Landtagswahlen Hessen 2008

Am 27. Januar 2008 sind die hessischen Wahlberechtigten dazu aufgerufen, sich ein neues Parlament zu wählen. Der DHV bewertet aus diesem Anlass die Drogenpolitik der Parteien in Hessen.

Anlässlich der Landtagswahlen in Hessen im Januar 2008 hat der Deutsche Hanf Verband die Programme der wichtigsten Parteien gesichtet und dabei das Hauptaugenmerk auf die Drogenpolitik gelegt. Zusammen mit den Erfahrungen aus den vergangenen Wahlperioden glauben wir so, eine Wahlempfehlung aussprechen zu können.

Ebenso wie Drogen nicht alles im Leben sein sollten, ist natürlich auch Drogenpolitik nicht der einzige ausschlaggebende Punkt bei einer Wahlentscheidung. Dennoch sagt Drogenpolitik mehr über die Gesinnung einer Partei aus, als nur die Frage, ob sie Cannabis legalisieren will oder nicht.

Die Drogenpolitik verrät vielmehr Grundsätzliches darüber, ob eine Partei den Bürger eher als selbstbestimmtes Individuum sieht oder als lenkbares Schaf, das von der Obrigkeit vor bösen Einflüssen beschützt werden muss (und kann!).


Ausgangslage – Die Situation Hessens vor der Wahl

Das Bundesland Hessen und sein Wappen
Das Bundesland Hessen und sein Wappen

Wenn die Wahlberechtigten unter den gut sechs Millionen Hessen Ende Januar ihr Kreuz bei der einen oder anderen Partei machen, dann sagen sie damit nicht nur, wer sie in den kommenden 5 Jahren regieren soll. Vielmehr ist die Wahl auch eine Abstimmung über die Ergebnisse der ersten Regierung in der Geschichte des Landes, die mit absoluter Mehrheit herrscht.

Die Ergebnisse der CDU-Regierung unter Roland Koch sind jedoch gerade in der Drogen- und Jugendpolitik desaströs.

Die vergangenen Jahre waren von einer sehr einseitigen Herangehensweise an die Probleme junger Menschen gekennzeichnet. Flächendeckend mussten Einrichtungen der Jugend- und Suchthilfe massive Kürzungen ihrer Landesmittel verkraften. Im Jahr 2004 erreichten sie mit nur 556.000 Euro den niedrigsten Stand seit 10 Jahren.
Im gleichen Zeitraum sank das durchschnittliche Erstkonsumalter bei Cannabis von 17,5 Jahre (1993) auf 16,4 Jahre (2004), während sich die Anzahl der Cannabiskonsumenten in der Altersgruppe 18 bis 39 Jahre fast verdreifacht hat.

Der DHV sah sich deshalb im Februar 2006 gezwungen, einen Protestmailer zu starten, der sich mit der einseitigen Drogenpolitik der Regierung Koch auseinandersetzte. In ihm wurde den Landesministern Silke Lautenschläger (Soziales), Volker Bouffier (Innen) und Karlheinz Weimar (Finanzen) der gewaltige Unterschied zwischen ihren amtlichen Verlautbarungen und der drogenpolitischen Wirklichkeit vorgehalten.
Offiziell setze die Landesregierung in der Drogenpolitik auf ein Gleichgewicht der drei Säulen “Prävention, Beratung und Therapie, sowie Repression”. In Wirklichkeit verwendet Hessen die Mittel für den Kampf gegen Drogen jedoch sehr unterschiedlich. Während für repressive Maßnahmen jährlich mehr als 75 Millionen Euro zu Verfügung stehen, gibt es für die beiden anderen “Säulen” noch nicht einmal 1 Prozent dieser Summe.

Die ungleiche Verteilung der Mittel zur Drogenbekämpfung entspricht jedoch dem politischen Kalkül des Ministerpräsidenten Roland Koch. Dieser hatte in der Vergangenheit immer wieder durch spektakuläre Forderungen auf sich aufmerksam gemacht. Oft bewegt sich Koch mit seinen populistischen Parolen am rechten Rand des politischen Spektrums.
Zuletzt hetzte er gegen vermeintlich überdurchschnittlich gewalttätige und kriminelle jugendliche Ausländer und forderte die Einführung des Erwachsenenstrafrechts auch für 18 bis 21-Jährige.

So absurd die Abkehr vom Grundgedanken “Erziehung statt Sühne”, der das deutsche Jugendstrafrecht prägt, in vielen Bereichen auch sein mag, in der Drogenpolitik könnte er einen Fortschritt bedeuten!
Nachdem die CDU die Geringe Menge, bis zu der Verfahren wegen des Besitzes von Cannabis eingestellt werden können, 2003 auf sechs Gramm gesenkt hat und ihre Anwendung bei Jugendlichen praktisch ausschloss, stiegen die Zahlen der Konsumentendelikte, die vor hessischen Gerichten landen, deutlich an. Ihren Höhepunkt hatte diese Entwicklung im Jahr 2004 mit fast 20.000 Fällen.

