Nach der Eilentscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Aktenzeichen: – 1 BvR 733/18 – Rn. (1-8)) im Fall eines Clusterkopfschmerz-Patienten ist die Unsicherheit unter chronischen Schmerzpatienten, die medizinisches Cannabis erhalten, groß. Das Gericht hatte Ende Juni entschieden, dass die Kosten für die Behandlung mit medizinischem Cannabis nicht mit umgehender Wirkung von der Kasse übernommen werden müssen, da es im Zusammenhang mit der Behandlung von Clusterkopfschmerzen mit Cannabis nicht genug Belege in Form klinischer Studien gäbe, die eine Kostenübernahme im Eilverfahren rechtfertigten.
Die Entscheidung der Richter ist ohne Zweifel als vorläufige Niederlage für den Patienten zu werten und könnte für Clusterkopfschmerz-Patienten langfristig negative Folgen haben. Allerdings muss auch berücksichtigt werden, dass es sich nicht um ein Urteil, sondern einen Eilentscheid handelt. Das eigentliche Verfahren vor dem Hessischen Landessozialgericht, in dem das endgültige Urteil gefällt wird, steht also noch aus. Auch die Befürchtungen vieler Schmerz-, insbesondere von Migräne-Patienten, die Kostenübernahme könne auch bei ihnen in Gefahr sein, scheint unbegründet. Der DHV hat bei der Berliner Rechtsanwältin Nina Soest, die seit August Teil des DHV-Rechtsteams ist, nachgefragt, was die Karlsruher Entscheidung für Cannabis-Patienten bedeutet:
“Zunächst ist zu berücksichtigen, dass es sich sowohl bei der vorausgegangenen Entscheidung vor dem LSG Hessen als auch beim BVerfG um Eilverfahren handelt, in dessen Rahmen aufgrund der Eilbedürftigkeit grundsätzlich nur eine sogenannte „summarische Prüfung“ vorzunehmen ist. Darüber hinaus geht es hier lediglich um die Indikation des Cluster-Kopfschmerzes – Indikationen wie zum Beispiel Migräne sind nicht betroffen. Das Eilverfahren ist kein Verfahren, in dem vertieft ermittelt wird, so dass im Rahmen der „summarischen Prüfung“ auch lediglich eine vorläufige Entscheidung getroffen werden kann – die eigentliche Entscheidung wird im Hauptsacheverfahren per Urteil gefällt. In den Hauptsacheverfahren besteht die Möglichkeit, den Fall noch einmal umfassender vorzutragen sowie auf die Umstände des Einzelfalls wie Art, Schwere und Dauer der Erkrankung, Begleitdiagnosen oder die bisher verabreichte Standardtherapie einzugehen.
Die Entscheidung des Landessozialgerichts Hessen hat keine bindende Wirkung für andere Gerichte. In der Praxis liegt es jedoch nahe, dass sich hessische Sozialgerichte der ersten Instanz der Entscheidung anschließen werden. Diese Entscheidung muss damit keine bundesweite Wirkung für die Entscheidungen der Sozial- und Landessozialgerichte in anderen Bundesländern haben. Diese sind weiterhin in ihrer Entscheidung frei.
Daraus folgt, dass auch zukünftig – beim Clusterkopfschmerz und auch bei anderen Indikationen – im Eilverfahren, aber eben vor allem auch im Hauptsacheverfahren („normalem“ Klageverfahren) weiterhin rechtlich gegen eine Ablehnung der Krankenkasse vorgegangen werden kann. Wegen der im Hauptsacheverfahren höheren Anforderungen an den gerichtlichen Aufklärungsgrundsatz ist gegebenenfalls auch eine „schlechtere“ Studienlage zu berücksichtigen – das BVerfG hatte sich in seiner Entscheidung schließlich „nur“ mit einem Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz zu befassen.. Es ist den Betroffenen deshalb weiter zu raten, sowohl im Einstweiligen Rechtsschutz, aber auch im Hauptsacheverfahren ihre Rechte geltend zu machen, zumal hier eben der konkrete Einzelfall mit all seinen medizinischen Besonderheiten zu berücksichtigen ist – und sich die Studienlage zwischenzeitlich immer auch wieder ändern kann. Letzteres gilt gerade für die langwierigen sozialgerichtlichen Verfahren in der Hauptsache.”
Also selbst wenn die Richter in der noch zu verhandelten Hauptsache hier gegen den Patienten entscheiden sollten, ändert sich durch das zu erwartende Urteil in dem Fall für Cannabis-Patienten wenig. An das Einklagen ihrer Rechte haben sie sich ja bereits seit 15 Jahren gewöhnt.
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