Meldung des DHV vom 4. 6. 2007
Dass mit Streckmitteln verunreinigte Cannabisprodukte die Gesundheit der Konsumenten gefährden, weiß ganz Europa. Die Gesundheitsminister von Großbritannien und Belgien haben längst reagiert und vor Glas im Gras gewarnt. Nur in Deutschland bleibt die Regierung stumm.
Die Bundesdrogenbeauftragte Sabine Bätzing hört nichts, sieht nichts und sagt nichts. Auch ihrer Vorgesetzten, der Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt, scheint es egal zu sein, dass selbst die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin vor möglichen Langzeitschäden und den daraus resultierenden Kosten warnt.
Nun will die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/ Die Grünen die deutschen Gesundheitswächter zum Reden zwingen. Am 23. Mai hat sie sich deshalb mit einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung gewandt.
Über die Fragen der Grünen sprachen wir mit Jörg Sauskat, wissenschaftlicher Mitarbeiter des sucht- und drogenpolitischen Sprechers der Grünen Dr. Harald Terpe.
Steffen Geyer, DHV: Herr Sauskat, die Grünen haben sich mit einer Kleinen Anfrage zum Thema Cannabis an die Bundesregierung gewandt. Was wollen Sie damit erreichen?
Jörg Sauskat: Man darf die Wirkung einer solchen Kleinen Anfrage nicht überschätzen. Im besten Fall kann es uns gelingen, die öffentliche Aufmerksamkeit ein wenig auf die ideologisch motivierte Untätigkeit der Bundesregierung in dieser Frage zu lenken. Ob die Bundesregierung dann wirklich handelt und die Konsumentinnen und Konsumenten warnt, wird man sehen. Dass sie sich nun die ja vorliegenden Expertisen aus dem eigenen Haus zum Thema Drugchecking zu Eigen macht, kann man allerdings bezweifeln.
DHV: Viele Cannabiskonsumenten sind noch immer von den Ergebnissen der grünen Regierungsbeteiligung in den Jahren 1998-2005 enttäuscht. Sehen Sie die Kleine Anfrage als gelungenen Startschuss für eine neue grüne Cannabispolitik oder werden Kritiker Recht behalten, die Ihr Schreiben als populistischen Schachzug abtun?
Jörg Sauskat: Dr. Harald Terpe greift seit Anfang dieser Legislaturperiode mittels Anträgen und Kleinen Anfragen die gleichen Themen auf, die die Grünen schon während ihrer Regierungszeit beschäftigt haben: Fahrerlaubnisverordnung, einheitliche geringe Menge, Cannabis als Medizin, Heroinbehandlung. Der Vorwurf des Populismus ist im Übrigen genauso absurd wie die oftmals maßlose Kritik an der rot-grünen Cannabispolitik. Die grünen Positionen in der Drogen- und Suchtpolitik waren und sind nicht gerade gesellschaftlicher Mainstream. Das sollten auch die Kritikerinnen und Kritiker endlich mal berücksichtigen. Wenn ich mir so anschaue, was da in manchen Internetforen diskutiert wird und in welcher Tonlage, dann kann ich nur raten, dass diese Leute sich mal ernsthaft fragen sollten, was sie eigentlich bisher substanziell erreicht haben. Ich denke, die “Szene” muss begreifen, dass man mit Feindbildern und wütenden Mails nichts erreicht. Effektive Lobbyarbeit für die eigenen Interessen sieht anders aus. Ich sagen denen: Nehmt Euch ein Beispiel an Greenpeace oder Foodwatch!
DHV: Auf eine Kleine Anfrage der Linken zu den finanziellen Auswirkungen des Cannabisverbotes hat die Bundesregierung nur sehr ausweichend reagiert und in ihrer Stellungnahme nahezu alle Fragen offen gelassen. Wie sehen Sie die Chancen, dass die Grünen echte Antworten erhalten?
Jörg Sauskat: Gering, aber lassen wir uns überraschen. Wir haben im letzten Jahr auch darüber nachgedacht, die Bundesregierung mal zu den finanziellen Auswirkungen ihrer verqueren Cannabispolitik zu befragen, haben uns dann aber wegen des geringen Nutzwerts der zu erwartenden Antworten dagegen entschieden. Ohnehin wird das Instrument Kleine Anfrage deutlich überschätzt. Wenn die Bundesregierung nicht antworten will, dann antwortet sie nicht. Das kann man auch durch noch so geschickte Fragetechnik nicht erzwingen. Die Antwort auf die Fragen der Linken zeigt dies ja.
