Trotz höchstrichterlicher Urteile und vollmundiger Ankündigungen aus dem Gesundheitsministerium ist der reale Zugang zu Cannabis-Arzneimitteln in Deutschland weiterhin kaum existent. Die Grünen im Bundestag haben einen Antrag gestellt, um die Situation für alle betroffenen Patienten zu verbessern.
Als vor einem Jahr die Zeitungen titelten, die Bundesregierung würde Cannabis als Medizin legalisieren, wurde schnell klar: Viel Dichtung, wenig Wahrheit. Entgegen allen anders lautenden Überschriften: Es wurden nur Cannabis-Fertigarzneimittel verschreibungsfähig, weder wurden vollwertige Cannabisblüten leichter verfügbar gemacht, noch wurde der Eigenanbau genehmigt oder das Problem der fehlenden Kostenerstattung durch die Krankenkassen bei existierenden Cannabismedikamenten wie Dronabinol gelöst. Dr. Franjo Grotenhermen aus Rüthen, Vorsitzender der bundesweiten Arbeitsgemeinschaft „Cannabis als Medizin” resümiert: „Enttäuschung bei Patienten ist groß“.
Dr. Harald Terpe, der drogen- und suchtpolitische Sprecher der Grünen Bundestagsfraktion benennt in einem Dossier zum Thema Cannabis als Medizin die politisch Verantwortlichen:
2011: Bundesregierung verweigert Zugang zu kostengünstigem Medikament
Im Januar 2011 hat das Verwaltungsgericht Köln einem Patienten Recht gegeben, der gegen die Anlehnung seines Antrags auf Genehmigung des Eigenanbaus von Cannabis durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM9 geklagt hatte. Der Patient hatte eingewandt, er könne sich die monatlichen Therapiekosten von bis zu 1.500 Euro für einen Cannabisextrakt nicht leisten. Das BfArM muss nun erneut über den Antrag des Patienten befinden.
Politisch brisant ist dies auch, weil das BfArM offenbar bereit war, den Antrag des Patienten zu genehmigen. Auf Druck des FDP-geführten Bundesgesundheitsministeriums (BMG) rückte das BfArm davon aber ab.Das widerspricht den vollmundigen Ankündigungen der Bundesregierung, die Versorgung schwer Kranker mit cannabishaltigen Medikamenten verbessern zu wollen.
In ihrem Antrag (Drucksacke 17/6127) fordern die Grünen die Bundesregierung auf:
a) einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch den im Regelfall ein betäubungsmittelrechtliches Strafverfahren wegen Gebrauchs von Cannabis eingestellt und die Beschlagnahme sowie Einziehung des Betäubungsmittels ausgeschlossen wird, wenn die oder der Tatverdächtige Cannabis aufgrund einer ärztlichen Empfehlung verwendet und dabei zugleich die Voraussetzungen sowie das Verfahren zu regeln, nach denen eine solche ärztliche Empfehlung anhand einer Liste von Indikationen ausgestellt und nachgewiesen werden kann,
b) durch das Bundesministerium für Gesundheit eine Expertengruppe nach §35c Abs. 1 SGB V einzuberufen, die für eine Beratung und Beschlussfassung im Gemeinsamen Bundesausschuss Bewertungen zur zulassungsüberschreitenden Anwendung von Arzneimitteln auf Basis von Cannabis erstellt und in diesen Fällen für schwerstkranke jedoch nicht an einer regelmäßig tödlichen verlaufenden Erkrankung leidende Patientinnen und Patienten einen Anspruch auf Kostenübernahme für Medikamente im Off-Label-Use ermöglicht.
Mit diesen Forderungen würde zum einen die Strafverfolgung von Cannabisnutzern mit ärztlichem Attest frühzeitig gestoppt. Bisher mussten sich die Betroffenen entweder viele Instanzen durchklagen oder wurden verurteilt, ihre Medizin blieb so oder so beschlagnahmt. Die zweite Forderung ist essenziell, um Cannabismedikamente nicht nur theoretisch für alle Menschen verfügbar zu machen. Wer derzeit etwa Dronabinol von seinem Arzt verschrieben bekommt, muss dies selbst bezahlen, da die Krankenkassen eine Erstattung ablehnen. Die hohen Kosten – meist in Kombination mit einer reduzierten Erwerbsfähigkeit der meist chronisch kranken Patienten – verhindern damit die praktische Nutzung von Cannabis als Medizin. Mit ihrem Antrag greifen die Grünen zwei zentrale Forderungen des Selbsthilfenetzwerks Cannabis Medizin auf.
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