In den USA stehen am 6. November wichtige Volksabstimmungen zu Cannabis an; hier das Feature zum US-Staat Washington, wo über eine vollständige Legalisierung von Cannabis abgestimmt wird. Der Eigenanbau ist hier allerdings ausgeklammert. Worum geht es genau und wie stehen die Chancen?
Der Drug War Chronicle ist eine sehr gute Informationsquelle für die Vorgänge in den USA. Hier eine gekürzte Übersetzung von dessen Washington-Feature:
“Washingtons Marijuana-Legalisierungs-Initiative in guter Ausgangslage
by Phillip Smith, 27. September 2012Etwas mehr als einen Monat vor dem Wahltag scheint die I-502 Marijuana-Initiative zur Legalisierung, Regulierung und Besteuerung schon gut positioniert zu sein, um an der Wahlurne mit kraftvollen Unterstützern, einer Menge Geld und einer gesunden Führung in den Umfragen zu gewinnen. Aber noch ist sie nicht unter Dach und Fach.
I-502, die vom “New Approach Washington” durchgeführt wird, würde den Besitz von bis zu einer Unze (ca. 28 Gramm) Marijuana bei Erwachsenen von mindestens 21 Jahren oder älter legalisieren, ihnen aber den Eigenanbau nicht erlauben. Stattdessen würde ein System aus lizensiertem, besteuertem und reguliertem kommerziellem Marijuana-Anbau sowie der Weiterverarbeitung und des Einzelhandels geschaffen werden, das unter der Überwachung der staatlichen Alkohol-Kontrollbehörde (des Washington State Liquor Control Board, WSLCB) stünde. Medizinische Marijuana-Patienten sind von diesen Bestimmungen ausgenommen.
I-502 schnitt in der letzten Umfrage von vor zwei Wochen mit 57% Zustimmung ab, was eine Zunahme von 3 Punkten seit der Juni-Umfrage ist. Mittlerweile ist die Opposition gegen die Initiative in diesen Umfragen rückläufig, von 37% im Juni auf nur noch 34% in diesem Monat.
Diese guten Zahlen sind zumindest zum Teil auf die einflussreiche Liste an Befürwortern zurückzuführen, die nicht nur die üblichen Verdächtigen wie Drogenreformgruppen enthält, sondern auch Arbeiter-, Bürgerrechts-, Kinder- und Rentnergruppen, die staatliche Demokratische und die Grüne Partei und eine zunehmend länger werdende Liste der meistgelesenen Zeitungen des Landes, darunter die Seattle Times und den Olympian, die beide der Initiative innerhalb der letzten Woche beipflichteten. Ebenso mit an Bord sind etablierte Strafjustizbeamte wie der Staatsanwalt von Seattle Pete Holmes und der ehemalige US-Staatsanwalt für den westlichen Verwaltungsbezirk Wahingtons John McKay, also der Mann, der den kanadischen “Prince of Pot” Marc Emery verfolgte (welcher die Initiative ebenfalls unterstützt).
Geld hilft natürlich auch, und I-502 hat es. Die Kampagne hat bisher mehr als 3 Millionen Dollar aufgetrieben, worin $715.000 des “Drug Policy Action Network”, des Lobbyismus- und Kampagnenarms der “Drug Policy Alliance”, $821.000 des Gründers einer fortschrittlichen Versicherung und Drogenreformvaters “Warbucks” Peter Lewis, sowie $450.000 des in Seattle beheimateten Reiseschriftstellers Rick Steves enthalten sind. Das bedeutet, dass, obwohl bisher mehr als eine Million für frühe Werbekäufe ausgegeben wurden, immer noch zwei Millionen auf der Bank sind, und es werden immer noch Spenden gesammelt.
Innerhalb der Drogenreformbewegung hat die Initiative einige Kritik und teilweise vollständige Ablehnung hervorgerufen, insbesondere wegen des Vorschlags der Initiative bezüglich Cannabis und Straßenverkehr. Gemäß I-502 könnten Fahrer mit mehr als 5 Nanogramm längerfristig wirkender THC-Metaboliten im Blut pauschal wegen Fahrens unter Drogeneinfluss (Driving Under the Influence of Drugs (DUID)) verurteilt werden. Unterstützer weisen darauf hin, dass die Initiative die lang-wirksamen THC-COOH-Metaboliten aus dem Geltungsbereich der DUID-Bestimmungen ausschließen würde und dass es der Polizei untersagt wäre, Bluttests anzuordnen, wenn kein hinreichender Tatverdacht auf Fahruntüchtigkeit besteht. Weiterhin argumentieren sie, dass die Initiative das Thema Cannabis und Sraßenverkehr ansprechen muss, um sie denjenigen Wählern im Staat schmackhaft zu machen, deren Sommer sich nicht um das Hanffest drehen.
(Anmerkung DHV: Uns ist nicht ganz klar, was mit längerfristig wirksamen THC-Metaboliten gemeint ist. In Deutschland wird zur Zeit schon ab 1 ng THC pro ml Blut eine Drogenfahrt angenommen. Sollte hier das gleiche gemeint sein, läge dieser Wert immerhin fünfmal höher als in Deutschland. Außerdem wird hierzulande auch das Abbauprodukt THC-COOH mit betrachtet; es ist zwar nicht psychoaktiv, kann aber je nach Wert auf einen regelmäßigen Konsum schließen lassen, der wiederum die Fahrtauglichkeit ausschließt. Auch hier wäre das Ergebnis der Initiative also weniger konsumentenfeindlich als die Praxis in Deutschland. Wenn jemand weiß, was in diesem Text mit „longer-acting THC metabolites“ gemeint ist, möge man uns per Kommentarfunktion zu diesem Artikel aufklären..)
Der New Approach Washington gibt sich verhalten.
“Es wird knapp, weißt du, sehr knapp, alles scheint gut zu laufen, aber es sind immer noch 6 Wochen bis dahin,” sagte die Direktorin der Kampagne Allison Holcomb als Rat gegen Selbstgefälligkeit.
“Wir haben mit Sicherheit Geld, um ein ein paar Werbespots zu schalten, aber das Spendensammeln wird bis zum letzten Moment weitergehen,” sagte Holcomb. “Wir haben bereits 2 Millionen Dollar von Großspendern gesammelt, aber auch so Einiges aus lokaler Unterstützung. Menschen ohne Bezug zur Drogen- oder Marijuanapolitik machen einen Schritt nach vorne. Sie kapieren, dass wir nicht den Marijuana-Konsum vorantreiben wollen, sondern bessere Marijuana-Gesetze anstreben. Es beginnt Klick zu machen.”
Von der internen Kritik einmal abgesehen, gäbe es nur wenig organisierte Opposition, sagte Holcomb.
“Es gibt ungefähr ein halbes Dutzend Gesetzesdurchsetzungs-, Behandlungs- und Präventionsleute, die mit uns die Runde machen und mit uns diskutieren, aber dass organisierte Kampagnen gegen die Initiative gestartet würden, können wir wirklich nicht sehen,” sagte sie. “Wir sehen das als Erfolg für den Text der Initiative und die Unterstützungserklärungen an, die wir aufgreifen.”
(…)”
Übersetzt von Matthias Heyd
Wir haben einen großen Teil des Textes gekürzt, in dem es um die Streitfragen innerhalb der Szene geht, insbesondere bezüglich Cannabis und Straßenverkehr. Es kommen dort einige Vertreter der Gegner und der großen Legalize-Organisationen der USA zu Wort, s. englischer Original-Text.
DHV-Meldung vom 21.09.12: NORML – Cannabis-Initiativen führen in Umfragen
Schreibe einen Kommentar