Die neue Landesregierung in Berlin scheint zu stehen, SPD und CDU stellten gestern das Ergebnis ihrer Koalitionsgespräche vor. Bei diesem Bündnis der beiden einzigen Parteien, die wir als Hanfverband nicht empfohlen hatten, kann man eigentlich nur auf Stillstand statt Rückschritte hoffen. Im Entwurf der Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und CDU gab es immerhin eine positive Überraschung.
In unserer Wahlempfehlung für die Abgeordnetenhauswahl in Berlin kamen LINKE, Grüne und Piraten ähnlich gut weg und die Chancen standen sehr gut, dass zumindest eine dieser hanffreundlichen Parteien in die Regierung kommen würde. Obwohl die Mehrheit der Berliner Parteien wählte, die zumindest tendenziell links eingestellt sind und 40% der Stimmen an Legalisierungsparteien gingen, wird nun ein Bündnis aus der mäßig liberalen SPD und der repressiven CDU die Stadt für die kommenden 5 Jahre führen. Da Berlin mit einer “geringen Menge” Cannabis von 10 bis 15 Gramm mittlerweile die liberalste Stadt für Hanffreund ist und andere Bundesländer Druck zur Angleichung nach unten machen, war zu befürchten, dass auch Berlin die Schwelle zur Strafverfolgung von Cannabiskonsumenten senken würde.
Bei der Ressortverteilung hat die CDU alle drei für die Drogenpolitik relevanten Ressorts erhalten: Inneres/Sport, Gesundheit/Soziales sowie Justiz/Verbraucherschutz. Im Koalitionsvertrag, der noch von den Parteitagen der Bündnispartner bestätigt werden muss, kommt weder das Wort Cannabis noch geringe Menge vor.
Überraschenderweise findet sich jedoch ein Bekenntnis zu “Drug Checking” in der Vereinbarung, Zielgruppe sind “suchtgefährdete Konsument/inn/en illegaler Drogen” – nach der Logik der CDU sind damit wohl alle Hanffreunde gemeint. Es ist bemerkenswert, dass es der SPD, die sich erst über die Koalition mit der LINKEN zu diesem Instrument bekannt hatte, wichtig war, sich mit dieser progressiven Forderung gegenüber der CDU durchzusetzen. Es bleibt zu hoffen, dass die SPD auch in Sachen “geringe Menge” ihre bisherige Politik verteidigt und sich zumindest nichts verschlechtert.
Hier alle drogenpolitisch relevanten Passagen des Koalitionsvertrags:
Psychiatrie und Suchtpolitik
Bei der Suchtbekämpfung setzten wir auf eine Mischung aus präventiven, therapeutischen und repressiven Maßnahmen und die Zusammenarbeit aller gesellschaftlichen Kräfte.
Der Alkoholmissbrauch durch Kinder und Jugendliche wird stärker in den Mittelpunkt der Prävention und Hilfen gerückt und durch ein Paket von Maßnahmen bekämpft. Die Koalition wird ein Verbot des Verkaufs von Alkohol an Personen unter 18 Jahren prüfen.
Beim Nichtraucherschutz werden wir gemeinsam mit den Bezirken Aufklärung und Kontrolle des Einhaltens der gesetzlichen Regelungen intensivieren. Zusammen mit Eltern- und Familienorganisationen u. a. werden wir Sensibilität für das Problem des Passivrauchens im Haushalt des Kindes schaffen.
Die in Berlin eingeführten Modelle der Drogenkonsumräume werden wir evaluieren und weiterentwickeln.
Die Koalition unterstützt neben einer verstärkten Prävention den Aufbau von Diamorphinambulanzen und deren Integration in das bestehende Hilfesystem (GKV), um die gesundheitliche und soziale Lage bestimmter Gruppen von Schwerstabhängigen zu verbessern. Diese Versorgungsstrukturen müssen hohen medizinischen Maßstäben entsprechen, damit die Erstattung der Behandlung durch Krankenkassen gesichert ist.
Im Berliner Suchthilfesystem wird die begonnene Qualitätsentwicklung der regionalen Suchthilfedienste fortgesetzt und die Vernetzung zu anderen Hilfen vorangetrieben. Insbesondere ist die interkulturelle Öffnung der Dienste zu unterstützen und zu begleiten.
Träger der ambulanten Drogenhilfe sollen suchtgefährdeten Konsument/inn/en illegaler Drogen mit “Drug Checking” einen verbesserten Zugang zu Kontakt-, Beratungs- und Therapieangeboten bieten. “Drug Checking” ist somit eingebettet in ein umfängliches Konzept der Gesundheitsförderung. Eine gesetzliche Klarstellung der Straffreiheit des “Drug Checkings” wird vorangetrieben.
[…]
Wir werden prüfen, ob in Anbetracht der zurückgegangenen Strafgefangenenzahlen die geplante Verlegung des Drogenfachbereichs der Jugendstrafanstalt (JSA) Berlin vom Standort Friedrich-Olbricht-Damm an den Standort Lichtenrade durchgeführt werden muss oder ob es haushalterisch vorzugwürdigere Alternativen gibt. Insbesondere soll geprüft werden, ob eine Sanierung der Liegenschaften der JSA Berlin und ein Verbleib des Drogenfachbereiches am Standort Friedrich-Olbricht-Damm sowie eine Eingliederung des Untersuchungshaftbereiches in die JSA Berlin kostengünstiger zu realisieren wäre. Dabei sind neben den Umbaukosten auch diejenigen Kosten für Fahrzeuge und Personal zu berücksichtigen, die nach einem Umzug der Drogenfachabteilung voraussichtlich durch Transporte zwischen dem Bereich in Lichtenrade und der Hauptanstalt am Friedrich-Olbricht-Damm entstehen.
[…]
Das bestehende Alkoholverbot in Beförderungsmitteln der BVG ist durchzusetzen.
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