Inzwischen liegen die ersten Reaktionen der Parteien und Verbände zur gestern vorgestellten nationalen Strategie zur Drogen- und Suchtpolitik vor. Darunter sind zwei besonders bemerkenswerte Statements: Die SPD bemängelt das Fehlen von Entkriminalisierung sowie Harm Reduction und der Deutsche Brauer-Bund lobt die Drogenbeauftragte für ihre liberale Alkoholpolitik.
Die SPD schreibt in ihrer Pressemitteilung “Strategie zur Drogen- und Suchtpolitik enthält zu wenig wirkungsvolle Maßnahmen”: Die Drogen- und Suchtstrategie der Bundesregierung beschreibt und lobt im Wesentlichen den Ist-Zustand, der jedoch aus der Politik der Vorgängerregierungen resultiert. Es gibt keinerlei neue Impulse für die Drogen- und Suchtpolitik. Es ist die Rede vom “Prüfen” und es gibt unverbindliche und unkonkrete Forderungen nach “strengen” Regeln und “Verbesserungen”. Das reicht aber nicht aus. Wenn das überhaupt eine Strategie ist, dann lässt sich diese bestenfalls als Strategie des Aussitzens bezeichnen. […] Die Strategie sieht keinen Ausbau der Entkriminalisierung Süchtiger und der Schadensreduzierung vor. Die bundesweit überfällige einheitliche Regelung der “geringen Menge” bei der Strafverfolgung von Cannabis-Konsumenten kommt gar nicht vor.
Eine solche Aussage von der SPD ist ein kleiner, aber deutlicher Fortschritt. Sie zeigt, dass die SPD das Problem der Kriminalisierung inzwischen erkannt hat und bereit ist selbst Initiative zu zeigen – das ist deutlich mehr Engagement als es in den letzten Jahren gab.
Das Lob des deutschen Brauer-Bundes spricht für sich, er begrüßt die “Alkoholpolitik der Bundesregierung / Nationale Strategie der Drogenbeauftragten zielt in richtige Richtung, muss sich aber auch Kritik von den deutschen Brauern gefallen lassen“. Schon in meiner 100 Tage Dyckmans Bilanz kritisierte ich: Einzig im Bereich Alkoholpolitik war Dyckmans zu hören, mit dem FDP-üblichen wirtschaftsliberalen Mantra: Selbstverpflichtung des Handels, keine verschärften Gesetze – verkündet wird sowas im besten Mövenpickstil auf einer Pressekonferenz des Bundesverbandes der Deutschen Spirituosen-Industrie und -Importeure (BSI).
Schön wäre es, wenn der letzte Absatz der Pressemitteilung der Brauer für alle Drogen Gültigkeit besäße, dann könnte er von uns kommen: Hahn schließt mit der Bemerkung, dass die deutschen Brauer mit der Bundesregierung die Überzeugung teilen, dass Aufklärung und Prävention der einzig richtige Ansatz sind, anstatt Verbote auszusprechen, die , wie es die Erfahrung zeigt, ohnehin umgangen werden und die verantwortungsbewussten Konsumenten nur noch mehr einschränken.
Die Grüne Jugend fordert routiniert: “Drogenmündigkeit und Legalisierung statt Repression”, deren Bundesvorstand schreib weiter:
„Das Strategiepapier ist kein ‘richtungsweisender Schritt für die Drogen- und Suchtpolitik der nächsten Jahre’ sondern eine blauäugige Fixierung des bestehenden Repressionssystems, geschmückt mit warmen Worten á la ‘Der Mensch steht im Mittelpunkt’. Die Drogenbeauftragte blockiert alle modernen Ansätze wie Drugchecking oder Cannabis Social Clubs und weiß keine Antwort auf die Flut der Legal Highs als weitere Verbote. Sie ignoriert die flächendeckende Verbreitung von Streckmitteln in Drogen wie Cannabis ebenso wie die Erfolge der Entkriminalisierung im europäischen Ausland wie Portugal. Statt undifferenzierter Verbote und Bevormundung fordert die GRÜNE JUGEND einen legalen und regulierten Markt für alle Drogen. Die Risiken des Schwarzmarktes lassen sich nur durch Drogenfachgeschäfte beseitigen.
