik insbesondere bezüglich Cannabis.

Vorbemerkungen

Ebenso wie Drogen nicht alles im Leben sein sollten, ist natürlich auch Drogenpolitik nicht der einzige ausschlaggebende Punkt bei einer Wahlentscheidung. Dennoch sagt Drogenpolitik mehr über die Gesinnung einer Partei aus, als nur die Frage, ob sie Cannabis legalisieren will oder nicht.

Die Drogenpolitik verrät vielmehr Grundsätzliches darüber, ob eine Partei den Bürger eher als selbstbestimmtes Individuum sieht oder als lenkbares Schaf, das von der Obrigkeit vor bösen Einflüssen beschützt werden muss (und kann!).


Ausgangslage

Ergebnisse der Bundestagswahl 2005

Partei Stimmanteil
CDU/CSU 35,2 Prozent
SPD 34,2 Prozent
FDP 9,8 Prozent
Die Linke 8,7 Prozent
Bündnis 90/ Die Grünen 8,1 Prozent
Sonstige 3,9 Prozent

Seit November 2005 wird die Bundesrepublik Deutschland von einer “Großen Koalition” regiert. Vom Zusammenschluss der beiden Volksparteien CDU und SPD und der dadurch entstandenen komfortablen Mehrheit, die sogar für Grundgesetzänderungen ausgereicht hätte, versprachen sich Teile der Bevölkerung eine reformfreudige Legislatur.

Andere verwiesen auf die Erfahrungen mit der Großen Koalition der Jahre 1966-69 und befürchteten angesichts des Fehlens einer starken Opposition politischen Stillstand.

Nüchtern betrachtet konnte die CDU-SPD-Regierung nur wenige ihrer selbstgesteckten Ziele erreichen. Zwar gelang es den Großkoalitionären in den ersten beiden Jahren, Reformen wie die “Rente mit 67” auf den Weg zu bringen, ein Großteil der im Koalitionsvertrag vereinbarten Projekte wie z.B. eine umfassende Gesundheitsreform blieben jedoch unerledigt.

Auch in der Drogenpolitik konnte die Große Kolation kaum Akzente setzen.

Stattdessen versuchten die Bundesländer und Teile der Medien, Themen zu setzen. Beispielhaft für diese für die Bundesregierung wenig schmeichelhafte Entwicklung sind das von den Medien herbeigehypte Spiceverbot und die nur auf Druck der Länder zustandegekommene Neuregelung der Abgabe von Heroin an Schwerstabhängige.

Drogenpolitik im Koalitionsvertrag

Im Koalitionsvertrag, auf den sich die Union und die SPD im Spätherbst 2005 einigten, spielte die Drogenpolitik nur eine untergeordnete Rolle. Mehr als ein “weiter so” hatten aber selbst wohlmeinende Beobachter nicht erwartet.

Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD aus dem Jahr 2005 Koalitionsvertrag “Gemeinsam für Deutschland”

Drogen- und Suchtpolitik

Die Drogen- und Suchtpolitik steht weiterhin auf den vier bewährten Säulen Prävention, Therapie, Schadensminderung und Repression. Grundlage ist der geltende Aktionsplan Drogen und Sucht. Die in der EU-Drogenstrategie 2005-2012 niedergelegten Vorgaben zur Angebots- und Nachfragereduzierung werden konsequent umgesetzt.

Auszug aus dem Koalitionsvertrag “Gemeinsam für Deutschland” (PDF)

Wer dennoch etwas Gutes in der Vereinbarung lesen wollte, verwies darauf, dass die Union in den Koalitionsverhandlungen mit ihrer Forderung, Drogenpolitik wieder aus der Gesundheitspolitik zu lösen und sie den Justiz- und Innenbehörden unterzuordnen, am Widerstand der SPD scheiterte.

Entwicklung der Betäubungsmittelkriminalität

Obschon die politisch Verantwortlichen bei jeder sich bietenden Gelegenheit verkündeten, dass die repressiven Maßnahmen zur Reduzierung des Betäubungsmittelkonsums im Wesentlichen auf “dicke Fische” zielen und dass die einfachen Konsumenten durch die zunehmende Vereinheitlichung der Regelungen zur “Geringen Menge” nach §31a BtMG weitgehend entkriminalisiert seien, beweist ein Blick in die polizeilichen Kriminalstatistiken der Jahre 2006-2008, dass in der überwiegenden Mehrheit der Verfahren lediglich selbstschädigendes Verhalten wie der Besitz und Erwerb für den Eigenkonsum geahndet wurde.

Straftaten(gruppe)erfasste FälleVeränderung
2008200720062005absolutProzent
Rauschgiftdelikte -Betäubungsmittelgesetz-239.951248.355255.019276.740-36789-13,29
Allgemeine Verstöße gemäß § 29 BtMG169.386171.496178.841194.444-25058-12,89
mit Cannabis und Zubereitungen100.651102.931110.638124.170-23519-18,94
Illegaler Handel mit und Schmuggel von Rauschgiften gemäß § 29 BtMG52.86760.11260.91467.320-14453-21,47
mit/von Cannabis und Zubereitungen30.39736.32436.06139.440-9043-22,93
Illegale Einfuhr von Betäubungsmitteln gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG (in nicht geringer Menge)3.0383.9813.9514.682-1644-35,11
von Cannabis und Zubereitungen1.4712.1361.9682.534-1063-41,95

Bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass der Anteil der sogenannten Konsumentendelikte nach vier Jahren Große Koalition mit rund 70 Prozent unverändert sehr hoch liegt. Von einer Konzentration auf Dealer und Produzenten kann keine Rede sein.