Noch immer sind vier von fünf Prozessen wegen Cannabisdelikten Verfahren gegen einfache Konsumenten. Die Anwendung des §31a BtMG auch auf Jugendliche könnte hier für erhebliche Entlastungen der Betroffenen und der Justiz sorgen.


Polizeiliche Kriminalstatistik 2006

Im letzen Jahr gab es in Hessen insgesamt 16.608 Fälle von Betäubungsmittelkriminalität. Das sind 11,7 Prozent weniger als im Vorjahr. Cannabis ist der Grund für rund die Hälfte der BtM-Verfahren. Insgesamt 8.269 Mal mussten sich hessische Gerichte im Jahr 2006 mit Hanf beschäftigen.
In 6.871 Fällen oder 83 Prozent der Cannabisverfahren ging es um einfache Konsumentendelikte. Lediglich 1.398 Verfahren beschäftigen sich mit Handel oder Schmuggel von Cannabisprodukten. Im Jahr 2006 beschlagnahmte die Polizei Hessens insgesamt 333kg Haschisch und 83kg Marihuana.

Polizeiliche Kriminalstatistik 2006

Die Polizeiliche Kriminalstatistik 2006 des Landes Hessen

Zitat aus der PKS2006

“Die Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz gingen im Jahr 2006 um 2.204 (-11,7%) auf 16.608 Straftaten zurück. Damit wurde die bisher höchste Fallzahl des Jahres 2004 (19.889 Fälle) nicht erreicht, die Fallzahl des Jahres 2006 ist aber die dritthöchste jemals erreichte und Zeugnis erfolgreicher Polizeiarbeit. Diese Straftaten werden fast ausschließlich durch polizeiliche Ermittlungen bekannt (sogenanntes “Kontrolldelikt”). Der Kontrolldruck unter anderem durch verdachtsunabhängige Kontrollen (“Schleierfahndung”) ist unverändert hoch.

Allgemeine Verstöße gegen das BtMG, wobei es sich weitestgehend um typische Delikte von Konsumenten handelt, gingen um 1.794 -12,4%) auf 12.673 zurück.

Die Entwicklung der Fallzahlen im Bereich der Rauschgiftkriminalität ist weitgehend von den polizeilichen Kontrollressourcen abhängig. Aufgrund empirischer Erkenntnisse ist im Bereich der Rauschgiftkriminalität von einem sehr hohen Dunkelfeld auszugehen.”


Die Parteien und ihre Standpunkte

Im Folgenden finden Sie die wichtigsten Positionen der politischen Parteien kurz zusammengefasst. Für jede der angesprochenen Parteien haben wir jedoch ein eigenes Dokument erstellt, das Sie über die drogenpolitischen Teile des jeweiligen Wahlprogramms informiert und sich genauer mit den Positionen der Partei beschäftigt.

Klicken Sie für mehr Informationen bitte einfach auf den Namen der gewünschten Partei!

Drogenpolitik der CDU in Hessen
Die Christdemokraten unter Roland Koch regieren das Land seit 2003 mit absoluter Mehrheit. Drogenpolitik ist für sie in erster Linie ein Sicherheitsproblem. Die CDU lehnt eine Freigabe von Cannabis grundsätzlich ab und möchte an der bestehenden Drogenpolitik mit ihrer einseitigen Fokussierung auf Repression festhalten.
Drogenpolitik der SPD in Hessen
Die Sozialdemokraten wollen den Abbau der Unterstützung von Jugend- und Suchthilfeeinrichtungen wieder zurücknehmen, wenn sie in die Regierungsverantwortung gewählt werden. Darüber hinaus ist die Drogenpolitik der SPD Hessens nur schwer einzuschätzen.
Drogenpolitik von Bündnis 90/ Die Grünen in Hessen
Die Grünen fordern in ihrem Programm zur Landtagswahl 2008 eine Wende in der Drogenpolitik. Sie wollen die Kompetenzen des Innenministers in diesem Bereich verringern und wieder auf eine gesundheitspolitische Herangehensweise setzen. Als ersten Schritt wollen sie die Geringe Menge des Landes liberaler regeln.
Drogenpolitik der FDP in Hessen
Die Liberalen setzen in der Drogenpolitik im Wesentlichen auf Prävention. Darüber hinaus will die FDP klare Regeln für die Betreuung von Suchtkranken schaffen. Sie räumt auch dem Nichtraucherschutz Raum in ihrem Wahlprogramm ein.
Mit ihrer Forderung nach einer zeitlichen Begrenzung von Substitutionsprogrammen (Heroin, Methadon) fordert die FDP aber auch Verschärfungen im Drogenbereich.
Drogenpolitik der Partei Die Linke in Hessen
Die neugeschaffene Linke tritt zum ersten Mal zu einer Landtagswahl in Hessen an. Ihr drogenpolitisches Wahlprogramm ist sehr umfangreich und setzt auf eine Entkriminalisierung der Konsumenten, bessere Prävention sowie eine niedrigschwellige und akzeptanzorientierte Drogenhilfe. Sie spricht sich außerdem gegen den Einsatz des Führerscheinrechts als Ersatzstrafrecht für BtM-Delikte aus.

