Wenige Tage sind es nur noch bis zu den Wahlen am 6. November, wo nicht nur über den nächsten Präsidenten der Vereinigten Staaten entschieden werden soll, sondern auch eine bisher wohl noch nie dagewesene Vielzahl drogenpolitischer Initiativen zur Abstimmung steht. Im Folgenden eine recht vollständige Übersicht und einige Kommentare.
Übersetzt aus dem Drug War Chronicle:
Initiativen zur Cannabislegalisierung
Colorado – Amendment 64 würde Erwachsenen ab 21 Jahren erlauben, bis zu einer Unze (ca. 28 g) oder sechs Hanfpflanzen zu besitzen, wobei von letzteren bis zu drei erntereif sein dürften. Es würde ein System von staatlich zugelassenem Anbau, Weiterverarbeitung und Qualitätskontrolle schaffen, sowie staatlich genehmigte Verkaufsstellen. Lokalen Behörden wäre es gestattet, derartige Einrichtungen einzuschränken oder zu verbieten. Das Gesetz würde außerdem die Legislative des Bundesstaats dazu verpflichten, Gesetze zu Anbau, Verarbeitung und Verkauf von Industriehanf zu verabschieden, sowie eine Steuer auf Cannabis-Großhandel zu schaffen. Die ersten 40 Millionen Dollar aus diesen jährlichen Einkünften wären für den Bau öffentlicher Schulen vorgesehen.
Oregon – Measure 80, der ‘Oregon Cannabis Tax Act’ (OCTA), würde eine staatliche Cannabis-Kommission ins Leben rufen, die den Anbau und Verkauf von Hanf (ausgenommen Industriehanf) regulieren würde. Industriehanf würde erlaubt, aber nicht durch die Kommission reguliert. Die Kommission würde „allen qualifizierten Bewerbern“ eine Lizenz zum Anbau von Cannabis ausstellen, welches nur an die Kommission verkauft werden dürfte. In staatlichen Verkaufsstellen würde es dann durch die Kommission zu selbst gewählten Preisen weiterverkauft. Patienten, die Cannabis als Medizin benötigen, würden zum Selbstkostenpreis versorgt. OCTA würde alle staatlichen und lokalen Gesetze zu Cannabis ersetzen, mit Ausnahme der Gesetze zum Fahren unter Cannabiseinfluss. Besitz und Anbau für den Eigenbedarf durch Erwachsene würden nicht eingeschränkt.
Washington – Initiative 502 würde den Besitz von bis zu einer Unze Cannabis für Erwachsene ab 21 Jahren erlauben. Anbau zum Eigenbedarf wäre jedoch nur Patienten gestattet, die Cannabis als Medizin nutzen. Cannabisanbau, Einzel- und Großhandel würde lizensiert, mit Einschränkungen in Bezug auf Werbung. Die Regulierung würde Aufgabe des ‘Liquor Control Board’ des Staates, welches bis spätestens Dezember 2013 Regeln diesbezüglich erstellen müsste. Die Gesetzesänderung würde eine Steuer von 25 % auf Cannabisverkäufe schaffen, wobei 40 % der Einnahmen durch die Steuer in den allgemeinen Haushalt fließen würden und 60 % Präventionsmaßnahmen, Forschung und Gesundheitsversorgung zugute kommen würden. Es würde ein allgemein gültiger Grenzwert von 5 Nanogramm THC pro Milliliter Blut für den Straßenverkehr eingeführt.
Medizinisches Cannabis
Arkansas – Der ‘Arkansas Medical Marijuana Act’ würde Patienten, die an bestimmten Krankheiten leiden, den Gebrauch von Cannabis nach Empfehlung durch einen Arzt gestatten. Das Gesetz sieht ein System von staatlich genehmigten Non-Profit-Abgabestellen vor, und würde Patienten oder ihren Pflegern nur dann erlauben, ihr eigenes Cannabis anzubauen, wenn die nächste Abgabestelle mehr als 5 Meilen entfernt ist. In diesem Fall dürften sie bis zu sechs blühende Pflanzen besitzen. Patienten dürften bis zu 2,5 Unzen (ca. 60 g) Cannabis besitzen.
