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„Offene Mail“ an SPD-Verhandler: Vorwärts bei Cannabis – Nie wieder kriminell!

In einer „Offenen Mail“, die wir hier dokumentieren, hat DHV-Sprecher Georg Wurth heute den Mitgliedern des für „Gesundheit“ zuständigen Verhandlungsteams der SPD geschrieben und sie bestärkt, beim Cannabisgesetz gegenüber der Union standhaft zu bleiben. Dabei räumt er mit diversen Fake-Argumenten auf und betont die Vorteile von Eigenanbau und Anbauvereinen.

(Update: Am 20.03. ging die Mail zur Kenntnis auch an die Chef-Verhandler der SPD: Anke Rehlinger, Manuela Schwesig, Achim Post, Saskia Esken, Bärbel Bas, Lars Klingbeil, Hubertus Heil, Matthias Miersch, Boris Pistorius.)

An: Katja Pähle, Karl Lauterbach, Sabine Dittmar, Clemens Hoch, Petra Köpping, Matthias Mieves, Andreas Philippi

Vorwärts bei Cannabis – Nie wieder kriminell!

Sehr geehrte Mitglieder des SPD-Verhandlungsteams Gesundheit!

Mit großer Wahrscheinlichkeit müssen Sie sich zur Zeit mit der Forderung der Unionsparteien auseinandersetzen, das Cannabisgesetz (CanG) “zurückzudrehen” oder auf die eine oder andere Weise zu verschärfen. 

Ich möchte Sie bitten, diesen Forderungen nicht nachzugeben, sondern die eingeleitete Reform weiter voranzutreiben und mehr legale Bezugsmöglichkeiten zu schaffen, insbesondere über Cannabis-Fachgeschäfte für Erwachsene. Solange EU-Recht einer flächendeckenden Umsetzung entgegensteht, können Sie zumindest über kommunale Modellprojekte diese Entwicklung fortsetzen und gleichzeitig wissenschaftlich begleiten. 

„Cannabis sollte in Deutschland für Volljährige legal und reguliert erhältlich sein, zum Beispiel über Fachgeschäfte wie in Kanada oder den USA.“

Dieser Aussage stimmen laut infratest dimap 59% der Wahlberechtigten in Deutschland zu. Ebenfalls 59% sind dagegen, den Besitz geringer Mengen Cannabis wieder als Straftat zu verfolgen. Und 56% wollen nicht, dass “der private Anbau von bis zu drei Hanf-Pflanzen in Deutschland künftig wieder verboten wird”.

DHV, 20.12.2024: infratest dimap: 59% der Deutschen für echte Legalisierung
https://hanfverband.de/infratest-dimap-59-der-deutschen-fuer-echte-legalisierung

Zu diesen Ergebnissen kommt nicht nur infratest dimap im Auftrag des Deutschen Hanfverbands. Auch Forsa ermittelte für die KKH Kaufmännische Krankenkasse, dass nur 36% der Befragten das Cannabisgesetz wieder abschaffen wollen, 55% sind dagegen. 

RND, 09.03.2025: 55 Prozent gegen Rücknahme – Umfrage: Mehrheit gegen Abschaffung des Cannabisgesetzes
https://www.rnd.de/politik/cannabisgesetz-mehrheit-in-umfrage-gegen-abschaffung-D2YEWLXAPBLHBPLQ4CG5PMF47U.html

Die SPD hat also mit ihrem klaren Bekenntnis zur Cannabislegalisierung im Wahlprogramm eine Mehrheit der Wahlberechtigten hinter sich.

Die Union hat im Wahlkampf nie gesagt, was sie genau abschaffen möchte, sondern einfach grundsätzlich gegen das CanG polemisiert. Insofern wird sie sich nun bei den Verhandlungen wahrscheinlich auf Argumente und Forderungen ihrer stärksten Mitstreiter für eine repressive Cannabispolitik stützen, insbesondere die der Polizeigewerkschaften.

Polizei nicht entlastet?