DHV: Können Cannabiskonsumenten und deren Angehörige Ihre Bemühungen irgendwie unterstützen? Was halten Sie von Aktionen wie dem DHV- Protestmailer?
Jörg Sauskat: Diese Anfrage ist ja auch mit Unterstützung durch den Deutschen Hanf Verband entstanden. Der DHV sollte das Problem des verunreinigten Cannabis immer wieder zum Thema in den Medien machen, Öffentlichkeit dafür schaffen.
Den Effekt von Massenmails sehe ich allerdings als eher gering an. Besser sind aus meiner Sicht fachlich fundierte Informationen, mit denen die Entscheidungsträger etwas anfangen können.
DHV: Wir danken Ihnen für das Gespräch!
Kleine Anfrage: Aufklärungsmaßnahmen zu gesundheitlichen Risiken durch verunreinigte Cannabisprodukte
der Abgeordneten Dr. Harald Terpe, Birgitt Bender, Elisabeth Scharfenberg, Anna Lührmann, Christine Scheel, Irmingard Schewe-Gerigk und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Cannabis hat sich in den letzten Jahren zur Alltagsdroge entwickelt und wird von einer wachsenden Zahl von Menschen verschiedener Altersgruppen konsumiert. Schätzungen sprechen von bis zu zwei Millionen Deutschen. In letzter Zeit häufen sich Berichte über Verunreinigungen und Beimengungen in Cannabisprodukten die zu zusätzlichen gesundheitlichen Risiken für Cannabiskonsumentinnen und -konsumenten führen. Um sowohl eine Erhöhung des Gewichts als auch der optischen Beschaffenheit zu erreichen, sollen von den illegalen Anbieterinnen und Anbietern insbesondere Marihuana verschiedene zum Teil gesundheitsgefährliche Stoffe wie zum Beispiel Öle, Glas, Schuhcreme, Haarspray und Sand beigemengt worden sein.
Schwerwiegende Schädigungen unter anderem der Atemwege könnten die Folge sein.
Wir fragen die Bundesregierung:
- Welche aktuellen Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Anzahl der Menschen in Deutschland, die gelegentlich oder regelmäßig Cannabis konsumieren (bitte jeweils nach Altersgruppen und Konsummustern)?
- Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die genannten Verunreinigungen in Cannabisprodukten in Deutschland und seit wann besitzt sie diese Erkenntnisse?
- a) Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass es sich bei den genannten Verunreinigungen um eine erhebliche zusätzliche Gefahr für Cannabiskonsumenten handelt? Wenn nein, warum nicht?
b) Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über konkrete gesundheitliche Auswirkungen der einzelnen Beimengungen? - Wie bewertet die Bundesregierung eine Warnung des britischen Department of health vom 16. Januar 2007 über Glaspartikel in Cannabisprodukten?
- Sieht die Bundesregierung Anlass, die Öffentlichkeit in geeigneter Weise auf die besonderen gesundheitlichen Gefahren, die speziell durch solche Beimengungen entstehen, hinzuweisen? Wenn ja, durch wen und in welcher Weise? Wenn nein, warum nicht?
- Welche anderen Maßnahmen beabsichtigt die Bundesregierung im Zusammenhang mit den genannten Verunreinigungen?
- Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass eine Möglichkeit zur anonymen Überprüfung von Cannabisprodukten die gesundheitlichen Risiken für Cannabiskonsumentinnen und -konsumenten verringern würde? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht?
- Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass sich durch die Möglichkeit zum legalen Eigenanbau die gesundheitlichen Risiken durch auf dem Schwarzmarkt erhältliche verunreinigte Cannabisprodukte verringern lassen? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht?
Berlin, den 23.05.2007
Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion
- Informationen des DHV über “Gestrecktes Gras“
- PDF- Download der Kleinen Anfrage der Grünen “Gesundheitliche Risiken durch verunreinigte Cannabisprodukte”
- PDF- Download der Kleinen Anfrage der Linken “Finanzielle Auswirkungen des Cannabisverbotes”
- Protestmailer “Stoppt den Chemiecocktail – Eigenanbau legalisieren!”
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