In den USA stehen am 6. November wichtige Volksabstimmungen zu Cannabis an; hier das Feature zum US-Staat Oregon, wo ein besonders konsequenter Legalisierungsvorschlag zur Abstimmung steht. Worum geht es genau und wie stehen die Chancen?
Der Drug War Chronicle ist eine sehr gute Informationsquelle für die Vorgänge in den USA. Hier eine gekürzte Übersetzung von dessen Oregon-Feature:
Oregons ‘Measure 80’ sieht einem harten Kampf entgegen
von Phillip Smith, 10. Oktober, 2012Von den drei Marijuana-Legalisierungs-Initiativen, die dieses Jahr zur Wahl stehen, ist Oregons ‘Measure 80’, auch bekannt unter dem Namen ‘Oregon Cannabis Tax Act’, die radikalste. Aus vielerlei Gründen sieht es auch danach aus, als ob die Chancen schlechter stehen als bei den anderen beiden. In der einzigen neueren Umfrage, die letzten Monat von SurveyUSA gemacht wurde, lag ‘Measure 80’ mit 37% Zustimmung zu 41% Ablehnung zurück, allerdings bei einem großen Anteil von Unentschlossenen (22%). Obwohl Meinungsforscher sagen, dass das Rennen noch so oder so ausgehen könne und Teile der Kampagne auf die hohe Zahl der Unentschlossenen verweisen, ist jede Initiative in Schwierigkeiten, die so kurz vor der Wahl mit unter 50% Zustimmung abschneidet.
Das ist schade, denn ‘Measure 80’ würde das Marijuana Verbot in Oregon gänzlich aufheben; den persönlichen Besitz und den Anbau durch Erwachsene ab 21 Jahren erlauben; eine Behörde zur Besteuerung, Regulierung und Lizensierung kommerzieller Anbauer, Weiterverarbeiter und Verkäufer von Cannabis schaffen (‘Oregon Cannabis Commission’); und explizit die industrielle Hanfproduktion erlauben.
Im Gegensatz zu Washington’s I-502 würde ‘Measure 80’ auch keinen Standard einführen, der das Fahren unter Marijuanaeinfluss regelt; stattdessen würde die Initiative auf die geltenden Gesetze des Staates setzen. Sie würde Strafen für den Anbau ohne Genehmigung festlegen, sowie für den Verkauf von Oregon-Marijuana außerhalb des Bundesstaates und die Abgabe an Minderjährige.
Der Unternehmer in Sachen Medizinisches Marijuana und Langzeit-Hanf- und Legalisierungsaktivist Paul Stanford setzte in erster Linie auf seinen persönlichen Reichtum, um die Unterschriftensammelaktion für die Kampagne der Initiative zu finanzieren, aber es scheint, als habe er damit seine Taschen weitgehend geleert, und die “Yes on 80” Kampagne hat quasi kein Geld mehr auf der Bank. Ein politisches Aktionskomitee, das zur Unterstützung von ‘Measure 80’ gegründet wurde (‘Oregonians for Law Reform’ – Oregoner für Gesetzesreform), hat ebenso Spenden gesammelt, kam aber bislang nur auf einige tausend Dollar.
“Wir denken, dass wir gerade so durchkommen und ein wenig Geschichte machen könnten,” sagte der Manager der Kampagne ‘Vote 80’ Roy Kaufmann. “Wir haben das schon mal geschafft — wir haben die Alkoholprohibition 1932 aufgehoben und wenn wir den durch die Prohibition für unser Land angerichteten Schaden thematisieren, ist das ein sehr nützliches Argument. Wir haben uns erst im Juli für die Abstimmung qualifiziert und die Wählerschaft ist im Augenblick in etwa gleich große Teile gespalten – allerdings bei vielen Unentschlossenen. Wir denken, dass wir die unentschlossenen Wähler erreichen können.”
“Gemäß der letzten Umfrage ist es ein Lotteriespiel,” sagte Stanford. “Das ist zwar für dieses Stadium der Kampagne nicht komfortabel” gab er zu, “aber wir haben immer noch eine große Zahl an Unentschlossenen und wir müssen einfach die Nachricht verbreiten, wie unsere Initiative die öffentliche Sicherheit verbessern würde. Außerdem würden finanzielle Mittel für neue Technologien und Studien zur Beeinträchtigung bereitgestellt und Kontrollmöglichkeiten eingerichtet werden, um zu vermeiden, dass Marijuana in Kinderhände oder außerhalb des Staates gerät.”
Laut Stanford müsste sich die Kampagne die Aufmerksamkeit der Medien erarbeiten oder, in anderen Worten, darauf setzen, dass in den staatlichen Massenmedien Nachrichten generiert werden, weil schlicht das Geld für teure bezahlte Medienkampagnen fehlt. Vor ungefähr einer Woche hat die Kampagne berichtet, dass nur noch $1.800 auf der Bank seien.
‘Oregonians for Law Reform’ habe bisher ungefähr $4,000 für die Kampagne aufgebracht, sagte deren Sprecher Sam Chapman.