Es wird immer wieder vorgetragen, dass die Polizei keineswegs entlastet worden sei und dass die Kriminalität bezüglich Cannabis durch das CanG gestiegen sei. Allerdings beweisen gerade in diesen Tagen reihenweise Polizeiliche Kriminalstatistiken der Bundesländer für 2024 das Gegenteil. Die Zahl der zu bearbeitenden Strafverfahren bezüglich Cannabis ist überall erheblich zurückgegangen. Daran ändert auch nichts, dass einige Innenminister an ihrem faktenfreien Glauben festhalten, die Polizei sei nicht entlastet worden. 

SWR, 10.3.2025: Polizeiliche Kriminalstatistik 2024 – Kriminalität in RLP: So wenige Straftaten wie seit 30 Jahren nicht mehr
https://www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/kriminalitaet-auf-tiefstand-in-rlp-polizeiliche-kriminalstatistik-2024-cannabis-teillegalisierung-100.html

Das Narrativ, es gebe mit der Überwachung der Anbauvereine und neu definierten (OWI-)Tatbeständen (z.B. Mindestabstände von diversen Einrichtungen für den Konsum, Überwachung der Anbauvereine) zusätzliche Aufgaben, läuft ins Leere, weil die Polizei für die Überwachung der Anbauvereine gar nicht zuständig ist. Auch um die OWI-Tatbestände kümmern sich üblicherweise andere Behörden. Die meisten Bundesländer melden in diesem Zusammenhang im Übrigen nur wenige Verstöße. 

Zeit, 26.12.2025: Drogen: Amt bearbeitet 23 Hinweise auf Cannabis-Verstöße [Sachsen-Anhalt]
https://www.zeit.de/news/2024-12/26/amt-bearbeitet-23-hinweise-auf-cannabis-verstoesse

Schwarzmarkt nicht zurückgedrängt, OK profitiert vom CanG?

Auch an der Behauptung, der Schwarzmarkt werde durch das CanG nicht zurückgedrängt oder gar gefördert, halten manche Gegner der Cannabisreform eisern fest, obwohl es dafür keinerlei Belege gibt. Es sei “nahe liegend”, dass die Nachfrage gestiegen sei. Neue legale Beschaffungsmöglichkeiten in erheblichem Umfang werden einfach ignoriert.

Der legale Eigenanbau wurde so gut angenommen, dass er dem Schwarzmarkt sicher mehr Umsatz entzogen hat als (fiktive) zusätzliche Probierkonsumenten hineinbringen könnten. Zum Anstieg des Eigenanbaus liegen noch keine Zahlen vor, aber es gibt starke Indizien dafür, zum Beispiel Lieferengpässe bei Hanfsamen und Anbauzubehör. Dazu kommen mittlerweile ca. 150 genehmigten Anbauvereine, die dem Schwarzmarkt ebenfalls Umsatz entziehen.

Für medizinisches Cannabis liegen bereits Zahlen vor. Der Import ist von 2023 auf 2024 von ca. 32 Tonnen auf 72 Tonnen gestiegen. Dieser Zuwachs von 40 Tonnen entspricht ca. 10% des Schwarzmarktvolumens in Deutschland. Vom CanG profitieren viele Patienten, die bisher Schwierigkeiten hatten, an eine Verschreibung heranzukommen, und sich notgedrungen auf dem Schwarzmarkt versorgen mussten. Wie viele gesunde Konsumenten sich nun mit Cannabis aus der Apotheke versorgen, darüber lässt sich trefflich streiten. Wir sehen in dem starken Anstieg unter anderem auch ein Zeichen für das offensichtliche Fehlen von Fachgeschäften zur legalen Versorgung legaler Konsumenten. Jedenfalls dürfte der größte Teil dieser zusätzlichen 40 Tonnen ebenfalls dem Schwarzmarkt entzogen worden sein. 

Gelbe Liste, 05.03.2025: Import von Cannabis mehr als verdoppelt – Union fordert mehr Regeln gegen Missbrauch
https://www.gelbe-liste.de/allgemeinmedizin/deutschland-cannabis-import-anstieg-regulierung

Vor diesem Hintergrund ist die Behauptung, das CanG fördere die Organisierte Kriminalität abwegig. Ganz im Gegenteil würden Einschränkungen beim Eigenanbau und bei den Vereinen dafür sorgen, dass die Nachfrage auf dem Schwarzmarkt wieder anzieht. Und wer etwas gegen den “Missbrauch” von medizinischem Cannabis tun will, sollte für Cannabis-Fachgeschäfte sorgen, anstatt auch diesen Umsatz wieder zurück auf den Schwarzmarkt zu schicken.