Zusammenfassung und Wahlempfehlung

Die einseitige Drogenpolitik Hessens in den vergangenen Jahren ist in erster Linie eine Folge der absoluten Mehrheit der CDU. Ohne einen liberaleren Koalitionspartner war es der Kochregierung möglich, die Mittel für Suchthilfe und Präventionsmaßnahmen trotz erheblicher Widerstände massiv zu kürzen. Es ist nicht zu erwarten, dass die CDU diese Politik aufgibt, sollte sie durch die Wahl in ihrer Regierungsverantwortung bestätigt werden.

Ob unter einer neuen SPD-Regierung wirklich Schritte hin zu einer weniger stark auf Repression ausgerichteten Drogenpolitik unternommen werden, ist jedoch fraglich. Die zukünftige Politik des Landes könnte stark davon abhängen, ob die Linke den Einzug in das Parlament schafft.

  1. Die Linke
    Betrachtet man nur die Drogenpolitik, macht die Linke einen guten Eindruck. Es ist jedoch fraglich, ob es der neuen Partei gelingt, in das Parlament einzuziehen. Wer die Linke wählen will, geht deshalb das Risiko ein, dass seine Stimme sich nicht in der Parlamentsarbeit widerspiegelt. Davon abgesehen vertritt die Linke mit Abstand die fortschrittlichsten Positionen in der Drogenpolitik.
  2. Bündnis 90/ Die Grünen
    Hessen war das erste Bundesland, in dem die Grünen an der Regierung beteiligt waren. Die Zeiten, in denen Joschka Fischer in Jeans und Turnschuhen zum Landesminister vereidigt wurde, sind jedoch längst vorbei. Über eine Liberalisierung der geringen Menge hinaus haben die Grünen in ihrem Wahlprogramm kaum drogenpolitische Ziele formuliert. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sie eher auf eine akzeptierende denn eine repressive Politik setzen.
  3. FDP
    Die Liberalen haben das umfangreichste drogenpolitische Programm der hessischen Parteien. Sie beschäftigen sich nicht nur mit illegalen Rauschmitteln, sondern auch mit den Ergebnissen der Nichtraucherschutzgesetze und den Folgen des Konsums legaler Drogen. Es ist jedoch nicht sicher, wie viele ihrer Positionen die FDP in eine Koalitionsregierung einbringen kann. Insbesondere im Falle einer Schwarz-Gelben Regierung ist zu befürchten, dass die Liberalen ihre eigene Programmatik zugunsten der Regierungsbeteiligung aufgeben.
    Außerdem dürfte die Forderung der FDP nach Begrenzung von Substitutionsprogrammen bei Heroin und Methadon auf ein Jahr realitätsfremd sein.
  4. SPD
    Die Sozialdemokraten äußern sich in ihrem Wahlprogramm kaum zu drogenpolitischen Fragen. Eine Einschätzung der von ihnen zu erwartenden Politik kann sich deshalb nur auf Vergleiche mit anderen Bundesländern und der Regierungsbeteiligung im Bund stützen. Demnach setzt die SPD auf einen Maßnahmenmix, der sowohl Prävention als auch repressive Maßnahmen beinhaltet. Eine echte Entspannung der drogenpolitischen Situation ist von ihr jedoch nicht zu erwarten.
  5. CDU
    Für Cannabiskonsumenten und ihre Angehörigen kommt die Wahl der CDU praktisch nicht in Frage. Sie sieht Drogengebraucher einseitig als Kriminelle und setzt ganz auf den Einsatz von Polizei und Staatsanwalt zur Reduzierung der durch Drogen entstehenden Probleme. Wer drogenpolitisch wählen möchte, sollte deshalb sein Kreuz eher bei einer der anderen Parteien machen!

Schlussbemerkung

Und nun der vielleicht wichtigste Hinweis zum Schluss. Jeder, dem Cannabispolitik am Herzen liegt, sollte den Parteien mitteilen, warum er sie gewählt oder nicht gewählt hat! Das erhöht das Gewicht einer einzelnen Stimme enorm! Es reicht ein Dreizeiler wie:

“Ich habe Ihnen diesmal meine Stimme gegeben, weil Sie sich für die Legalisierung von Cannabis einsetzen und erwarte von Ihnen, dass Sie das Thema die nächsten vier Jahre auch voranbringen!”
“Ich hätte mir vorstellen können, sie dieses Jahr bei der Landtagswahl 2008 zu wählen, habe aber wegen ihrer repressiven Drogenpolitik davon Abstand genommen.”

Die passenden Emailadressen haben wir für Sie auf den Unterseiten zu den einzelnen Parteien zur Verfügung gestellt.