Deliktsgruppe2008200720062005Veränderung
Anteil der allgemeinen Verstöße an den BtM-Delikten70,5969,0570,1370,26+0,33
Anteil der Cannabistaten an den BtM-Delikten55,8857,6759,0760,81-4,93

Der Anteil der Cannabisdelikte an den Gesamtstraftaten ging in den letzten Jahren leicht zurück. Mit rund 132.000 Taten ist das vergleichsweise harmlose Rauschmittel aber noch immer für mehr als die Hälfte aller BtM-Verfahren verantwortlich.

Sabine Bätzing – Drogenbeauftragte der Bundesregierung

Mit dem Wechsel zur Großen Koalition nahm im Dezember 2005 auch eine neue Drogenbeauftragte ihre Arbeit auf. Die Wahl der aus dem Rheinland-Pfälzischen Weyerbusch stammenden SPD-Abgeordneten Sabine Bätzing wurde schon bei ihrer Amtsübernahme von Experten scharf kritisiert.

Sabine Bätzing - Drogenbeauftragte der Bundesregierung 2006-2009
Sabine Bätzing – Drogenbeauftragte der Bundesregierung 2006-2009

Vor ihrer Berufung zur höchsten deutschen Drogenwächterin hatte Bätzing keinerlei Beziehungen zu diesem Thema. Eine fachlich versierte Auseinandersetzung mit Abhängigen, Betäubungsmitteln oder den zahlreichen drogenpolitischen Nichtregierungsorganisationen war so auf Jahre hinaus nicht zu erwarten.

Statt sich auf wissenschaftliche Fakten gestützt daran zu machen, Drogenprobleme zu minimieren und Drogenelend zu verhindern, suchte Sabine Bätzing primär nach Möglichkeiten sich in die Medien zu bringen. Kein Wunder, dass aus dem Büro der Bundesdrogenbeauftragten von 2006-2009 allzuoft hysterische Warnungen, vorschnelle Verbotsrufe und hilflose Sofortmaßnahmen schallten.

So brachte Bätzing das Verbot sogenannter “Flatrateparties” auf den Weg und forderte, jugendliche Testkäufer zu nutzen, um die Einhaltung des Jugendschutzgesetzes zu prüfen, obschon dies juristisch höchst umstritten war.

Unrühmlicher Höhepunkt der “Fürsorgediktatur a’la Bätzing” war der Versuch, Autofahrern das Rauchen zu verbieten, um potentielle Mitreisende vor den Gefahren des Passivrauchens zu schützen.

Der jüngsten Drogenbeauftragten in der deutschen Geschichte misslang jedoch nicht alles. Positiv ist z.B. ihr Engagement für die Übernahme der Heroinvergabe an Schwerstabhängige in die medizinische Regelversorgung in Erinnerung geblieben.

Rückblickend muss sich Sabine Bätzing den Vorwurf gefallen lassen, dass sie weit mehr zum Anstieg der Drogennotfälle und Behandlungszahlen beigetragen hat, als sie wahrhaben will.
So weigerte Sie sich, Rauschmittel auf Streckmittel prüfen zu lassen (DrugChecking) oder auch nur über gesundheitsschädliche Verunreinigungen zu informieren und brachte von Salvia Dininorum bis Spice zahlreiche umstrittene Verbotsinitiativen auf den Weg.

Bisweilen fiel Bätzing durch geradezu ignorante Verleugnung gesellschaftlicher Realitäten auf. So verkündete sie die Drogenkonsumenten Deutschlands hätten “keine Mittel des Zwangs” zu fürchten und lehnte jede Diskussion über eine Liberalisierung des Cannabisrechts mit dem “Argument” ab, man könne der Droge keine “Unbedenklichkeitsbescheinigung” ausstellen.


Die Parteien und ihre Standpunkte

Im Folgenden finden Sie die wichtigsten Positionen der politischen Parteien kurz zusammengefasst. Für jede der angesprochenen Parteien haben wir ein eigenes Dokument erstellt, das Sie über die drogenpolitischen Teile des jeweiligen Wahlprogramms informiert und sich genauer mit den Positionen der Partei beschäftigt.

Klicken Sie für mehr Informationen bitte einfach auf den Namen der gewünschten Partei!