Die GRÜNE JUGEND fordert zudem mehr Suchtprävention durch die Förderung von Drogenmündigkeit. Dafür muss die Abstinenzfixierung in der Prävention zugunsten des Ziels eines mündigen und kontrollierten Konsums (oder Nichtkonsums) ausgegeben werden. Ebenso muss der Staat endlich ausreichend Mittel zur Verfügung stellen. Derzeit erhält die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung acht Millionen Euro für Suchtprävention aus dem Bundeshaushalt – parallel dazu gibt die öffentliche Hand jährlich 4 Milliarden für Repression aus (2/3 der Gesamtausgaben im Bereich illegale Drogen). Die Bundesregierung muss die Probleme, die es mit Drogen gibt, ebenso wie jene, die es aufgrund ihrer Drogenpolitik gibt, ernst nehmen und endlich auf alternative Konzepte setzen anstatt weiterhin den Irrweg der Prohibition und Abstinenz zu gehen.“
Bei den Grünen schrammt Dyckmans knapp an einer Rücktrittsforderung vorbei, unter der Überschrift “Dyckmans legt Drogen- und Suchtpolitik still” fordert Harald Terpe, Sprecher für Drogen- und Suchtpolitik: Für diese Strategie hat die Drogenbeauftragte eine Stillegungsprämie verdient; von einem Aktionsplan kann nicht mehr gesprochen werden. Dafür, dass eine neue Strategie jahrelang angekündigt wurde, ist das heute vorgestellte Ergebnis kümmerlich. […] Eine wissenschaftliche Überprüfung des Repressionsansatzes, insbesondere bei Cannabis, findet weiterhin nicht statt.
Der Verband Privater Rundfunk und Telemedien e.V. äußert sich positiv und hofft weiter auf wenig gesetzliche Einschränkungen: “Mit Blick auf die für den Bereich der Alkoholwerbung vorgesehene Evaluierung der Werbeselbstkontrolle ist der VPRT davon überzeugt, dass mit dem Dreiklang aus den Verhaltensregeln des Deutschen Werberats, den Beschwerdemöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger beim Deutschen Werberat und der Werbevorkontrolle zusätzlich zu umfangreichen gesetzlichen Regelungen ein wirksamer Maßnahmenmix existiert, um insbesondere den notwendigen Schutz von Minderjährigen zu gewährleisten.”
Frank Tempel, drogenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE fordert “Drogen- und Suchtpolitik grundlegend ändern” und schreibt das Offensichtliche: “Bereits jetzt ist aber klar, dass es der Bundesregierung beim neuen Plan um keine grundlegenden Änderungen im Drogen- und Suchtbereich geht. Es handelt sich vielmehr um ein Lippenbekenntnis. Sie will bei ihrer bisherigen Verbots- und Kriminalisierungspraxis bleiben.” Ebenfalls bezweifelt er, “ob sich die Drogenbeauftragte bei der anstehenden Neuregelung der Spielverordnung gegen die wirtschaftlichen Interessen des Bundeswirtschaftsministeriums durchsetzen kann.”
Auf Facebook schreibt Tempel zudem: Die Bundesdrogenbeauftragte Mechthild Dyckmans (FDP) konnte sich mit einem Werbeverbot für Tabak im eigenen Kabinett nicht durchsetzen. Beim Thema Alkohol und Werbung sagt Sie: “Wir glauben, dass die Selbstregulierung der Werbung hier tatsächlich greift.” – Eine schlichtweg unglaublich freche Aussage.
Der innen- und rechtspolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Stephan Mayer fordert einen breiten Ansatz “im Kampf gegen den gefährlichen Konsum von Rausch und Suchtmitteln” der von “repressive Elementen” flankiert werden soll und ja, die Linke und die Piraten sind böse Drogenverharmloser…
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