
Seit einigen Monaten beobachten wir, und viele von euch sicherlich auch, die Entwicklungen in den USA ganz genau. Bei vielen Beobachtern überwiegt nach den Wahlen im November die Begeisterung, aber viele sind auch noch unsicher, was genau passieren wird, und ob die Bundesbehörden die Wählerentscheide der einzelnen Staaten respektieren werden. Der Kampf um den Hanf ist in den USA voll entbrannt und teilweise wird es schwer, den Überblick über die vielen verschiedenen Nachrichtenmeldungen zu bekommen. Wir wollen das an dieser Stelle versuchen.
Am 6.11.2012 wurde neben der Präsidentschaftswahl auch in 3 einzelnen US-Bundesstaaten über die Legalisierung von Cannabis als Genussmittel abgestimmt. Nachdem in vielen Bundesstaaten medizinisches Cannabis schon länger legal ist und die letzte Volksabstimmung 2010 in Kalifornien nur ganz knapp gescheitert war, konnte die US-Legalisierungsbewegung nun den ersten richtig großen Erfolg verbuchen. In den beiden Bundesstaaten Colorado und Washington wurden die Vorschläge zur Legalisierung angenommen, in Oregon scheiterte die Abstimmung leider bei 45% Zustimmung. Einen Monat nach der Abstimmung, am 6. Dezember, trat das Gesetz in beiden Staaten offiziell in Kraft und wurde von dortigen Hanffreunden trotz der Eiseskälte öffentlich gefeiert.
Seit diesem Tag ist der Besitz von bis zu einer Unze Cannabis (= 28,35 Gramm) in beiden Staaten völlig legal, das heißt wenn die lokale Polizei Cannabis in diesen Mengen findet, wird sie es nicht beschlagnahmen und auch keine Anzeige schreiben. Schon vor dieser offiziellen Umsetzung der Volksabstimmung, wenige Tage nach Veröffentlichung des Wahlergebnisses begannen jedoch Staatsanwälte in Washington und Colorado bereits damit, hunderte laufende Strafverfahren wegen solch geringer Mengen einzustellen, obwohl das gar nicht in der Gesetzesvorlage der Volksabstimmung vorgesehen war.
Die Regeln in Washington und Colorado ähneln sich in weiten Teilen. Beide fordern einen legalen und regulierten Cannabismarkt mit Zugang ab 21 Jahren, was eine in den USA für viele Dinge übliche Altersgrenze ist. Beide untersagen weiterhin offiziell den Konsum in der Öffentlichkeit, und beide legen als Grenze für den privaten Besitz eine Unze Cannabis fest. In Colorado wurde jedoch zusätzlich der Eigenanbau von bis zu 6 Hanfpflanzen legalisiert, davon dürfen 3 in Blüte stehen. In Washington bleibt der private Anbau von Cannabis weiterhin verboten, sofern man keine medizinische Indikation vorweisen kann.
Lizenzen für den kommerziellen Anbau und Verkauf von nicht-medizinischem Cannabis werden allerdings erst Ende 2013 vergeben. Bis dahin bemühen sich die Behörden beider Bundesstaaten um die Entwicklung von Regularien für einen geordneten Hanfmarkt. Dazu suchen die lokalen Behörden jetzt auch nach fähigen Menschen, die als Marihuana-Berater der Regierung tätig werden sollen:
Der Stellenausschreibung nach hat man Beratungsbedarf in vier Bereichen: Für den ersten dieser Bereiche, „Fachwissen über Produkt und Industrie“, schweben der Behörde „mindestens drei Jahre Beratungserfahrung mit Fachbezug zur Cannabisindustrie“ vor. Und zwar „einschließlich (aber nicht begrenzt auf) Produktanbau, Ernte, Verpackung, Wirkstofflösung und Produktsicherheit“.
Natürlich wollen viele Hanffreunde nicht so lange warten, bis all das passiert ist, und suchen jetzt nach Wegen, um schon in diesem Jahr die Vorzüge des neuen Gesetzes zu nutzen. Dabei kommt ihnen in Colorado ein Satz des Amendment 64 zu Gute, nach dem das Verschenken von Cannabis für den persönlichen Gebrauch, genauso wie der Besitz, mit sofortiger Wirkung legal ist. So entstanden in Colorado schnell zwei kreative Konzepte. Das eine ist ein privater Club namens Club64, in dem man für einen monatlichen Beitrag das Recht erwirbt, im Clubraum sein eigenes mitgebrachtes Cannabis zu konsumieren oder es dort an andere zu verschenken. Noch kein Quantensprung in Sachen Legalisierung, aber ein erster Schritt. Hier ein kleines Video:
Eine etwas weitergehende Idee war die der ersten offiziellen Hash Bar in Denver, Colorado. Unter dem Namen „White Horse Inn“ wollte hier jemand ein Café eröffnen, in dem es Kaffee für 15-20 Dollar pro Tasse gibt und zu jeder Tasse zusätzlich ein Gramm Cannabis geschenkt. Schon kurz nach der Eröffnung musste der Laden jedoch wieder schließen, weil dem Besitzer und Vermieter der Räumlichkeiten der Andrang von Besuchern und Kunden zu groß war. Dadurch kam es gar nicht zu einer echten Konfrontation mit dem Gesetzgeber. Kurzzeitig wurde das Geschäft scheinbar von Privaträumen aus betrieben, seit letztem Monat liegt die Facebookseite still. Es wird also scheinbar doch noch einige Monate dauern, bis man in Colorado und Washington ganz offiziell und zu Genusszwecken Cannabis erwerben kann.
