In den USA stehen am 6. November wichtige Volksabstimmungen zu Cannabis an; hier das Feature zu Colorado, wo über eine vollständige Legalisierung von Cannabis abgestimmt wird. Worum geht es genau und wie stehen die Chancen?
Der Drug War Chronicle ist eine sehr gute Informationsquelle für die Vorgänge in den USA. Hier eine gekürzte Übersetzung von dessen Colorado-Feature:
Colorados Zusatzartikel 64 ist auf der Zielgeraden
by Phillip Smith, 19. September 2012Angesichts der Tatsache, dass nur noch einige Wochen bis zum Wahltag übrig sind, ist die Initiative zum 64. Zusatzartikel von Colorado, mit der über die Besteuerung und Regulierung des Marijuana-Marktes abgestimmt wird, gut aufgestellt, um am 6. November zu gewinnen, und seine Unterstützer werden alles in ihrer Macht stehende dafür tun, dies zu gewährleisten. Die Gegenseite allerdings schaltet auch einen Gang höher, so dass die Wochen bis zur Wahl kritisch werden.
Der 64. Zusatzartikel würde es Erwachsenen ab 21 Jahren erlauben, eine Unze (ca. 28 Gramm) Marijuana zu besitzen, sowie bis zu 6 Pflanzen in einem abgetrennten und abgeschlossenen Bereich anzubauen. Ebenso würde der Anbau, die Verarbeitung und der Verkauf von Industriehanf (Faserhanf) erlaubt. Darüber hinaus würde ein staatlich reguliertes Anbau-, Verarbeitungs-, und Verteilungssystem geschaffen, das auch den Einzelhandel einschließt.
Sollte der Staat den Marijuanahandel nicht einheitlich regeln, könnten auf kommunaler Ebene Lizenzen vergeben werden. Das würde dann auch das Recht einschließen, den Handel örtlich zu verbieten, entweder durch gewählte Offizielle oder aber auch durch bürgerinitiierte Abstimmungsmaßnahmen.
Falls der 64. Zusatz durchkäme, könnte der Gesetzgeber eine bis zu 15%-ige Verbrauchssteuer auf den Großhandel verfügen, wobei die ersten 40 Millionen $ der jährlichen Einkünfte dem “Public School Capital Construction Assistance Fund” zugutekommen würden. Einhergehend mit den Steuergesetzen Colorados (Colorado Taxpayer Bill of Rights (TABOR) ) sollte eine solche Zunahme der Steuereinnahmen von den Wählern bewilligt werden.
Der 64. Zusatzartikel ändert nichts an den bestehenden medizinischen Marijuana-Gesetzen, aber er wird medizinisches Marijuana aus der vorgeschlagenen Verbrauchssteuer ausnehmen. Für gegenwärtige Patienten würde durch die Annahme des 64. Zusatzartikels die Privatsphäre ausgeweitet, weil keine Registrierung verlangt werden würde – außer einer Bestätigung der Volljährigkeit.
Der 64. Zusatzartikel erhöht auch nicht die Sanktionen wegen aktueller Verstöße gegen die Marijuana-Gesetze oder fügt gar neue hinzu, wie es auch keine Änderung bezüglich der Verkehrsdelikte “unter dem Einfluss” von Marijuana beinhaltet (obwohl ein dieses Jahr erneut eingebrachter Gesetzesentwurf ein pauschales Fahrverbot bei DUID-Verstößen (“driving under the influence”) anstrebte.)
Die Bestimmungen der Initiative scheinen weitgehend populär. Gemäß der jüngsten Umfrage, die am Samstag von SurveyUSA für die Denver Post gemacht wurden, führt der 64. Zusatzartikel mit 51 % Zustimmung, bei 40% Ablehnung und 8% Unentschlossenen.
Die SurveyUSA/Denver Post-Umfrage ähnelt den Ergebnissen anderer aktueller Umfragen, markiert aber die erste Überschreitung der 50%-Marke für die Unterstützung der Initiative in den letzten Monaten – mit einer Ausnahme, der June Rasmussen-Umfrage, die 61% Unterstützer festgestellt hat. Der von der TPM (Talking Points Memo PollTracker) ermittelte Durchschnittswert, der diese letzte Umfrage bereits beinhaltet, zeigt gegenwärtig 49,7% Zustimmung für den 64. Zusatzartikel bei 39,9% Ablehnung.
Dieser 10-Punkte Vorsprung hat die Unterstützer zwar erfreut, jedoch nicht selbstzufrieden werden lassen.
“Es gibt sicherlich einen netten positiven Trend in den Umfragen der letzten Monate, aber wir werden in unseren Bestrebungen, um weitere Unterstützung zu werben, nicht locker lassen”, sagte Mason Tvert von der “Kampagne zur Regulierung von Marijuana wie Alkohol” (Campaign to Regulate Marijuana Like Alcohol), der federführenden Organisation der Abstimmungskampagne.