Massachusetts – Question 3 würde Menschen, die an einer erschöpfenden Krankheit leiden, erlauben, Cannabis mit Empfehlung ihres Arztes zu benutzen. Patienten dürften maximal einen 60-Tages-Vorrat besitzen – wieviel dies genau wäre, würde das Gesundheitsministerium festlegen. Die Initiative würde außerdem ein System von Non-Profit-Anbau und Abgabestellen schaffen.
Montana – Initiative Referendum 124 würde die letztes Jahr verabschiedete Senate Bill 423 außer Kraft setzen, welche das staatliche Medical Marijuana-Programm ausgehöhlt hatte. Bill 423 hatte das vorher geltende Programm, welches Abgabestellen erlaubte, durch ein neues System ersetzt, welches starke Einschränkungen vorsieht. So dürfen nur noch maximal 3 Patienten durch einen Versorger bedient werden, außerdem ist es Versorgern verboten, irgendeinen Gegenwert für ihre Produkte oder Dienstleistungen anzunehmen. Weiterhin gab Bill 423 lokalen Behörden die Befugnis, Versorger zu reglementieren, verschärfte die Kriterien für den Nachweis von chronischen Schmerzen und verlangte Überprüfungen von Ärzten, die mehr als 25 Patienten innerhalb eines Jahres als bedürftig bestätigten.
Strafverfolgung
Kalifornien – Proposition 36 würde das ‘Three-Strikes-Gesetz’ des Staates reformieren, welches bislang eine lebenslängliche Strafe für die dritte Straftat erlaubt. Die Gesetzesänderung würde lebenslängliche Strafen nur noch erlauben, wenn die dritte Straftat „schwer oder gewalttätig“ ist, außerdem eine Neubemessung der Strafe für ‘Lebenslängliche’ ermöglichen, falls ihre dritte Straftat nicht „schwer oder gewalttätig“ war und ein Richter befindet, dass ihre Entlassung kein unzumutbares Risiko für die öffentliche Sicherheit darstellen würde. Desweiteren würde lebenslängliche Strafe erlaubt, wenn die dritte Verurteilung für „einige nicht-schwere, nicht-gewalttätige Sex- oder Drogenvergehen oder solche, die Schusswaffenbesitz einschließen“ war. Für Straftäter, die zuvor für Vergewaltigung, Mord oder Kindesmissbrauch verurteilt wurden, bliebe die lebenslängliche Freiheitsstrafe für die dritte Straftat bestehen. Sollte Proposition 36 von den Wählern angenommen werden, könnten etwa 3000 ‘Three-Strikes-Lebenslängliche’ um Strafnachlässe ersuchen.
Lokale Initiativen
Kalifornien – Einige Städte, größtenteils im Gebiet um San Diego, werden über lokale Initiativen zur Genehmigung von Abgabestellen für medizinisches Cannabis abstimmen. Zu diesen Städten gehören Del Mar, Imperial Beach, Lemon Grove, Solana Beach und Palo Alto. Die Stadt Dunsmuir stimmt über die Lockerung von Anbauregeln ab.
Colorado – Fort Collins stimmt darüber ab, ob das letzten November eingeführte Abgabestellenverbot wieder abgeschafft werden soll, und Berthoud stimmt über Abgabestellen ab.
Michigan – Wähler in Detroit und Flint stimmen über Legalisierungsinitiativen ab, während in Gran Rapids über Entkriminalisierung abgestimmt wird. Kalamazoo stimmt über eine Initiative zur Genehmigung von Abgabestellen ab, und in Ypsilanti steht eine Initiative zur Wahl, die Cannabis zu einer niedrigsten Priorität der Strafverfolgung machen würde.
