Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit hat die Hessische Landesregierung aus CDU und Grünen im Bundesrat beantragt, das Postgeheimnis zu entschärfen. Bislang dürfen nur beschädigte oder nicht zustellbare Sendungen geöffnet und den Ermittlungsbehörden lediglich bei einem Verdacht auf eine Straftat zur Untersuchung vorgelegt werden. Dem neuen Entwurf zufolge sollen Mitarbeiter von Paket- und Briefdienstleistern verdächtige Briefe und Pakete zukünftig proaktiv der Polizei melden. Im ursprünglichen Entwurf aus Hessen hieß es, die Änderung sehe eine Verpflichtung der Beschäftigten von Postdienstleistern zur Vorlage von Postsendungen bei den Strafverfolgungsbehörden vor, sofern die Sendung Anhaltspunkte auf einen Verstoß gegen Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz, dem Neue-Psychoaktive-Stoffe-Gesetz, dem Arzneimittelgesetz, dem Anti-Doping-Gesetz, dem Waffengesetz oder dem Sprengstoffgesetz enthielte.
CDU und Grüne begründen die geplante Änderung des Postgeheimnisses mit dem „zunehmenden Handel mit inkriminierten Gütern im sogenannten Darknet unter Nutzung von Postdienstleistern.“
Nachdem der Entwurf dem Bundesrat im März vorgestellt worden war, schlugen der Wirtschafts- sowie der Rechtsausschuss des Bundesrates vor, das geplante Gesetz noch ein wenig schärfer zu formulieren als von Hessen vorgesehen. Der Rechtsausschuss kritisierte, dass mit dem vorgeschlagenen Entwurf nur eine Pflicht zur Information der Strafverfolgungsbehörden bezüglich beschädigter Sendungen und Rückläufern festgeschrieben werde, durch äußere Form oder zum Beispiel Geruch auffällige Sendungen danach jedoch nicht aussortiert werden könnten. Der überarbeitete Entwurf, der am 15.05. im Bundesrat angenommen und nun dem Bundestag vorgeliegt, stehen jetzt auch eine verdächtige Verpackung (Beispiel Luftpolstertaschen, die Betäubungsmittel in leeren CD-Hüllen enthalten). Für die vorsätzliche oder fahrlässige Verletzung jeder Meldepflicht sieht der Entwurf eine Geldbuße von bis zu 500.000 Euro für das Postdienstleistungen erbringende Unternehmen vor.
Cannabis ist die meist konsumierte, illegale Substanz in Deutschland
Grund genug, bei der Landtagsfraktion der Hessischen Grünen in Form einer Presseanfrage nachzufragen:
Ist die Enttarnung von Konsumenten illegaler Substanzen vorrangiges Ziel dieses Antrags?
Falls ja, ist das mit den Eckpunkten Grüner Drogenpolitik vereinbar?
Falls nein – wie genau soll die Verschärfung gegen Dealer, die ihre Herkunft i.d. Regel verschleiern, wirksam werden?
Inwieweit zielt die Kampagne auf das Auffinden illegaler Cannabis- und Hanfsamensendungen ab?
Ist es möglich , dass im Zuge einer solchen Änderung Cannabiskonsument*innen am häufigsten von den repressiven Maßnahmen betroffen sein werden, da Cannabis die meist konsumierte, illegale Substanz ist ?
Hierauf antwortet die rechtspolitische Sprecherin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Hessischen Landtag, Hildegard Förster-Heldmann:
Die Gesetzesinitiative zielt nicht auf die Konsumenten von Cannabis. Sie richtet sich gegen die Betreiber illegaler Handelsplattformen im Darknet. Dort werden schwere Drogen sowie Waffen und Sprengstoff vertrieben. Darum geht es uns. Es ist ein wichtiges gesellschaftliches Anliegen, dafür Sorge zu tragen, dass solchen strafbaren, für die Allgemeinheit konkret gefährlichen Aktivitäten die Grundlage entzogen wird. Die Initiative hat zum Ziel, Ermittlungsansätze zu schaffen, die sich in erster Linie gegen die Verkäuferseite richten. Sie sind nur ein Baustein, um die Betreiber illegaler Handelsplattformen ausfindig zu machen. Es geht uns nicht darum, Konsumenten von Cannabis zu identifizieren.
Schwere Drogen? Gemeint sind wohl so genannte Harte Drogen wie die anvisierten Neuen Psychoaktiven Substanzen (NPS). Doch der Gesetzgeber unterscheidet nicht zwischen schweren, leichten, harten oder weichen Drogen. Pakete, die womöglich Gras oder Hanfsamen enthalten, muss der Postbote genauso melden wie Päckchen mit Speed, Koks, Spice oder Waffen. Demnach ist auch die Verfolgung von Cannabis-Konsument*innen absehbar und ein Kernpunkt der geplanten Änderung. Hier überrascht es doch ein wenig, eine juristisch so schwammige Formulierung aus der Feder einer Expertin für Rechtspolitik zu lesen. Cannabis ist die einzige illegale Substanz, die recht einfach ohne Hilfe von Hunden von der menschlichen Nase erschnüffelt werden kann. Zudem ist es die am häufigsten konsumierte illegale Substanz. So werden Cannabis-Vergehen mit der Verschärfung des Postgeheimnisses allein schon aus statistischen sowie olfaktorischen Gründen das am häufigsten aufgedeckte Delikt werden. Die Änderung wird die Grüne Wähler-Zielgruppe der Cannabis-Konsumenten*innen am härtesten treffen. Ob die Grünen das so wollten oder nicht, wird bei der Umsetzung ihres Vorschlags keine Rolle mehr spielen. Auch die Frage, wie genau diese Maßnahme gegen Dealer statt gegen Konsumenten wirksam werden soll, bleibt hier im Kern unbeantwortet.
Was übrig bleibt, ist eine neue Angst vor der Kifferjagd 3.0, an deren rechtlicher Grundlage, ähnlich wie beim Hanfsamenverbot 1998, wieder einmal Grüne Landtagsfraktionen durch ihr Abstimmverhalten im Bundesrat beteiligt sein werden. Die Verschärfung des verfassungsrechtlich verankerten Postgeheimnisses ist nach der jüngsten Grünen Verhandlungspleite in Sachen Cannabis der nächste Schlag in Gesicht all jener, die von den Grünen eine entspanntere Drogenpolitik statt die anhaltende Verfolgung von Konsument*innen illegaler Substanzen erwarten.
UPDATE: In der ursprünglichen Variante dieses Artikels stand, dass der Entwurf im Bundesrat noch verabschiedet werden muss, ehe er an den Bundestag übermittelt wird. Der überarbeitete Entwurf wurde am 15.05 bereits im Bundesrat angenommen und liegt nun dem Bundestag vor. Wir danken für den Hinweis!
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