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DHV-Newsletter: Rundbrief zur Cannabispolitik vom 20.03.2009

DHV-Newsletter: Rundbrief zur Cannabispolitik vom 20.03.2009

Newsletter vom 20.03.2009


  1. Natürliches Cannabis legale Medizin
  2. USA: Der Schwimmstar, sein Müsli und verdächtige Fotos
  3. Schweigepflicht besser nicht vertrauen
  4. Kiffer kriegen Hodenkrebs – Oder doch nicht?
  5. Termine

1. Natürliches Cannabis legale Medizin

Erstmals hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) Patienten eine Ausnahmegenehmigung nach §3 (2) BtMG erteilt, die es den sieben Betroffenen erlaubt, natürliches Cannabis legal über eine Apotheke zu beziehen und als Medikament zu nutzen.

Die Betroffenen hatten Therapieversuche mit Dronabinol und dem seit September 2007 “genehmigungsfähigen” Cannabis-Extrakt-Sesamöl (beide von THC-Pharm) abbrechen müssen, weil die erwünschten Erfolge ausblieben. Nun werden die Patienten vom “medizinisch standardisierten” Marihuana der Firma Bedrocan profitieren können, wie dies ihre niederländischen Leidensgenossen schon seit ACHT JAHREN tun.

Das Apothekencannabis hat einen THC-Gehalt von 18 Prozent und kostet die Patienten 15,- Euro pro Gramm. Es ist damit ungefähr doppelt so teuer wie Marihuana auf dem deutschen Schwarzmarkt (Durchschnittspreis laut EMCDDA 8,20 Euro) und Apothekenmarihuana jenseits der Grenze.

Der DHV begrüßt die Entscheidung des BfArM, deutschen Patienten den Zugang zu Apothekencannabis zu ermöglichen. Gleichzeitig fordert er eine rasche Erteilung von Genehmigungen an weitere Patienten.
Ich würde mir wünschen, dass die behandelnden Ärzte selbst entscheiden dürfen, was ihren Patienten hilft. Viele Mediziner und Betroffene scheuen den jahrelangen Kampf um eine Genehmigung des BfArM. Immer wieder versterben Patienten, bevor die Behörde überhaupt eine Entscheidung trifft. Die Legalisierung von Cannabis als Medizin ist keine Frage der Drogenpolitik, sondern eine der Menschenwürde! so Steffen Geyer im Magazin Port01.

Nach Schätzungen der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin könnten mindestens 50.000 deutsche Schmerz-, Krebs-, Aidspatienten, Multiple Sklerose Kranke und Spastiker von Cannabis als Medizin profitieren.

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2. USA: Der Schwimmstar, sein Müsli und verdächtige Fotos

Aufreger des Monats in den USA waren Bilder, die den 14-fachen Olympiasieger und Schwimmstar Michael Phelps beim Rauchen einer Bong zeigten. Der 23-jährige US-Amerikaner entschuldigte sich umgehend bei Fans und Sponsoren für sein “Fehlverhalten”, äußerte sich jedoch nicht dazu, ob er illegale Substanzen konsumiert (hat).

Einer seiner Hauptsponsoren, der Cerealienhersteller Kellogg, kündigte daraufhin an, einen hoch dotierten Werbevertrag nicht zu verlängern. Phelps habe sich nicht ausreichend von Drogen distanziert.
Als Reaktion auf den Rausschmiss starteten Legalisierungsaktivisten eine Kampagne gegen Kellogg und riefen zum Boykott auf.

Der Aufruf zeigte dank rascher Verbreitung besonders im englischsprachigen Internet deutliche Effekte.
So sank der Aktienkurs der Firma von 44 Dollar auf 39 Dollar bis zum Ende des Monats. Im Vanno Reputation Index, einer monatlichen Studie zum Image der 5.600 wichtigsten US-Unternehmen, stürzte Kelloggs von Platz 9 Anfang Februar auf Rang 83 Anfang März ab.

Ob diese Effekte mittel- und langfristig bestehen und ob sich die Unternehmensleitung in Zukunft bei vermeintlichen Cannabistaten zurückhaltender zeigen wird, ist indes zweifelhaft.

I’ve been skeptical of previous boycott proposals that have circulated among reformers in the past, but this effort has been a massive success. In terms of media coverage and the subsequent slaughter of Kellogg’s corporate reputation ranking, we couldn’t have asked for a more visible impact than we’ve managed to achieve. so Scott Morgan im DrugWar Chronicle

Etwa: Ich war in der Vergangenheit immer skeptisch, wenn Boykottaufrufe unter den Aktivisten kreisten, aber diesmal war der Aufwand ein massiver Erfolg. Gemessen an der Medienwirksamkeit und der anschließenden Schlacht um Kelloggs Firmenimage, hätten wir keinen sichtbareren Eindruck hinterlassen können, als den, den wir erreicht haben.

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3. Schweigepflicht besser nicht vertrauen

Wer sich in Deutschland an einen Arzt wendet, vertraut darauf, dass alles, was er dem Mediziner erzählt, unter die ärztliche Schweigepflicht fällt. Gerade bei Notfällen nach Drogenkonsum ist das wichtig, weil Ersthelfer und Betroffene sonst aus Angst vor der Polizei untätig bleiben und Notrufe zu spät oder gar nicht gemacht werden.