Washington – In sechs Städten – Bellingham, Bremerton, Everett, Kent, Olympia und Spokane – stimmen die Wähler ebenfalls über Initiativen ab, die Cannabis zur niedrigsten Priorität der Strafverfolgung machen würden. Lokalen Behörden würde außerdem verboten, mit Cannabis-Strafverfolgungsmaßnahmen der Bundesbehörden zu kooperieren.
Diese breite Aufstellung von Initiativen auf Staats- und lokaler Ebene stimmt einige Sprecher der Reformbewegung sehr positiv.
„Ich denke, dass in dieser Wahlperiode mindestens ein Staat Cannabis für Erwachsene legalisieren wird“, sagte Morgan Fox, Communications Director des Marijuana Policy Project. „Die Tatsache, dass wir so viele Initiativen diskutieren, ist ein Zeichen des Fortschritts. Mit all diesen Dingen, die im Gang sind, und den Menschen, die die Cannabisprohibition immer stärker satthaben, werden mehr und mehr Staaten während jeder Wahlperiode dies in Betracht ziehen, und es wird für die Kandidaten ein größeres Thema werden“, fügte er hinzu.„Politiker beginnen zu realisieren, dass sie dies zu ihrem Vorteil nutzen oder zu ihrem Nachteil ignorieren können“, sagte Fox. „Viele von ihnen haben allerdings noch nicht verstanden, was für einen starken Effekt es auf ihre Wahlen haben kann – fragen Sie bloß den ehemaligen US Attorney in Oregon, Dwight Holton. Er dachte nicht, dass seine Haltung zu Medical Marijuana ihn die Vorwahl kosten würde, aber das tat es.“
„Ich hoffe sehr, dass eine dieser Initiativen es schafft und die Debatte auf eine ganz neue Ebene hebt, und vielleicht ein bisschen Druck von Kalifornien nimmt“, sagte Dale Gieringer, Chef von California NORML. „Dies sind Staaten, wo man mit einer vernünftigen Geldsumme, die von der Reformbewegung auch aufgebracht werden kann, eine erfolgreiche Kampagne betreiben kann. Mit einer oder zwei Millionen kommt man in Kalifornien nicht besonders weit.“
Es muss aber dieses Jahr mindestens eine der Legalisierungsinitiativen gewinnen, sagte er. „Sollte Gras in den Wahlen abgeschmettert werden, wird es in Zukunft noch schwieriger, zu gewinnen.“
„Die schiere Menge von Initiativen, die dieses Jahr zur Wahl stehen und realisierbar sind, zeigt die Dynamik, welche die Bewegung für die Legalisierung von Cannabis hat“, sagte Tamar Todd, Assistant Director for National Policy der Drug Policy Alliance. „Dieser Schwung zeigt sich auch anderweitig – im laufenden Dialog, in der starken Unterstützung für die Legalisierung quer durch die Bank, in der Ablehnung der Drogenkriegspolitik der Vergangenheit“, sagte sie.
„Sieht man sich einige Regionen an, wie den Nordosten und Westen, dann sind die Zahlen noch höher“, fuhr Todd fort. „2010 hatten wir eine Legalisierungsinitiative in Kalifornien; dieses Jahr haben wir sie in drei Staaten, plus drei oder vier Initiativen für medizinisches Cannabis. Die Anzahl und die Realisierbarkeit zeigen, dass eine echte Verschiebung der öffentlichen Meinung im Gange ist. Das Ergebnis, ganz unabhängig davon, was bei diesen Wahlen passiert, ist, dass in zwei Jahren und auch darüber hinaus alle zwei Jahre die Anzahl und die Chancen weiter steigen werden, bis die Veränderungen auf Staatsebene tatsächlich stark genug sind, um die Bundesregierung zu einer Veränderung ihrer Politik zu zwingen.“
Die Initiativen stehen auf dem Wahlzettel. Jetzt müssen sie nur noch gewinnen.
Einleitung und Übersetzung von frihet
DHV-Meldung vom 21.09.12: NORML – Cannabis-Initiativen führen in Umfragen
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