Wahlanalyse zur Landtagswahl in Bayern am 08.10.2023

Ebenso wie Drogen nicht alles im Leben sein sollten, ist natürlich auch Drogenpolitik nicht der einzige ausschlaggebende Punkt bei einer Wahlentscheidung. Der Wahl-O-Mat liefert einen Überblick über die Positionen der Parteien zu unterschiedlichen Themen. Erkundigt euch bei Interesse auch über kleinere Parteien, wir betrachten hier nur die größeren! Auf abgeordnetenwatch.de könnt ihr euch über die Politiker eures Wahlkreises informieren und ihnen Fragen stellen. Informiert euch und geht wählen! Seid euch bewusst, dass die Möglichkeiten der Bundesländer begrenzt sind. Eine vollständige Legalisierung ist nur auf Bundesebene möglich. Die Bundesländer haben etwas Spielraum bei der “geringen Menge”, beim Führerscheinrecht, bei Modellprojekten und Drug-Checking.

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Was bisher geschah & Wahlprognose

Besonders in den Grenzregionen zu Tschechien hat die Verbreitung von Stimulanzien in den letzten 10 Jahren zugenommen. Auch bei den Drogentoten rangiert der Freistaat in absoluten Zahlen regelmäßig auf den vorderen Positionen. Das liegt auch daran, dass in Deutschland mittlerweile übliche und effektive Maßnahmen wie Drogenkonsumräume und andere niedrigschwellige Hilfsmaßnahmen in Bayern bisher aus ideologischen Gründen blockiert werden.

Als Reaktion auf diese Zustände hat die Stadt Nürnberg zusammen mit Wissenschaftlern den “Nürnberger Weg” entwickelt. Dieser Ansatz sieht unter anderem die Schaffung von Drogenkonsumräumen und Drug-Checking-Programmen vor, welche allerdings bisher von der Landesregierung verhindert wurden. 

Auch bei Cannabis gilt Bayern als das repressivste Bundesland. Nirgendwo sonst sind Personenkontrollen gegen Konsumenten, anschließende Hausdurchsuchungen, harte Strafen etc. derart Normalität.

Während Bayern in Bezug auf die bisher illegalen Substanzen besonders restriktiv vorgeht, ist gleichzeitig die Bierkultur allgegenwärtig. Die Landesregierung hält Beteiligungen an Brauereien. Und in dem Bundesland findet mit dem Oktoberfest das weltweit größte Drogenfest statt. Die aktuelle Landesregierung wird gemeinsam von CSU und Freien Wählern gestellt.

Hier findet ihr aktuelle Wahlprognosen.

Die CSU gibt die Radikalopposition gegen sämtliche Liberalisierungsansätze in der Drogenpolitik. Sie lehnt das Ziel der Legalisierung von Cannabis ab und kündigt an, alle Mittel in Bewegung zu setzen, um die geplanten Modellprojekte in Bayern zu verhindern. Der viel beschworenen “Liberalitas Bavariae” setzt die CSU enge Grenzen und daher können wir Hanffreunden nicht empfehlen, ihre Stimme der Verbotspartei CSU zu schenken, sofern sie frei und selbstbestimmt leben wollen.

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Mit Ausnahme des Drug-Checkings sind die Positionen der Freien Wähler inhaltlich deckungsgleich mit denen des Koalitionspartners CSU. Eine Legalisierung oder auch Entkriminalisierung von Cannabis lehnt man rigoros ab, setzt auf den Ausbau von Prävention und predigt Abstinenz von illegalen Drogen. Der Verweis auf “Unterschiede in der sozialen Kontrolle bei Alkohol- und Cannabiskonsum” zeigt deutlich die mangelnde Einsicht in das Thema Drogenpolitik. Keine Wahlempfehlung!

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Die Grünen stehen mit ihrem Programm und den Antworten auf unsere Wahlprüfsteine einigermaßen solide da. Unsere Checkliste enthält viele grüne Häkchen. Uns fehlt allerdings ein wenig mehr Engagement und vertieftes Fachwissen. Die Grünen nutzen die Steilvorlage nicht, die repressive Politik der CSU zu kritisieren und antworten uns teilweise etwas schludrig. Dennoch reicht es für eine Wahlempfehlung.

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Das Wahlprogramm enthält einige gute Punkte in wenigen Sätzen. Die Antworten auf unsere Wahlprüfsteine liefern nochmal richtig nach. Die Unterstützung des Legalisierungskurses der Bundesregierung, die zukünftige Förderung von Modellprojekten in Bayern sowie die Haltung in der Führerscheinfrage sind begrüßenswert. Die drogenpolitischen Aktivitäten der letzten Jahre hingegen sind etwas mau dafür, dass man so dringenden Reformbedarf sieht. Auch ein ganz klares Bekenntnis zum letzlichen Ziel der Legalisierung in ganz Deutschland fehlt im Vergleich zur letzten Wahl. Insgesamt kann man jedoch als Hanffreund durchaus sein Kreuz bei der Bayern-SPD machen.