“Wir werden das Geld für Werbung, Telefon-Aktionen und Dinge wie Aufkleber verwenden. Und wir werden ebenso Studenten mobilisieren, um deren Umfeld zu erreichen,” sagte der frühere Präsident der Ortsgruppe der ‘Students for Sensible Policy’ (Studenten für vernünftige Politik) der Universität von Oregon. “Die Mehrheit der Wähler von Oregon ist sich gar nicht darüber im Klaren, dass das Thema überhaupt zur Wahl steht — wenn wir die erreichen, bevor sie die negativen schrägen Informationen aus den Medien bekommen, haben wie eine gute Chance noch viele Stimmen zu gewinnen, vor allem unter Studenten, denn die brauchen nicht viel Überzeugungsarbeit.”
Obwohl ‘Oregonians for Law Reform’ in Zukunft umfassendere Gerechtigkeitsarbeit in Sachen Kriminalität machen könnte, wurde es in erster Linie als Vehikel für die Durchsetzung des ‘Measure 80’ ins Leben gerufen, sagte Chapman.
“Wir haben das politische Aktionskomitee am 15. September mit einer doppelten Absicht begonnen: einmal um Geld für ‘Measure 80’ zu sammeln, aber auch um als eigenständige komplementäre Gruppe zu der Maßnahme und der Kampagne zu agieren,” sagte er. “Als wir begannen, hofften wir, dass wir die Tür für Großspender von Außerhalb geöffnet bekämen, aber es sieht so aus, als hätten die sich auf Washington und Colorado festgelegt. Wir anerkennen das und versuchen nun, eine Basiskampagne zu machen.”
Im Gegensatz zu den Initiativen in Colorado und Washington hat es ‘Measure 80’ nicht fertig gebracht, die großen Geldgeber anzuziehen, wie zum Beispiel Peter Lewis von der ‘Progressive Insurance’, oder auch den Lobbyarbeit- und Kapagnenarm der ‘Drug Policy Alliance’, das ‘Drug Policy Action Network’, oder das ‘Marijuana Policy Project’. Diese Gruppen haben Millionen Dollar in andere Initiativen einfließen lassen, aber nicht in Oregon.
Der Kommunikationsdirektor des ‘Marijuana Policy Projects’ Morgan Fox spricht zwar nicht direkt Oregon an, aber er erklärte, was die Gruppe dazu bewog, das Geld in die Bestrebungen Colorados zu stecken.
“Verschiedene Faktoren machten diesen Staat attraktiv, um sich um die Initiative zu bemühen,” sagte Fox. “Zum einen, dass die Umfragewerte in den vergangenen Jahren gut aussahen und keine Zeichen großer Schwankungen aufwiesen. Zum zweiten, dass es bereits eine blühende Industrie für Medizinisches Marijuana und Regulierungsstrukturen vor Ort gibt, die ein ungefähres Beispiel dafür liefern, wie der Staat nach einer Annahme des Amendment 64 aussehen würde, was es sehr erleichtert, unsichere Wähler zu überzeugen und die Argumente der Befürworter konkreter werden ließe. Drittens gab es in diesem Staat eine gut etablierte Aktivistengemeinschaft, die effektiv, organisiert und eifrig bemüht war, sich vorwärts zu bewegen. Dieser letzte Aspekt ist sehr wichtig, denn die meisten Wahlinitiativen sind wirklich das Produkt dieser lokalen Basisaktivisten innerhalb eines Staates, die einen Plan zusammenstellen, der die Aufmerksamkeit von nationalen Organisationen gewinnt, die zu bestimmen versuchen, wie sie ihr allzu knappes Geld am sinnvollsten einsetzen können.”
“Die beiden anderen Initiativen sind konzipiert, verfasst und abgestimmt worden und dann zur Wahl gestellt worden von Organisationen, die über das Geld dazu bereits verfügten,” sagte Stanford.
“Die großen Spender sahen Colorado und Washington plötzlich aus dem Boden sprießen,” sagte Chapman, “und die Organisatoren machten eine Menge Kompromisse, um in den Umfragen besser abzuschneiden und bestimmte Gruppen ins Boot zu holen, z.B. das Verbot des Fahrens unter Cannabiseinfluss in Washington — was eine Konzession an die Ordnungskräfte und die besorgte Mütter-Fraktion darstellte. ‘Measure 80’ tritt wohl mehr für die persönlichen Freiheitsrechte ein als Colorado oder Washington.”
Auch wenn ‘Measure 80’ nicht sehr viel finanzielle Unterstützung erlangen konnte, ist es wenigstens auch von einer großen organisierten Opposition verschont geblieben. Während lokale Gesetzeshüter und die Redaktionsleitungen konservativer Zeitungen sich dagegen aussprachen, war die bedeutendste Oppositionspräsenz das Erscheinen einiger oft verspotteter Werbetafeln, die von der ‘Drug Free America Foundation’ bezahlt wurden, die ihren Sitz in Florida hat.
Während die Uhr tickt, gibt sich Stanford kämpferisch. “Wir haben eine Chance; wir können immer noch gewinnen,” sagte er. “Ich bin immer noch optimistisch, dass die Marijuana-Reforminitiativen in allen drei Staaten durchkommen und den persönlichen Marijuanabesitz und Verkauf grundsätzlich legalisieren können. Das wäre für den Krieg gegen Drogen das, was der Fall der Berliner Mauer für den Kalten Krieg war.”
(…)
Übersetzung von Matthias Heyd
Die Kürzung am Ende betrifft einige Aussagen dazu, was passiert, wenn die Initiative nicht angenommen wird.
DHV-Meldung vom 21.09.12: NORML – Cannabis-Initiativen führen in Umfragen
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