Positionen der Union zur Bundestagswahl 2009
Die Union will sich als stärkste Fraktion behaupten und strebt ein Bündnis mit den Liberalen an. Am grundlegenden drogenpolitischen (Miss-)Verständnis der Union hat sich in den vergangenen Jahren indes nichts geändert. Ihr Ziel ist die drogenfreie Gesellschaft, die mit allen zur Verfügüng stehenden (repressiven) Mitteln erreicht werden soll.
Positionen der SPD zur Bundestagswahl 2009
Die Sozialdemokraten müssen befürchten, bei der Wahl 2009 ein historisch schlechtes Ergebnis zu erhalten. Die lediglich schlagworthaft dargestellten Ziele sozialdemokratischer Drogenpolitik unterscheiden sich nur unwesentlich von denen der Union.
Positionen der FDP zur Bundestagswahl 2009
Die Liberalen wollen mit der Bundestagswahl als Koalitionspartner der Union zurück an die Macht. Der Konsum von Rauschmitteln wird von den Liberalen einseitig als Einstieg in eine Suchterkrankung gesehen.
Positionen der Partei Die Linke zur Bundestagswahl 2009
Die Linke versucht sich im Wahlkampf als die “bessere SPD” zu positionieren. Sie fordern ein Ende des “Kriegs gegen Drogen” und wollen den Umgang mit Cannabis legalisieren.
Positionen von Bündnis 90/ Die Grünen zur Bundestagswahl 2009
Die Grünen wollen 2009 mit neuen Spitzenkandidaten zurück an die Macht. In ihrem drogenpolitischen Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2009 gehen sie weiter als alle anderen Parteien und vertreten eine akzeptanzorientierte, präventionsgestützte Politik, die den (abhängigen) Menschen in den Mittelpunkt stellt.

Zusammenfassung und Wahlempfehlung

  1. Bündnis 90/ Die Grünen – Die Grünen haben ein gutes Programm vorgelegt und einige sinnvolle Anfragen und Anträge ins Parlament gebracht. Eine öffentliche Debatte über Cannabis haben sie aber kaum angestoßen und es bleibt fraglich, ob sie das Thema in möglichen Koalitionsverhandlungen diesmal erfolgreicher vertreten.
    Je nach Verhandlungspartner haben die Grünen aber vermutlich bessere Chancen, ihre Vorstellungen wenigstens ansatzweise in die Realität umzusetzen, als die Linken, mit denen niemand koalieren will. Unter dem Strich landen die Grünen im DHV-Wahlranking knapp auf Platz 1 vor den Linken.
  2. Die Linke – Die Linke hat sich ein sehr fortschrittliches drogenpolitisches Programm gegeben. Die parlamentarische Arbeit der letzten Jahre lässt außerdem darauf hoffen, dass sie Liberalisierungsbemühungen anderer Parteien unterstützen wird.
    Allerdings ist es sehr unwahrscheinlich, dass es der Linken gelingt, Regierungsverantwortung zu übernehmen. In unserem Wahlranking bleibt sie deshalb hinter den Grünen zurück, die ähnliche Positionen vertreten.
  3. SPD – Die SPD hat die Zeichen der Zeit erneut nicht erkannt und setzt in der Drogenpolitik auf ein unbefriedigendes “weiter so”. Nach Alternativen zur Repression sucht sie nicht.
    Im DHV-Wahlranking bleibt sie nur deshalb vor Union und FDP, weil sie sich in Sachen Heroinverschreibung fortschrittlicher gezeigt hat und mit den Grünen ein drogenpolitisch weit fortschrittlicherer Koaltionspartner auf dem Wunschzettel der Sozialdemokraten steht.
  4. FDP – Die Liberalen sind drogenpolitisch längst nicht so freiheitsliebend, wie dies der Parteiname vermuten lässt. Von Ausnahmen abgesehen steht die FDP für einen repressiven Umgang mit Drogen und ihren Konsumenten.
    Ihr Wunsch, mit der Union ein Bündnis einzugehen, macht sie für Vertreter einer Liberalisierung des Drogenrechts unwählbar.
  5. CDU/CSU – Die Unionsparteien halten trotz gegenteiliger Forschungsergebnisse und unter Missachtung der Menschenrechte der Konsumenten an der Utopie einer “drogenfreien Gesellschaft” fest. Ihr drogenpolitisches Programm ist seit Jahren unverändert rückständig.
    Wer eine Liberalisierung des Cannabisrechts wünscht, sollte sein Kreuz bei einer anderen Partei machen!

Schlussbemerkung

Und nun der vielleicht wichtigste Hinweis zum Schluss. Jeder, dem Cannabispolitik am Herzen liegt, sollte den Parteien mitteilen, warum er sie gewählt oder nicht gewählt hat! Das erhöht das Gewicht einer einzelnen Stimme enorm! Es reicht ein Dreizeiler wie:

“Ich habe Ihnen diesmal meine Stimme gegeben, weil Sie sich für die Legalisierung von Cannabis einsetzen und erwarte von Ihnen, dass Sie das Thema die nächsten vier Jahre auch voranbringen!”

“Ich hätte mir vorstellen können, sie dieses Jahr bei der Bundestagswahl zu wählen, habe aber wegen ihrer repressiven Drogenpolitik davon Abstand genommen.”

Die passenden Kontaktadressen haben wir für Sie auf den Unterseiten zu den einzelnen Parteien zur Verfügung gestellt.