Aber der Startschuss ist gegeben. In vielen US-Staaten werden jetzt ähnliche Volksabstimmungen für die nächsten Wahlgänge geplant, und es geht in den meisten davon ganz eindeutig nicht mehr um eine reine Entkriminalisierung der Konsumenten, sondern um die Schaffung eines legalen und regulierten Marktes, mit Verkauf in speziellen Geschäften, Jugendschutz und normaler Besteuerung. Aktuell laufen Vorbereitungen für Volksentscheide in Maine, New Hampshire, Pennsylvania, Rhode Island, und Vermont. In Hawaii scheiterte ein kürzlich gestarteter Versuch leider am Widerstand verschiedener gesellschaftlicher Gruppen wie der „Coalition for a Drug-Free Hawaii“.
Es gibt also durchaus auch noch viel Gegenbewegung, und es ist nicht völlig klar, wie die Situation sich entwickeln wird. Als vor 17 Jahren in Kalifornien das erste Gesetz zu medizinischem Cannabis beschlossen wurde, gab es zunächst permanente Razzien und Gegenmaßnahmen durch Bundesbehörden, die das Landesrecht von Kalifornien nicht akzeptieren wollten. Und bis heute finden noch gelegentliche Razzien bei Growern oder Dispensary-Betreibern in allen Staaten mit offiziellen Abgabeformen für medizinisches Cannabis statt. Es wäre also durchaus denkbar, dass es auch in Washington und Colorado zunächst einmal starke Eingriffe von Seiten der Bundesbehörden geben wird. So oder so bin ich persönlich überzeugt, dass der Wille der Wähler sich am Ende durchsetzen wird. Auch wenn es vorläufig noch Razzien und Verhaftungen geben kann, der Damm ist gebrochen und den Bundesbehörden fehlt es eindeutig an finanziellen Mitteln, um in jeder Kleinstadt des Landes die Cannabisprohibition aufrecht zu erhalten, wenn die lokalen Polizisten nicht mehr mitarbeiten. Die Analogien zur Alkoholprohibition sind hier sehr deutlich; auch die wurde zunächst in einzelnen Bundesstaaten gekippt, bevor bundesweite Veränderungen durchgesetzt wurden.
Zur Zeit läuft eine Initiative verschiedener Kongressabgeordneter, um eine bundesweite Liberalisierung durchzusetzen, die es den einzelnen Bundesstaaten ermöglichen würde, selbstständig eigene Gesetze zu Produktion und Handel von Cannabisprodukten zu erlassen, ohne Angst vor einem Eingriff der Bundesbehörden. Begleitet wird sie von einer Art Protestmailer von unseren Freunden der Drug Policy Alliance, um die Aufmerksamkeit von Präsident Obama zu gewinnen. Sollte diese Initiative tatsächlich durchkommen, so würde das sicherlich viele weitere Bundesstaaten ermutigen, Gesetze zur Regulierung und Legalisierung des Cannabismarktes zu erlassen.
Es passiert sehr, sehr viel in den USA, dem Mutterland der weltweiten Drogenprohibition, und es ist äußerst wahrscheinlich, dass diese Vorgänge auch Einfluss auf andere Länder haben werden. Speziell in Süd- und Mittelamerika wird der Wunsch nach einem Ende des Drogenkriegs immer lauter, die dortigen Politiker erkennen zunehmend die Bedeutung dieses Themas. Und auch in Europa und Deutschland nehmen immer mehr Menschen wahr, was grade jenseits des Atlantiks passiert. Das Wochenmagazin „Der Spiegel“ hat grade eine mehrteilige Serie zum gescheiterten Drogenkrieg begonnen, begleitet von diesem Bericht von Spiegel TV, der im zweiten Beitrag auch recht intensiv über die Entwicklungen in Washington und Colorado berichtet. Wir dürfen gespannt sein, wie die Entwicklungen weitergehen und wie sich dies auf Deutschland auswirken wird. Eine starke Basisbewegung in Deutschland ist jetzt wichtiger denn je, um die Entwicklungen zu begleiten und zu verstärken.
Vor einigen Tagen erst berichtete der Spiegel schon einmal, hier wurde auch unser Geschäftsführer Georg Wurth zitiert. Der DHV erreicht also langsam die kritische Masse, um in den Medien erwähnenswert zu werden. Bald schon werden wir sagen können: Es geht voran, auch in Deutschland!
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