DHV-Newsletter: Rundbrief zur Cannabispolitik vom 14.08.2009
Newsletter vom 14.08.2009
- Schweiz: Hanfrepression macht Koks und Heroin billig
- Hanfparade fordert “freie Wahl”
- Stadtwerke verpfeifen Homegrower
- Medizin: Kein höheres Schizophrenierisiko durch Cannabiskonsum
- Termine
1. Schweiz: Hanfrepression macht Koks und Heroin billig
Schweizer Suchthilfeexperten ziehen nach 5 Jahren verstärkter Hanfrepression ein vernichtendes Fazit. Höhere Strafen und die Schließung der Hanfläden hätten Cannabis zwar seltener und teurer gemacht, dafür sei jedoch der Konsum gefährlicherer Drogen wie Heroin und Kokain verbreiteter und billiger denn je.
Die in den späten 90er Jahren erblühte liberale Hanfkultur in der Schweiz fand im Juni 2004 ein jähes Ende, als der Nationalrat die Revision des BetMG (Schweizer Betäubungsmittelgesetz) ablehnte. Seither wehte den Kiffern der Alpenrepublik ein rauer Wind entgegen.
Die damals weit verbreiteten Hanfläden und ihre auch bei deutschen Touristen beliebten “Duftsäckli” verschwanden praktisch über Nacht, hektarweise wurden blühende Hanffelder vernichtet und manch prominenter Vertreter der Schweizer Hanfszene fand sich hinter Gittern wieder.
Ziel der mit erheblichem Druck der Polizei und drakonischen Strafen durchgesetzten “neuen harten Linie gegen Cannabis” war es, den Konsum insbesondere unter Jugendlichen zu senken und so einen möglichen “Umstieg auf härtere Drogen” präventiv zu verhindern.
Der Erfolg der nun schon 5 Jahre andauernden Repressionswelle ist indes zweifelhaft. Behördenvertreter verweisen darauf, dass Haschisch und Marihuana heute bis zu 50 Prozent teurer seien als im Jahr 2004. Dennoch kiffen in der Schweiz deutlich mehr Jugendliche als in anderen Europäischen Ländern.
So gaben bei der europaweit durchgeführten Schüler- und Jugendstudie ESPAD 2007 ein Drittel der Schweizer Jugendlichen an, bereits Erfahrungen mit Cannabis zu haben (Jungen: 39%; Mädchen: 27%). Im EU-Durchschnitt sind es 19 Prozent (Deutschland Jungen 20%; Mädchen 19%).
Gut 15 Prozent der Jugendlichen in der Schweiz hatten im Monat vor der Befragung Cannabis konsumiert (Deutschland 7%).
Jürg Niggli, Leiter der Suchthilfe der Stadt St. Gallen, sagte der Schweizer Tagesschau “Die Repression hat nichts gebracht, man sieht es ja. Wir haben eigentlich dieselbe Situation wie vor 10 Jahren. Wir haben keine Erfolge erzielt in der Prävention bezüglich Cannabis-Konsum.”
Niggli warnte im Interview außerdem davor, dass immer häufiger hochpotentes Indoormarihuana geraucht werde, das wesentlich mehr THC enthalte, als das unter der Schweizer Sonne gewonnene Gras der Jahrtausendwende. Er sieht im Anstieg der Wirkstoffkonzentration eine direkte Folge der Repression und fürchtet Fehl- und Überdosierungen bei ungeübten Konsumenten.
Noch schlechter fällt die Bilanz der Hanfrepression aus, wenn man die Entwicklung des Konsums anderer Rauschmittel mit berücksichtigt. Am Beispiel Sankt Gallen zeigte die Tagesschau dies drastisch.
Auf den Straßen der Stadt ist es selbst für Szenekenner immer schwerer, Cannabisprodukte zu erwerben. Wegen des hohen Verfolgungsdrucks stieg ihr Preis zudem dramatisch von ehemals acht auf 12-15 Franken pro Gramm (etwa 8-10 Euro).
Stattdessen floriert der Handel mit Pillen und Pülverchen. Heroin, das früher rund 100 Franken kostete ist heute mit 15-20 Franken nur unwesentlich teurer als Hanf. Auch die Kokain- und Ecstasypreise brachen ein, weil mehr und mehr Drogenhändler auf die höheren Gewinnspannen synthetischer Rauschmittel setzen und die Anzahl der Konsumenten wächst.
Ob die Politik sich der warnenden Worte der Suchtexperten annimmt ist unklar. Auch in der Schweiz lähmt die Sommerpause die Regierenden.
- Schweizer Fernsehen Tagesschau vom 1. Juli 2009 “Kokain und Heroin zum Spottpreis”
- Schweizerische Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme “Schweizer Jugendliche: Keine Musterschüler beim Alkohol- und Drogenkonsum“
- Meldung des DHV vom 01.12.2008 “Quo vadis Helvetica? Wie weiter nach dem Nein zur Hanfinitiative“
2. Hanfparade fordert “freie Wahl”
Am 01.August fand in Berlin die 13. Hanfparade statt. Die traditionsreiche Demonstration für die Legalisierung von Hanf als Rohstoff, Medizin und Genussmittel stand 2009 unter dem Motto “Für eine freie Wahl”.