Mit freundlichen Grüßen

Georg Wurth


Kommentare

10 Antworten zu „„Offene Mail“ an SPD-Verhandler: Vorwärts bei Cannabis – Nie wieder kriminell!“

  1. Michael Z.

    Seit Mitte der 1960er Jahre Hasch und Gras nach Deutschland kam und und junge Menschen nicht mehr in dem gesellschaftlichen Nachkriegsmief leben wollten, kritisch waren und Aufbegehren und – natürlich – auch oft kifften – seitdem ist kiffen für CDU/ CSU mit „links-grün“ verküpft, ihrem Hassobjekt ( F. J. Strauss: „Rote Ratten“, „Schmeißfliegen“ etc. ).
    Cannabis, da kann man mit ständigem Wiederholen von Lügen und längst widerlegten Behauptungen trefflich die Bevölkerung aufsetzen – was ja in den drei Amoel- Jahren wieder zu beobachten war.Migranten, Sozialstaat, „überbordender“ Umweltschutz, Cannabis – Tag für Tag könnten wir die Hetze in allen Medien verstärkt und meistens unwidersprochen hören und sehen.
    Nachdem schon während der Koalitionsverhandlungen die größten Wahlversprechen der CDU/CSU als Lügen entlarvt und man abhängig vor der SPD ist, will man wenigstens ein paar Punkte retten.
    Und natürlich sind die SPD – Innenminister auch eher Vertreter von Law and Order.
    Aus meiner bescheidenen Sicht sind diese ganzen Manöver der Rambo- Zambo – Weißbier – Fraktion an Frechheit, Willkür und Rechtsvergessenheit nicht zu überbieten; aber diese Einsicht nützt natürlich gar nichts. Auf Vernunft und ein konstruktives Vorgehen der Vorkämpfer darf man trotzdem hoffen.

  2. Doc

    Laut dem Statistischen Bundesamt sind im letzten Jahr die Zahl der Verkehrstoten und der Verletzten im Straßenverkehr gesunken:

    https://www.tagesschau.de/inland/zahl-verkehrstote-gesunken-100.html

    Die Teillegalisierung hat also nicht zu einer Erhöhung geführt! So viel zur Panikmache von CSU und Co.

    Hört also endlich auf Millionen von normalen Bürgern zu diskriminieren!

    Nie wieder kriminell!!

  3. Nils S.

    Sehr gut, weiter so Georg!

  4. Tom

    Mir kommt immernoch und immerwieder zu Ohren, das selbst in der Kommunalpolitik das bemühen um die Entkriminalisierung seitens des DHV als Spinnertum (diese Spinner) als abwertig behandelt wird.
    Hat denn der konservative Flügel unserer Demokratie Angst vor dem Verlust von Wählerstimmen? Seid beruhigt: Die Kritiker der Elche, sind meistens selber Welche!
    Wichtig ist doch, das Wir miteinander reden und uns nicht in gut & böse einteilen lassen.
    Lg aus S.H.

  5. Anonym

    Georg ich danke Dir !!!

  6. Gregor Ottmann

    Wenn die Union wirklich an der Zerschlagung des Schwarzmarkts interessiert wäre, würde sie sich dafür einsetzen, das Verschenken von Ernteüberschüssen zu erlauben. Ich kann einfach nicht der einzige Homegrower sein, der so gerne mehr Pflanzen ziehen würde, um etwas mehr Abwechslung bei den Strains zu haben. Dürfte ich Teile meiner Ernte einfach verschenken, würde das nicht nur mir Freude machen, sondern vermutlich auch mindestens 5-10 andere Personen aus der Kundengruppe der organisierten Kriminalität entfernen.