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Die AfD weiß weder mit dem Wahlprogramm noch mit ihren Antworten auf unsere Wahlprüfsteine zu überzeugen. Inhaltlich ist vieles einerseits für AfD-Verhältnisse irgendwie progressiv, aber auch wirr und widersprüchlich. Zudem wird eine klare eigene Positionierung vermieden mit Verweis auf Wissenschaft oder Bundesregierung. Man ist gegen Legalisierung aber für frei verkäufliche Medizin für alle. Aber nur wenn andere das beschließen. Eine Partei ohne konkrete Ideen, aber mit viel Populismus. Nicht wählen!

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Die FDP kann mit den umfangreichsten drogenpolitischen Inhalten aufwarten. Details wie die Forderung nach Online-Cannabis-Handel liest man selten in Landeswahlprogrammen. Auch die Antworten auf unsere Wahlprüfsteine waren überzeugend. Das Ziel einer kompletten Legalisierung von Cannabis nach kanadischem Vorbild soll weiterhin verfolgt werden und auch beim Thema Führerschein scheint man weiter als der FPD-Bundesverkehrsminister zu sein. Ebenso sind die nicht Cannabis-bezogenen Aspekte der Drogenpolitik progressiv und vernünftig. Im Parlament hat die FDP diese Inhalte auch aktiv vertreten. Ein seltenes Vergnügen: Die FDP Bayern gewinnt unseren Vergleichstest, Wahlempfehlung!

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Bei der CSU hätten wir gleich das Fazit ohne weiteren Check schreiben können. Bayern ist das repressivste Bundesland und dafür ist die CSU verantwortlich. Die CSU ist die Partei, die bundesweit am meisten Wind gegen jede Cannabisreform macht. Sie zeigt sich null reformbereit und steht dazu, weiterhin eine massive Jagd auf Cannabiskonsumenten veranstalten zu wollen. Geht gar nicht. Auch nach dem Check.

Die Freien Wähler sind inhaltlich praktisch deckungsgleich mit der CSU. Der einzige Unterschied: Sie möchten sich die Ergebnisse der anstehenden Drugchecking-Projekte in anderen Bundesländern unvoreingenommen anschauen, in ein paar Jahren dann. Ansonsten ebenfalls Prohibition pur und unwählbar.

Selbst die AfD zeigt keinen derartigen Fanatismus wie die CSU beim Kampf für die Prohibition. Eine “generelle Legalisierung” lehnt die AfD ab, befürwortet aber die medizinische Anwendung. Sogar als frei verkäufliches Medikament kann sich die AfD Cannabis vorstellen, wenn andere sich darum kümmern. Ungleichbehandlung von Cannabis und Alkohol lehnt die AfD ab. Für AfD-Verhältnisse einigermaßen progressive Ansätze, aber teilweise erscheinen die Statements wirr. Jedenfalls will die AfD das Thema eher anderen überlassen. Aber nicht EU und UN! Keine wirkliche Alternative für Hanffreunde.

Die SPD Bayern unterstützt den Reformkurs bei Cannabis, bleibt aber kurz vor einem klaren Bekenntnis zur Legalisierung stehen. Die Sozialdemokraten wollen sich erst die Ergebnisse der geplanten Modellprojekte anschauen, die sie auch in Bayern haben wollen. Korrekte Einstellung zum Führerscheinthema, mittelprächtige Aktivität im Landtag. Kann man wählen.

Die Grünen in Bayern unterstützen den Reformkurs der Bundesregierung, halten aber eine vollständige Legalisierung für “derzeit nicht umsetzbar”. Dafür greifen sie unsere alte Forderung auf, dass die Bundesländer schon im Voraus die “Geringe Menge” anheben sollen, um die Zeit bis zum Bundesgesetz zu überbrücken. Im Parlament haben sie Drogenpolitik aktiv bearbeitet. Sie verschenken aber ein paar Punkte durch schludrige Antworten auf unsere Wahlprüfsteine, aber es spricht nichts gegen ein Kreuzchen bei den Grünen.

Die FDP ist der große Überraschungssieger in diesem Vergleich. Überraschend, weil die Liberalen das selten schaffen. Überzeugend in allen Punkten: Gutes Programm, gute Antworten auf die Wahlprüfsteine, aktiv im Parlament. Schade, dass die FDP nicht überall so gut aufgestellt ist wie in Bayern! Klare Wahlempfehlung!

Sagt den Parteien eure Meinung!

Was auch immer ihr wählt, teilt den Parteien eure Meinung mit!

Deshalb nun der vielleicht wichtigste Hinweis zum Schluss: Jeder, dem Cannabispolitik am Herzen liegt, sollte den Parteien mitteilen, warum er sie gewählt oder nicht gewählt hat. Das erhöht das Gewicht einer einzelnen Stimme enorm! Es reicht ein Einzeiler wie:

SPD, Grüne, FDP: “Ich habe Ihnen diesmal meine Stimme gegeben, weil Sie sich für die Legalisierung von Cannabis einsetzen und erwarte von Ihnen, dass Sie das Thema die nächsten vier Jahre auch voranbringen!”

AfD, CSU, Freie Wähler: “Ich hätte mir vorstellen können, Sie dieses Jahr bei der Bürgerschaftswahl zu wählen, habe aber wegen ihrer repressiven Drogenpolitik davon Abstand genommen.”

Hier die passenden E-Mail-Adressen der Parteizentralen: