Der heute veröffentliche Jahresbericht der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD) sieht eine rapide Zunahme bei neuen synthetischen Substanzen, 39 neue Substanzen wurden seit Jahresbeginn registriert. Der Konsum von Drogen wie Cannabis und Kokain ist dem Bericht zufolge eher rückläufig.
Die Drogenbeauftragte hatte auf ihrer Jahrestagung “Der Stoff aus dem Chemielabor. Speed, Spice & Co.” vorgeschlagen, diesem Phänomen mit verfassungsrechtlich höchst fragwürdigen Stoffgruppenverboten zu begegnen, zum Thema Drugchecking verlor sie kein Wort. Die Grünen im Bundestag haben eine kleine Anfrage (Bundestags-Drucksacke 17/7539) zum Thema “Pläne der Bundesregierung zur Schaffung eines neuen Straftatbestandes für sogenannte “legal highs” im Betäubungsmittelgesetz” gestellt, die Antwort der Bundesregierung sollte in den kommenden Tagen veröffentlicht werden.
Frank Tempel, drogenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE, reagierte mit einer Pressemitteilung zur anhaltenden Verbotspraxis: “Das Katz und Maus Spiel zwischen Gesetzgeber und Drogenproduzenten wird dadurch nicht verhindert, sondern befördert. […] Wir brauchen endlich ein Umdenken in der Drogenpolitik. Neben der nötigen Einführung von Drug-Checking-Projekten und weiteren Angeboten zur Schadensminimierung („Harm Reduction“) muss es eine Entkriminalisierung der Konsumenten auf Basis eines funktionierenden Jugend- und Verbraucherschutzes geben. Nur so kann effektiv vor Drogenmissbrauch geschützt sowie den abhängigen Konsumenten geholfen werden.”
Parallel wurde der “REITOX”-Bericht der Deutschen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (DBDD) zur Drogensituation in Deutschland veröffentlicht. In der Pressemitteilung hierzu beklagt die Drogenbeauftragte: “Kinder aus suchtbelasteten Familien und deren Eltern erhalten in unserem Land häufig noch nicht die Unterstützung, die sie benötigen”. Eine Studie aus ihrem Haus kam zu dem Ergebnis, dass 65–70 % aller drogenbezogenen Ausgaben in “öffentliche Sicherheit”, also Repression fließt, somit ist es nicht weiter verwunderlich, dass kein Geld für Hilfe und mehr Erziehung zur Drogenmündigkeit bleibt. Dazu passend stellte die EBDD fest: “Im Laufe des letzten Jahrzehnts lag der Schwerpunkt der europäischen Cannabispolitik eher auf der Strafverfolgung von Händlern als von Konsumenten. Dennoch steigen die Straftaten im Zusammenhang mit dem Cannabiskonsum weiterhin an, was auf eine mögliche Diskrepanz zwischen Politik und Praxis schließen lässt (Kapitel 2, Abbildung 4).” (Seite 43) – schön, das auch mal zumindest andeutungsweise von offizieller Stelle zu hören…
Somit gilt, was wir schon anlässlich der Jahrestagung feststellten: “Wenn die Drogenbeauftragte nur noch Juristen – die selbst deutlich sagen: Das Strafrecht kann & darf nur die Ultima Ratio sein – vorschicken kann, die die juristischen Möglichkeiten weiterer Verbote vorstellen, dann hat sie sich selbst als Politikerin eigentlich überflüssig gemacht…”
- Europäischer Drogenbericht – Es wird weniger gekokst und gekifft, Der Standard, 15.11.2011
- Pressemitteilung zum Jahresbericht 2011 der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD)
- Jahresbericht 2011 der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht
- “EU-Drogenbericht belegt Scheitern repressiver Drogenpolitik”, Pressemitteilung der LINKEN
- Jahrestagung der Drogenbeauftragten – Alles verbieten ist keine Drogenpolitik! DHV-Cannabis-Blog vom 13. Oktober 2011
- Anfrage der Grünen: Pläne der Bundesregierung zur Schaffung eines neuen Straftatbestandes für sogenannte “legal highs” im Betäubungsmittelgesetz
- REITOX Bericht zur Drogensituation in Deutschland der Deutsche Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (DBDD)
- Drogenmündigkeit statt Repression finanzieren, Blog “Alternative Drogenpolitik”
- Stoppt “Spice” und “Ecstasy” – Legalisiert THC und MDMA! Blog “Alternative Drogenpolitik”
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