Das niedersächsische Landesjustizministerium hat in einer Antwort auf unsere Nachfrage angegeben, dass die Umsetzung einer zeitnahen Entkriminalisierung von Cannabiskonsumenten nicht geplant ist.
Zunächst gab es scheinbar erfreuliche Nachrichten aus Niedersachsen, als Anfang November der rot-grüne Koalitionsvertrag beschlossen wurde:
“Bis zu einer bundesgesetzlichen Änderung zur Entkriminalisierung von Cannabisnutzung zum Eigengebrauch werden wir in Niedersachsen die entsprechenden Erlasse überarbeiten, damit bereits jetzt alle Fälle des Besitzes einer geringen Menge von Cannabis entkriminalisiert werden.”
Wir kontaktierten daher die niedersächsische Justizministerin Frau Dr. Wahlmann, um auf den dringenden Handlungsbedarf hinzuweisen, und wollten wissen, ab wann niedersächsische Bürger mit einer Entlastung rechnen können. Doch nun scheint man das erst kürzlich beschlossene Ziel wieder von sich schieben zu wollen. Im Antwortschreiben aus dem Justizministerium wird suggeriert, dass es zunächst eine Regelung auf Bundesebene geben müsse:
“Wie Ihnen sicherlich bekannt ist, plant die Bundesregierung ausweislich ihres Eckpunktepapiers bisher lediglich, Erwerb und Besitz von Genusscannabis bis zu einer Höchstmenge von „20 bis 30 Gramm“ zum Eigenkonsum und den privaten Eigenanbau „in begrenztem Umfang“ zu legalisieren. Eine konkretere Festlegung auf einen Grenzwert, die sich wirkungsgleich innerhalb der Regelungen der Landesjustizverwaltungen zur Anwendung von § 31a BtMG umsetzen ließe, liegt noch nicht vor.”
Dies führt das eigentliche Koalitionsziel ad absurdum, dass die Entkriminalisierung “bereits jetzt” erfolgen soll und “Niedersachsen die entsprechenden Erlasse überarbeiten” wird. Es ist schließlich der Sinn der Vereinbarung, durch eine vorgezogene Entkriminalisierung die Bestrafung von tausenden Cannabiskonsumenten in der langen Übergangszeit bis zum Bundesgesetz zu verhindern. Wenn das Gesetz auf Bundesebene fertig ist, braucht es keine Aktivitäten der Bundesländer mehr.
Anstatt den dringenden Handlungsbedarf anzuerkennen, versucht sich das Justizministerium mit Verzögerungstaktiken. Als zweites Argument gegen schnelles Handeln verweist es auf einen Beschluss der Justizministerkonferenz:
“Im Rahmen der 93. Herbstkonferenz haben […] die Justizministerinnen und Justizminister […] mit der Unterstützung Niedersachsens einen Erfahrungsaustausch mit dem Ziel der Zusammenstellung eines umfassenden Kataloges von möglichen Kriterien für eine Anwendung des § 31a Absatz 1 BtMG beschlossen. Hieran wird sich Niedersachsen beteiligen und die Ergebnisse des Erfahrungsaustauschs bei der anschließend zu prüfenden Neufassung der Allgemeinverfügung zur Anwendung des § 31a Abs. 1 BtMG und zur Bearbeitung von Ermittlungsverfahren in Strafsachen gegen Betäubungsmittelkonsumentinnen und Betäubungsmittelkonsumenten berücksichtigen.”
Allerdings hat die Justizministerkonferenz in der Vergangenheit schon öfter solche Initiativen beschlossen. In der Regel wollten die konservativen Bundesländer dabei ihre restriktiven 6-Gramm-Regelungen auf alle Bundesländer übertragen. Das haben liberale Bundesländer natürlich nicht mitgemacht. Der letzte Versuch war 2018 gescheitert. Davon abgesehen tagt die Justizministerkonferenz nur zweimal pro Jahr, sodass in den nächsten 6 Monaten mit keinerlei Bewegung mehr zu rechnen ist.
Auch in Meck-Pomm gab es erst kürzlich Bestrebungen von der Grünen-Oppositionsfraktion die “Geringe Menge” auf 20 Gramm anzuheben, was die rot-rote Landesregierung jedoch mit faulen Ausreden ablehnte, darunter auch der Verweis auf den oben genannten Beschluss der Justizministerkonferenz. Niedersachsen könnte sich ein Beispiel an anderen Bundesländern wie Bremen oder Berlin nehmen, mit einer Strafverfolgungsfreigrenze von 15 Gramm.
Misstrauisch machten bereits die Aussagen von Frau Dr. Wahlmann, die sich in einem Artikel von ndr.de skeptisch gegenüber der Legalisierung äußerte. Nun hat sie es offenbar geschafft, entgegen den Plänen der Koalitionsparteien die Entkriminalisierung in Niedersachsen auf die lange Bank zu schieben und die derzeitige restriktive Regelung in Niedersachsen beizubehalten
Mit Niedersachsen schien endlich ein Bundesland voranzugehen und die Möglichkeiten zur Entkriminalisierung auszuschöpfen. Doch mit diesem Antwortschreiben verspielt die rot-grüne Landesregierung das Vertrauen der Wählerschaft gleich wieder.
Schreibe einen Kommentar