Die Grünen haben sich kürzlich mit der Kleinen Anfrage “Entwicklungen der Nutzung von Cannabis als Genussmittel sowie der medizinischen und gewerblichen Nutzung” an die Bundesregierung gewandt. Aus dem umfangreichen Fragenkatalog zu Cannabis als Medizin, CBD und Cannabis sowie den internationalen Entwicklungen in legalisierten Staaten haben wir die wichtigsten der knapp 30 Fragen und Antworten für euch näher beleuchtet.
Importmengen bei Cannabis als Medizin vervielfacht
Laut BfArM wurden im ersten Quartal 2017 rund 125 Kilogramm Cannabisblüten zur medizinischen Versorgung sowie rund 77 Kilogramm Cannabisblüten zur Herstellung von Dronabinol und cannabishaltigen Zubereitungen eingeführt. Verglichen mit dem ersten Quartal 2020, in dem rund 1.777 kg Cannabisblüten und rund 551 kg zur Weiterverarbeitung importiert wurden, haben sich die importierten Mengen vervielfacht. Die aktuellsten Zahlen aus dem zweiten Quartal diesen Jahres weisen 2.349 kg Medizinalhanfblüten und rund 270 Kilogramm für die Weiterverarbeitung zu Dronabinol und cannabishaltigen Zubereitungen vorgesehene Blüten aus. Insgesamt werden derzeit 47 verschiedene Sorten aus den Niederlanden, Kanada, Portugal und Dänemark importiert.
Anbau in Deutschland verzögert sich
Was sich bereits in den Antworten der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der FDP von Ende Mai abzeichnete, ist nun bestätigt: Aufgrund der Corona-Pandemie kam es zu Verzögerungen, die Lieferungen von Medizinalcannabis aus deutschem Anbau an die Cannabisagentur werden daher verschoben. Die Bundesregierung nennt kein konkretes Datum, dieses Jahr wird aber laut Hersteller keine Ernte eingefahren.
Genehmigungsfiktion und Genehmigungsquoten
Unfassbare 40% aller Anträge auf eine Versorgung mit Cannabis als Medizin gemäß §31 Abs. 6 SGB V wurden laut GKV-Spitzenverband seit 2017 abgelehnt. Es scheint schwer vorstellbar, dass die Krankenkassen angesichts dieser hohen Ablehnungsquote nur in begründeten Ausnahmefällen eine Kostenübernahme verweigern. Die Bundesregierung sieht hier wie auch beim Thema Genehmigungsfiktion keinen Handlungsbedarf. Das Bundessozialgericht hatte in einem Grundsatzurteil die Genehmigungsfiktion zu ungunsten der Patienten geschwächt, der Sozialverband VdK kündigte eine Verfassungsbeschwerde an.
Führerschein
Ebenfalls keinen Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung beim Umgang mit Cannabis im Straßenverkehr – sowohl bei Patienten als auch bei Genusskonsumenten. Patienten können einen “Rechtmäßigkeitsnachweis” mittels BTM-Rezeptkopie sowie einer Bescheinigung ihres behandelnden Arztes erbringen, aus Sicht der Regierung gibt es dann keine Probleme. Dass das Gegenteil der Fall ist, erfahren wir in unserer täglichen Arbeit. Für alle anderen, die wegen Cannabis ihren Führerschein verlieren, hat die Bundesregierung nichts Neues im Gepäck. Die Regierung verweist lediglich auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom April 2019,
“wonach bei einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten die Möglichkeit einer Beeinträchtigung seiner Fahreignung bereits dann besteht, wenn eine Konzentration von Tetrahydrocannabinol (THC) von 1 ng/ml oder mehr im Blutserum des Betroffenen festgestellt wird und die betroffene Person damit gegen das Gebot des Trennens zwischen Konsum und Fahren verstoßen hat.”