“Damit wollen wir deutlich machen, dass die freie Wahl von Genussmitteln ein allgemeines Menschenrecht ist, das uns aber verweigert wird”, sagte der Parade-Mitveranstalter und DHV-Mitarbeiter Steffen Geyer der DPA.
Obwohl sich an der Hanfparade nur rund 1.200 Menschen beteiligten, schenkten die Medien der einzigen regelmäßigen Legalisierungsveranstaltung Deutschlands relativ viel Aufmerksamkeit.
Die Hanfparade profitierte dabei vom zunehmenden Interesse der Öffentlichkeit an der Nutzpflanze Cannabis, das sich nicht zuletzt im Erfolg der wachsenden Anzahl an Hanfirrgärten und -labyrinthen in Deutschland zeigt.
Auffälligster Unterschied der Hanfparade 2009 zu ihren Vorgängern war das defensive Auftreten der Berliner Polizei. Weil zeitgleich mit den Harley-Days und einem Treffen der Motorradgruppe Hells Angels zwei “gefahrenträchtigere Veranstaltungen” polizeilich zu begleiten waren, blieben wohl nur wenige Beamte für die Durchsetzung des Hanfverbotes.
“Solange die nicht mit einem Joint vor unserer Nase herumwedeln, sind die ganz friedlich”, sagt einer der Einsatzleiter gar dem Berliner Tagesspiegel über die Hanfdemonstranten.
Taschenkontrollen und Festnahmen wie in den Jahren zuvor, gab es 2009 nicht. Kein Wunder dass die Stimmung unter den Teilnehmern da deutlich besser war, als im vergangenen Jahr.
- Artikel des Tagesspiegel vom 02.08.2009 “Berlin im Veranstaltungsfieber”
- Artikel auf UsualRedAnt.de vom 01.08.2009 “Die Hanfparade – Ziele, Motivation und Erfolge”
- “Nützliches Cannabis” Frühcafe von TV.Berlin vom 23.07.2009
3. Stadtwerke verpfeifen Homegrower
Weil sein Stromverbrauch plötzlich anstieg, hetzten die Stadtwerke Duisburg einem 30-Jährigen die Polizei ins Haus. Die fand eine kleine Cannabisplantage, die nach Aussage des Mannes ausschließlich der Deckung seines eigenen Bedarfs diente.
Durch den Eigenanbau wollte er schlechter Qualität und dem gestiegenen Gesundheitsrisiko des Schwarzmarktes entgehen, gab der Mann vor Gericht zu seiner Verteidigung an.
Der Richter verurteilte ihn dennoch zu einer sechsmonatigen Haftsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Hausdurchsuchungen wegen “verdächtig hohem Stromverbrauch” gehören in Deutschland leider langsam zum traurigen Alltag. Nicht selten kommen dabei Unschuldige ins Visier der Behörden.
- Meldung der Zeitung “Der Westen” vom 14.07.2009 “Eigene Plantage sollte Dealer ersetzen”
- DHV-Protestmailer “Homegrower entkriminalisieren – Schwarzmarkt schwächen”
4. Medizin: Kein höheres Schizophrenierisiko durch Cannabiskonsum
Eine Ende Juni in Großbritannien veröffentlichte Langzeitstudie mit rund 600.000 Teilnehmern kommt zu dem Ergebnis, dass es keinen Zusammenhang zwischen Cannabiskonsum und dem Risiko gibt, an Schizophrenie zu erkranken.
Die Forscher verglichen das Konsumverhalten der Briten mit den Schizophrenie- und Psychosedaten der Patienten von 183 Arztpraxen (2,3 Prozent der Bevölkerung). Dabei kamen sie zu dem Ergebnis, dass “die ursächlichen Modelle, die Cannabis mit Schizophrenie/Psychosen verbinden, durch diese Studie nicht unterstützt werden”
- IACM-Informationen vom 04.07.2009 “Wissenschaft: Die Entwicklung der Anzahl neu aufgetretener Schizophrenie-Fälle in Großbritannien unterstützt nicht die Hypothese, dass Cannabiskonsum das Schizophrenierisiko erhöht“
5. Termine
- 15.08.- 16.08.2009 Seattle (USA), Seattle Hempfest – weltgrößte Demonstration und Festival rund um Marihuana
- 28.08.- 30.08.2009 Berlin, Sonderausstellung “Ferdinand Lassalle lädt zum Herrenabend” zur Historiale 2009
- 25.09.- 26.09.2009 Frankfurt/Main, 9. Internationaler akzept Kongress – Vorträge und Diskussionen über alternative Drogenpolitik
- 27.11.- 29.11.2009 Wien (Österreich), Cultiva – Hanffachmesse
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