“Wir haben ein gutes Gefühl, aber gleichzeitig werden wir unsere Anstrengungen verdoppeln, um das Ganze zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen.” sagte Brian Vicente von Sensible Colorado, der Teil der Kampagne ist. “Bisher hat noch keine Versteuerungs- und Regulierungsabstimmung die erforderliche Mehrheit erreicht. Es wird ein schwerer Kampf, aber wir sind zuversichtlich.”
“Im Ganzen sieht es gut aus, die Umfragewerte stimmen, und wir beginnen, die Ernte innerhalb der fortschrittlichen Gemeinde einzubringen”, sagte Art Way, der für Colorado zuständige Lobbyist des Drug Policy Action Network, einer Unterorganisation der Drug Policy Alliance, die für Lobby und Kampagnen zuständig ist.
Die Kampagne hat genügend finanzielle Unterstützung, um die Distanz zu überwinden, obwohl man natürlich immer nach mehr Ausschau hält. Die Kampagne zur Regulierung von Marijuana wie Alkohol (Campaign to Regulate Marijuana Like Alcohol), die den Hauptgeldgeber – wenn auch nicht den einzigen – der Kampagne darstellt, hat bisher gemäß den Angaben ihres Sprechers nahezu 1 Million Dollar eingenommen. Verwandte Kampagnenausschüsse haben weitere ca. $50.000 aufgebracht.
“Wir haben jede Menge Unterstützung aus dem Bundessaat und dem ganzen Land gesehen und werden das auch weiterhin bis zur Wahl sehen,” sagte Tvert. “Es sieht danach aus, dass das bis zur letzten Minute so weiter geht, so späte Spenden werden sogar noch größere Auswirkungen haben als jemals zuvor.”
“Mit nur noch $87.000 auf dem Bankkonto mag die Kasse der Kampagne relativ leer erscheinen, aber der Schein trügt,” sagte Vicente.
“Wir haben Werbespots im Gegenwert von $800.000 geschaltet, die im Oktober anlaufen werden, und wir haben diesen Sendeplatz Monate im Vorhinein gekauft, weil das billiger ist,” erklärte er. “Es kommen gottlose Summen an Präsidentschaftswahlkampfgeldern herein im Moment.”
Die einzige organisierte Opposition bisher, Smart Colorado, hat im Gegensatz dazu nur ungefähr 162.000 $ aufgetrieben, wobei ein Großteil davon vom Dauer-Drogenkriegs-Eiferer Mel Sembler von der Stiftung für ein drogenfreies Amerika (Drug-Free America Foundation) kam. Und diese hat sich selbst auf gelegentliche Presseveröffentlichungen und das Beantworten von Reporterfragen beschränkt. Dennoch hat sie mehr Geld als noch 2006 als eine ähnliche Initiative mit 41% der Stimmen verloren ging.
“Ich habe noch nie erlebt, dass die Opposition so viel Geld zur Verfügung hat,” sagte Tvert. “Im Jahr 2006 stellten sie nur ca. $50.000 bereit. Trotzdem ist es eine Tatsache, dass unsere Gegner auf Angstmacherei und Panikmache setzen und sich mit den Gesetzesvollziehern und der Behandlungs-Industrie für Drogenkonsumenten verbünden werden, die von einer Aufrechterhaltung des Status Quo der Prohibition profitieren.”
[…]
“Die Kampagne zum 64. Zusatzartikel ist selbstsicher, erfahren und bereit, im November den Sieg einzufahren. Sie hat Schwachstellen in ihrer Unterstützung erkannt und ist dabei diese auszugleichen. Jetzt – etwas mehr als 6 Wochen vor der Wahl – hat sie zwar noch 9 oder 10 Punkte Vorsprung, aber aus Erfahrungen mit sich totlaufenden vorhergehenden Initiativen ist zu erwarten, dass dieser Vorsprung mit dem Näherkommen des Wahltags schmilzt. Der Sieg ist zwar in Reichweite, aber es wird eine Zitterpartie werden.”
Übersetzung von Matthias Heyd, leicht überarbeitet von Georg Wurth
Wir haben einen großen Teil des Textes gekürzt, in dem es darum geht, welche Widerstände es gibt, sowohl innerhalb der Szene als auch außerhalb. Anders als bei Abstimmungen in anderen US-Staaten ist sich die Szene in Colorado relativ einig, was diese Initiative angeht, auch deshalb, weil der Eigenanbau berücksichtigt wurde. Als kritische Gruppe werden Eltern ausgemacht, die es jetzt noch zu gewinnen gilt.
Für den DHV ist natürlich interessant, wie viel Geld in diese Abstimmungen fließt. Über eine Million Euro, die allein für PR-Maßnahmen in Sachen Abstimmung zur Verfügung stehen, das ist Lichtjahre vom DHV-Budget entfernt, obwohl letzteres ständig wächst. Es ist noch ein weiter Weg, bis wir auch in Deutschland US-Verhältnisse haben werden…
DHV-Meldung vom 21.09.12: NORML – Cannabis-Initiativen führen in Umfragen
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