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Berliner Cannabisdiskussion

In den Koalitionsverhandlungen im Jahr 2002 verständigten sich die Fraktionen von SPD und PDS im Berliner Abgeordnetenhaus darauf zu prüfen: “inwieweit der Besitz einer für den Eigenverbrauch bestimmten Menge sowie die Abgabe geringer Mengen weicher Drogen entkriminalisiert werden können.”

Leider folgten dieses Worten keine entsprechenden Taten. Der DHV nahm sich dieses Versäumnisses an und begann eine intensive Kommunikation mit den beteiligten Politikern und Behörden. Im Folgenden finden sie den Verlauf der Berliner Cannabisdiskussion anhand der Meldungen des DHV, sowie anhand von Presseberichten nachgezeichnet.


13. Januar 2003
Der Deutsche Hanfverband fragt nach…
Der DHV schreibt an die Koalitionsfraktionen SPD und PDS und an die Senatorinnen für Gesundheit und Justiz in Berlin, fragt nach den Ergebnissen der Prüfung, die im Koalitionsvertrag vereinbart wurde (s.o.). Der DHV schlägt vor, zur Erreichung dieser Ziele die “geringe Menge” Cannabis auf 30 Gramm heraufzusetzen und ein Modellprojekt nach dem BtMG zu starten. Dadurch wäre es möglich, eine legale Cannabisabgabe regional begrenzt auszuprobieren. Das hat Schleswig-Holstein schon mal in den 90er Jahren geplant und ist auch das Prinzip, nach dem derzeit die Heroinvergabe getestet wird.


18. März 2003
Wählertäuschung: Rot-Rot in Berlin versagt bei Cannabis!
Gesundheitssenatorin Knake-Werner, Justizsenatorin Schubert und die SPD-Fraktion beantworten die Anfrage des DHV. Sie distanzieren sich von einer Liberalisierung bei Cannabis und halten die derzeitige Regelung für ausreichend. Frau Schubert versteckt sich hinter juristischen Argumenten, die nicht stichhaltig sind, und behauptet, eine Liberalisierung sei eine Gefahr für Jugendliche. Knake-Werner und SPD-Fraktion schließen sich dieser Auffassung an. Der DHV veröffentlicht seine erste Pressemitteilung zu dem Thema: “Wählertäuschung: Rot-Rot in Berlin versagt bei Cannabis!”


22. September 2003
Grüne Berlin stellen richtungweisende Anträge
…Daraufhin nimmt der DHV Kontakt zu den Oppositionsparteien auf. Die Grünen nehmen die Vorschläge des DHV auf und beantragen im Abgeordnetenhaus, die geringe Menge auf 30 Gramm zu erhöhen und ein Modellprojekt zur Cannabisabgabe zu starten.


25. September 2003
FDP Berlin zieht nach
Auch die FDP-Fraktion stellt kurz danach einen ähnlichen Antrag.


24. Oktober 2003
Hanffachgeschäfte für Berlin!
In die nun aufkommende Diskussion in Politik und Medien bringt der DHV verschiedene Konzepte und Lösungsansätze ein. Hier die Vorschläge des DHV, wie der Einzelhandel mit Cannabis aussehen könnte…


24. Oktober 2003
Finanzielle und wirtschaftliche Auswirkungen einer Cannabislegalisierung
…und hier die Berechnungen des DHV, wie sich eine Cannabislegalisierung auf die Staatsfinanzen auswirken würde, mit einer Einzelbetrachtung für Berlin.


26. November 2003
Berliner Senat blendet mit Peanuts
Der Senat bzw. Innensenator Körting melden sich zu Wort und versuchen, die Debatte mit einer Festlegung der geringen Menge auf 15 Gramm zu beenden. Der DHV weist diesen Vorschlag in einer Pressemitteilung als unzureichend zurück.


20. Dezember 2003
Berlin diskutiert im Januar über Cannabisabgabe
Terminhinweis: Die Grünen diskutieren das Thema in einer Podiumsdiskussion, Georg Wurth vom DHV vertritt die Pro-Hanf-Seite.


23. Dezember 2003
Cannabisversorgung für Berlin
Am 08.01.04 diskutiert der Berliner Gesundheitsausschuss die beiden Cannabisanträge von FDP und Grünen in einer Expertenanhörung, an der Georg Wurth vom DHV neben Prof. Kleiber, Richter Müller aus Bernau und einer Vertreterin der Berliner Drogenhilfe teilnimmt. Zu dieser Sitzung liefert der DHV auch ein weiteres inhaltliches Konzept, diesmal zur Frage der Beschaffung von Cannabis für das Berliner Modellprojekt.