  7. Marco

    Ich denke gerade darüber nach, wo denn der Missbrauch von medizinischem Cannabis genau anfängt…
    Wenn sich ein Dauerkonsument ohne medizinische Indikation sein Cannabis nun aus der Apotheke holt, sehe ich hier dennoch keinen Missbrauch. In solchen Fällen ist es doch offensichtlich, dass hier unbewusst versucht wird „irgendwas“ zu heilen – gäbe es da nichts zu kompensieren, dann würde man vlt. ab und an auf einer Party einen Joint rauchen. Aber dann würde es sich ja verbieten in solchen Fällen von „Missbrauch“ sprechen, es wäre ja lediglich der Gebrauch von Cannabis (und selbst dieser Gebrauch müsste doch von jedem Gesundheitspolitiker mit Jubelarien begrüßt werden, wenn damit gleichzeitig ein ausschweifender Alkoholkonsum vermieden wird).
    Worüber man diskutieren könnte, wäre wenn sich solche Gelegenheitskonsumenten dann auch ihr Cannabis aus der Apotheke holen würden. Aber ich würde dies nicht gleich als Missbrauch werten wollen, da der Gesetzgeber ja auch gezielt den Schwarzmarkt schwächen will und darüber hinaus allein schon aus gesundheitlichen Erwägungen der Gang zur Apotheke eher noch gefördert als erschwert werden sollte (bspw. wegen etwaiger Streckstoffe im „Straßenweed“ oder dem obligatorischen CBD-Anteil im Apothekengras, welcher dem Rausch deutlich die psychotischen Spitzen nimmt). Außerdem kann man sich neuerdings Cannabis auch als gesunder Patient verschreiben lassen, bspw. als Verjüngungskur.
    Es wäre ja auch Quatsch danach zu behaupten, dass der Gelegenheitskonsument dem medizinischem User jetzt alles wegqualmt, zumal Cannabis einfach und billig herzustellen ist und wer nur gelegentlich konsumiert, wird als einzelner wohl keinen nennenswerten Unterschied machen. Ob es dann in Summe zu einem Engpass käme, ist ja auch eher ein theoretisches als reelles Szenario.
    Davon ganz abgesehen, macht sich auch der Gelegenheitskonsument beim Gang zur Apotheke „gläsern“, so dass als win-win (Ironie) auch noch die Datenkrake unnötig Futter bekäme, weswegen sich ja auch mancher Konsument sich nicht bei einem CSC registrieren möchte. Von daher wird die Anzahl der „Missbrauchenden“ wohl eh überschaubar bleiben.
    In Wahrheit ist es doch so, das CanG erfüllt seinen Zweck voll und ganz: Wer einen grünen Daumen hat, der baut selber an, ansonsten lässt man halt anbauen. Oder man holt sich sein Gras aufgrund des niederschwelligen Angebotes eben in der Apotheke – und wenn es eben nur zur Hautstraffung benutzt wird.
    Während Cannabis eine echte Arznei ist, dient Alkohol eben nur als Lösungsmittel für pflanzliche Wirkstoffe und ist nicht die eigentliche Medizin. Ich meine, wie viele Leute rechtfertigen ihren Suff damit „weil es ja eh Medizin sei“ – aber ich schweife ab (nur könnte man dann ja auch immer leicht sagen, dass auch der Trinker dem Patienten seine Medizin wegnimmt)…
    Nur eine europäische Lösung mit Fachgeschäften sehe ich angesichts des Rechtsrucks in Europa in ganz weiter ferne, daher sollten wir uns über das Erreichte sehr freuen und lieber den Focus darauf legen, dass die Menschen sauberes Gras bekommen und dafür ist es m.E. sehr kontraproduktiv, wenn der einzige legale Bezugsweg für die Gelegenheitskonsumenten dauernd durch „Missbrauch hier und Missbrauch dort“ oder blöden Neiddebatten madig gemacht wird.

    1. Sven Sasse

      Sehe ich genauso.. einfach traurig was die Union vor hat

  8. Rumpelstielzchen

    Sehr gut geschrieben.
    Es war insbesondere mal Zeit, den Herren Hoch und Phillipi das klar zu machen, da diese ja bekannterweise am Medizinalcannabis wieder zurückdrehen wollen. Wer nicht kapiert, dass das Gras aus der Apotheke die beste Qualitätsstufe hat, der hat einfach nen Brett vorm Kopp.

  9. Anonym

    Langweilig

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