Umso unerfreulicher ist da das, was einem Regensburger im Februar widerfuhr. Der hatte, um seinen bewusstlos am Boden liegenden Bruder zu retten, den Notruf 112 gewählt und am Telefon etwas davon gesagt, dass “eventuell Heroin im Spiel sei”.
Mit den wenig später eintreffenden Sanitätern kamen völlig überraschend auch Beamte der Polizeiinspektion Regensburg. Diese wollten nicht nur die Personalien des Bewusstlosen, sondern wegen “Gefahr im Verzug” auch dessen Wohnung durchsuchen (in der jedoch nichts Belastendes gefunden wurde).

Nun wehrt sich der Betroffene mittels Strafanzeige gegen die offensichtliche Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht – Irgendwer in der Rettungsleitstelle muss der Polizei bescheid gesagt haben. Woher sollte sie sonst von dem Vorfall wissen?

Leider ist das kein Einzelfall. Der Anwalt des Betroffenen wies darauf hin, dass die ärztliche Schweigepflicht immer wieder unter Hinweis auf eine mögliche Straftat ausgehebelt werde.
Dr. Willi Unglaub von der Drogenabteilung des Bezirkskrankenhauses Regensburg geht sogar noch weiter. Er sagte der Mittelbayrischen Zeitung: “Ich kann nur raten, nichts von Drogen zu sagen, wenn es sich um einen ‚normalen Notfall‘ durch Eigenkonsum handelt.”

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  • Artikel der Mittelbayrischen Zeitung vom 22.02.2009 “Auch beim Drogennotfall gilt die ärztliche Schweigepflicht”
  • Artikel im Cannabis-Blog des DHV vom 20.03.2009 “Bleitest – was erzähle ich dem Arzt?

4. Kiffer kriegen Hodenkrebs – Oder doch nicht?

Einen klassischen Fall von “traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast” konnte im Februar bewundern, wer die Presseberichte über eine Hodenkrebsstudie aus den USA gelesen hat.
Die Studie verglich das Risiko von knapp 1400 Männern aus dem Staat Washington, an Hodenkrebs zu erkranken. Unter den 369 Erkrankten hatten 73 Prozent schon einmal Cannabis konsumiert. Die 1000 Mann starke gesunde Vergleichsgruppe hatte zu 68 Prozent Erfahrungen mit der Droge.

Dieser geringe Unterschied allein hätte sicher keine Schlagzeilen verursacht. Er entsteht in erster Linie dadurch, dass Krebskranke, die an der Erforschung ihrer Krankheit “mitwirken”, offener über ihren Drogenkonsum berichten, als zufällig ausgewählte Gesunde bei einer Telefonbefragung.

Einen messbaren “Zusammenhang” zwischen Cannabiskonsum und Hodenkrebsrisiko fanden die Forscher lediglich bei einer bestimmten Gruppe. Sie schrieben in der Presseerklärung:

The researchers found that being a marijuana smoker at the time of diagnosis was associated with a 70 percent increased risk of testicular cancer. The risk was particularly elevated … for those who used marijuana at least weekly and/or who had long-term exposure to the substance beginning in adolescence.
The results also suggested that the association with marijuana use might be limited to nonseminoma.

Etwa: Die Untersuchung zeigte, dass Cannabiskonsum zum Zeitpunkt der Diagnose mit einem 70 Prozent höheren Risiko für Hodenkrebs einherging. Das Risiko war speziell bei jenen erhöht, die Marihuana mindestens wöchentlich konsumieren und/oder Langzeitkonsumenten sind, die in der Jugend mit dem Konsum begannen.
Die Ergebnisse legen nahe, dass sich der Zusammenhang mit dem Cannabiskonsum auf Nonseminome beschränken könnte.

Nur bei dieser seltenen (aber besonders aggressiven) Hodenkrebsart, sahen die Forscher einen direkten Einfluss des Kiffens auf das Krebsrisiko. Weil sie ihre Erklärung jedoch mit “Marihuanagebrauch mit erhöhtem Hodenkrebsrisiko verknüpft” überschrieben, wimmelte es am nächsten Tag im Blätterwald von Schlagzeilen wie “Kiffen greift die Hoden an”!

Dabei ist das Risiko an der betroffenen Krebsart zu erkranken sehr gering – nur 7 von 100.000 Deutschen Männern erkranken pro Jahr daran.
Wenn das Ergebnis der Studie korrekt ist, erhöht sich die individuelle Chance im Laufe seines Lebens an dieser Form von Hodenkrebs zu erkranken, durch häufigen oder frühen Cannabiskonsum auf 0,012 Prozent. Dazu kommt, dass rund 95 Prozent der Hodenkrebspatienten geheilt werden können.

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5. Termine

  • 23.03.2009 Flensburg, Berufungsverhandlung Axel Junker im Landgericht Flensburg (Südergraben 22) um 09.15 Uhr im Saal A 113
  • 01.05.- 03.05.2009 Basel (Schweiz), Cannatrade; internationale Hanffachmesse – www.cannatrade.com
  • 01.05.- 09.05.2009 weltweit, Global Marihuana March 2009; Infoveranstaltungen, Demos und Feste für die Legalisierung von Cannabis in mehr als 100 Städten in aller Welt – www.globalmarijuanamarch.org
  • 09.05.2009 Bremen, Symposium des Schildower Kreises “Kontrolldiagnosen aktueller Drogenpolitik”
  • 09.05.2009 Berlin, Hanftag der Hanfwehr anlässlich des GMM2009 – www.hanftag.de
  • 01.08.2009 Berlin, Hanfparade 2009 – Für eine freie Wahl, Demonstration für die Legalisierung von Cannabis als Rohstoff, Medizin und Genussmittel – www.hanfparade.de

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