09. Januar 2004
Gesundheitsausschuss in Berlin berät über Modellversuch / DHV zur “geringen Menge”
Zeitungsbericht über die Ausschusssitzung und ein weiteres Papier des DHV zur Frage der “geringen Menge”.


26. Januar 2004
Berliner Gesundheitsausschuss diskutiert weiter über Cannabis
Weitere Presseberichte über die vergangene Sitzung des Gesundheitsausschusses, ein Videomitschnitt, das Wortprotokoll und die Ankündigung der nächsten Sitzung.


10. Mai 2004
Cannabis in Berlin bis 30 Gramm straffrei – Hanfverband gratuliert
Das Abgeordnetenhaus hat entschieden; gegen ein Modellprojekt zur Abgabe von Cannabis, aber für eine deutliche Erhöhung der “geringen Menge”, bis zu der Verfahren eingestellt werden können. Statt bisher 6-10 Gramm soll diese Grenze nun bei 15-30 Gramm liegen. Der DHV gratuliert per Pressemitteilung zu dieser Entscheidung.


15. Dezember 2004
Berliner Senat ignoriert Abgeordnetenhaus/ 30-Gramm-Beschluss noch nicht umgesetzt
Der Senat muss den Beschluss des Abgeordnetenhauses noch durch eine Verfügung an die Staatsanwälte in die Realität umsetzen. Das dauert aber entschieden zu lange für eine einfache Entscheidung. Der Senat hat sein Handeln schon zum zweiten mal verschoben. Anscheinend gibt es Schwierigkeiten und Widerstände. Der DHV protestiert per Pressemitteilung.


09. Februar 2005
Berliner Senat setzt Cannabisbeschluss nicht um
Erneute Pressemitteilung gegen die Untätigkeit des Senates und ein entsprechender Zeitungsartikel.


17. März 2005
Hanfverband startet Protestmailer
Der Deutsche Hanf Verband hat heute ein neues Instrument des Protestes gegen die derzeitige Cannabispolitik aktiviert. Mit dem Protestmailer kann sich jeder sehr einfach und verständlich, ohne großen Aufwand verschiedenen Protestaktionen anschließen. Die ersten Protestmails gehen nach Berlin, wo der Senat die Umsetzung der beschlossenen Liberalisierung verschleppt und die Koalitionsfraktionen tatenlos abwarten. Insgesamt wurden 46 Protestmails verschickt.


06. April 2005
Cannabis/ Enttäuschendes Ergebnis in Berlin
Fast ein Jahr nach dem Beschluss des Abgeordnetenhauses und gut zwei Wochen nach Start des Protestmailers kommt der Senat endlich zu einem Ergebnis, das leider enttäuschend ausfällt. Der Senat ignoriert den Beschluss des Abgeordnetenhauses und legt die geringe Menge auf 10-15 Gramm fest. Der DHV drückt seine Enttäuschung in einer Pressemitteilung aus.

Nach jahrelangen teilweise sehr fortschrittlichen Diskussionen, bei denen sogar eine Abgabe von Cannabis ernsthaft erwogen wurde, und nach dem fortschrittlichen Beschluss des Abgeordnetenhauses ist die neue Richtlinie des Senates eine große Enttäuschung. Die Verbesserung bleibt damit minimal.

Nur ein inhaltlich juristisches Argument des Senates ist dabei einigermaßen nachvollziehbar: Bei Cannabisproben mit sehr hohem THC-Gehalt, wie sie nach Angaben des Senates hin und wieder vorkommen, ist der Abstand zur “nicht geringen Menge” von 7,5 Gramm THC, ab der ein schwerwiegender Straftatbestand erfüllt wird, nicht mehr gewahrt, wenn die “geringe Menge” bei 30 Gramm festgeschrieben wird. Z.B. bei 30 Gramm Cannabis mit THC-Werten über 25 % würden die 7,5 Gramm THC überschritten, eine Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwälte wäre damit zumindest zweifelhaft.
Eine größere Rolle bei der Entscheidung des Senates dürfte aber der Widerstand gespielt haben, der von CDU, Polizei, und Staatsanwaltschaft über manche Medien bis hin zur Berliner Drogenbeauftragten kam.

Umsonst waren die Bemühungen aber doch nicht, immerhin ist Berlin das erste Bundesland seit langer Zeit, das freiwillig die “geringe Menge” anhebt, um Konsumenten vor übertriebener Strafverfolgung zu schützen. Auch wenn das in der Praxis wenig Unterschied macht, so ist es doch ein Signal, das bundesweit entsprechend aufgenommen wurde.