Hinweis
Dieser Prozess ist Teil unserer Kampagne „richtungsweisende KCanG-Prozesse„, die wir 2024 finanziert durch eure Weihnachtsspenden starten konnten.
Die Staatsanwaltschaft Bayreuth hat ein Ermittlungsverfahren gegen zwei Mitbewohner, die jeweils drei Cannabispflanzen auf ihrer Terrasse angebaut hatten, eingestellt. Die Rücksprache des Verteidigers mit der Staatsanwaltschaft ergab, dass die Staatsanwaltschaft in diesem Fall die „räumliche Trennung“ der Pflanzen als gegeben ansah. Dennoch wurden bei der Hausdurchsuchung alle Pflanzen abgeschnitten und beschlagnahmt. Rechtsanwalt Moritz Hausmann (Kanzlei CCI-Legal) macht nun mögliche Schadensersatzansprüche der Betroffenen gegen den Freistaat Bayern geltend.
Was war geschehen?
Polizisten in Bayreuth hatten aus ihren Büroräumen Einsicht auf den Balkon unseres DHV-Mitglieds. Da die Pflanzen bereits relativ groß und buschig gewachsen waren, gingen die Polizeibeamten nach eigenen Angaben davon aus, dass es sich um mindestens acht Cannabispflanzen handeln müsse, die auf dem Balkon standen. Nachdem die Polizei über das Einwohnermeldeamt festgestellt hatte, dass in der Wohnung nur zwei Personen gemeldet waren, bestand der Anfangsverdacht, dass dort mehr als die erlaubten drei Pflanzen pro Person angebaut wurden.
Bei der Durchführung der Hausdurchsuchung, die zuvor vom zuständigen Ermittlungsrichter mündlich genehmigt worden war, stellte die Polizei jedoch fest, dass sich auf dem Balkon insgesamt nur sechs – und nicht acht – Pflanzen befanden. Drei der Pflanzen standen an der Hauswand, die anderen drei am Balkongeländer.
Dennoch bestanden die Polizeibeamten darauf, alle Pflanzen zu beschlagnahmen und mitzunehmen. Dabei wurden die Pflanzen nicht etwa in den Anzuchttöpfen mitgenommen, sondern vor Ort am Stamm abgeschnitten. Das Pflanzenmaterial wurde in Plastiktüten verpackt und versiegelt.
Nach Rücksprache von Rechtsanwalt Hausmann mit der Staatsanwaltschaft kam diese einige Wochen später zu dem Ergebnis, dass die auf dem Balkon befindlichen Cannabispflanzen „räumlich voneinander getrennt“ waren. Man könne der Beschuldigten daher nicht nachweisen, dass die sechs Pflanzen in „bewusstem und gewolltem Zusammenwirken zum Eigenkonsum“ angebaut worden seien.
Was dem Normalbürger beim Lesen der Geschichte eigentlich sofort einleuchtet, führte auch bei der Staatsanwaltschaft Bayreuth zu der Auffassung, dass sich die beiden Mitbewohner natürlich nicht strafbar gemacht hatten. Das Verfahren wurde gegen beide Beschuldigten ohne Auflagen eingestellt (sog. Freispruch im Ermittlungsverfahren).
Zum Zeitpunkt dieser Entscheidung durch die Staatsanwaltschaft war das beschlagnahmte Cannabis natürlich längst verrottet.
Was steht hinter der Entscheidung?
Da das KCanG noch relativ jung ist und das Gesetz viel Interpretationsspielraum lässt, ist noch nicht abschließend geklärt, wie genau der Anbau bei gemeinschaftlich genutztem Wohnraum (z.B. bei einer Wohngemeinschaft) zu erfolgen hat. Höchstrichterliche Rechtsprechung, die hier für Klarheit sorgen wird, ist momentan noch Mangelware. Fest steht, dass jeder Erwachsene gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 KCanG berechtigt ist, drei lebende Cannabispflanzen in seiner Wohnung anzubauen. Diese Pflanzen sind gemäß § 10 KCanG durch geeignete Maßnahmen und Sicherheitsvorkehrungen vor dem Zugriff Dritter, insbesondere von Kindern und Jugendlichen, zu schützen.
Für den gleichzeitigen Eigenanbau durch mehrere Personen in derselben Wohnung sieht das Gesetz keine expliziten Regelungen vor. Wie der Entscheidung der Staatsanwaltschaft Bayreuth zu entnehmen ist, wird dort wohl das Kriterium der räumlichen Trennung als entscheidend angesehen. Folgt man dieser Logik, dürfte es also ausreichen, wenn die Pflanzen des einen Bewohners nicht unmittelbar neben den Pflanzen des anderen Bewohners stehen. Besondere Schutzmaßnahmen, wie ein Zaun oder ähnliches, sind zumindest nach dieser Entscheidung also keine Voraussetzung für den legalen Anbau, wenn sich keine Kinder in der Wohnung aufhalten. Zwingend erforderlich ist aber wohl eine klare Vereinbarung zwischen den Mitbewohnern, dass die jeweiligen Pflanzen dem anderen gehören und nur er damit machen kann, was er will, und der andere kein Zugriffsrecht auf die Pflanzen hat.
Leider ist es aber weiterhin so, dass die Auslegung des Gesetzes örtlich unterschiedlich gehandhabt wird. Rechtssicherheit könnte eine Gesetzesänderung, die solche Fälle regelt, oder gefestigte Rechtsprechung, herbeiführen.
Wie geht es weiter?
Nachdem das Verfahren gegen die Betroffene und ihren Mitbewohner eingestellt wurde, die sichergestellten Pflanzen aber zerstört wurden, besteht die Möglichkeit, dass das Bundesland Bayern nun zum Schadensersatz verpflichtet ist. Denn – wie es sich zumindest im Nachhinein herausgestellt hat – haben sich die beiden Mitbewohner nicht strafbar gemacht. Folglich hätten auch ihre Pflanzen von der Polizei nicht zerstört werden dürfen.
Gemeinsam mit Rechtsanwalt Moritz Hausmann und mit Unterstützung des DHV hat eine der betroffenen Personen nun ein Schadenersatzverfahren gegen den Freistaat Bayern eingeleitet. Das zuständige Amtsgericht Bayreuth muss nun zunächst entscheiden, ob ein Schadensersatzanspruch tatsächlich besteht. Wir werden euch über den Gang dieses Verfahrens natürlich auf dem Laufenden halten.
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