Cannabidiol
Der Umgang mit CBD wird aktuell heiß diskutiert und so verwundert es nicht, dass neben den Grünen auch die FDP eine Kleine Anfrage diesbezüglich verfasst hat. Laut Regierung wurde im vergangenen Jahr beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) nur ein Konsultationsersuchen für ein CBD-haltiges Produkt gemäß der Novel Food-Verordnung gestellt. Dieses wurde aufgrund fehlender Unterlagen als unzulässig abgelehnt. Aktuell laufen laut Auskunft der EU-Kommission aber 55 Anträge auf eine Zulassung von CBD als neuartiges Lebensmittel, über die aber noch nicht entschieden wurde. Die Frage, ob die Ablehnung der Empfehlung des WHO-Expertenkomitees zur Drogenabhängigkeit (Expert Committee on Drug Dependence, ECDD) zur Herausnahme von CBD aus der internationalen Drogenkontrolle als Zweifel an der fachlichen Expertise des WHO-Gremiums zu verstehen sei, weist die Bundesregierung interessanterweise nicht zurück. Sie verweist dabei lediglich auf die gemeinsam beschlossene Position der EU-Mitgliedsstaaten und darauf, dass dies keine Einzelmeinung der deutschen Bundesregierung sei.
Internationale Entwicklungen
Gefragt nach den Erkenntnissen aus dem Ausland, nach denen die Verfolgung einer strikten Drogenpolitik wenig bis keinen Einfluss auf das Konsumverhalten hat, ist die Bundesregierung natürlich anderer Meinung:
“Für die generalpräventive Wirkung der Strafandrohungen des BtMG spricht der hohe Anteil von Personen, die niemals illegale Drogen konsumieren”
, so die Antwort.
Die vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages zusammengetragenen Zahlen sind aus Sicht der Regierung mit Vorsicht zu genießen:
“Nach den Schlussfolgerungen des Wissenschaftlichen Dienstes (WD) bleibt auch für diese Staaten abzuwarten, ob es sich um kurzfristige Abweichungen handele oder ob die jeweiligen Gesetzesänderungen tatsächlich zu einer langfristigen Änderung des Konsumverhaltens führen. Des Weiteren wird vom WD erläutert, dass neben der Gesetzgebung auch andere Faktoren den Drogenkonsum bestimmen; ferner, dass es bedingt durch die Art der Datenerhebung an der Vergleichbarkeit der erhobenen Daten fehlen könne und dass die Aussagekraft fraglich sein könne.”
Bezogen auf Kanada möchten die GRÜNEN wissen,
“Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den Daten des Statistischen Amts Kanadas, wonach der Cannabiskonsum von Jugendlichen und der Bezug von Cannabis vom Schwarzmarkt mit der kontrollierten Abgabe zurückgegangen sind?”
Laut Statistischem Bundesamt Kanada ist die Zahl Jugendlicher Konsumenten zwischen 15-17 Jahren, die in den letzten drei Monaten Cannabis konsumiert haben, von 19,8 Prozent vor der Legalisierung (2018) auf 10,4 Prozent nach der Legalisierung (2019) zurückgegangen. Ein Rückgang, der allerdings laut den Statistikern mit Vorsicht zu bewerten ist.
Und was antwortet die Bundesregierung?
“Für 2019 gaben kanadaweit mehr als 5,1 Millionen Menschen im Alter von 15 Jahren oder älter an, in den drei Monaten vor dem Survey, Cannabis konsumiert zu haben („Table 1“). Dies entspricht 16,8 Prozent der Kanadier. Für den Durchschnitt des Jahres 2018 lag diese Zahl mit 14,9 Prozent, was 4,5 Millionen Kanadiern entspricht, niedriger. Vor dem Hintergrund dieser Zahlen wird deutlich, dass der Cannabiskonsum in Kanada im Verlauf der Jahre 2018 und 2019 zugenommen hat. Die weiteren Angaben zeigen, dass der Konsum insbesondere bei Personen im Alter von 25 Jahren oder älter (Anstieg von 13,1 Prozent auf 15,5 Prozent) und bei Männern (Anstieg von 17,5 Prozent auf 20,3 Prozent) zugenommen hat.”
Die Bundesregierung bezieht sich auf die gleiche Quelle wie die Grünen, sagt aber kein Wort dazu, dass der Konsum bei Jugendlichen demnach eher zurückgegangen als angestiegen ist. Stattdessen betont sie, dass der Konsum bei Menschen über 25 Jahren angestiegen ist. Frage nicht beantwortet, Thema verfehlt! Eines sollte bei der Debatte nicht vergessen werden: Cannabis wird so oder so konsumiert. Auch wenn Unionspolitiker immer wieder betonen, eine dritte Volksdroge verhindern zu wollen, ist sie doch längst da. Es geht nicht mehr um das Verhindern, es geht um einen geregelten Umgang – und den kann es nur mit einer Legalisierung geben!
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