Meldung des DHV vom 26. 7. 2007
In den vergangenen Monaten ist viel Bewegung in die Vorschriften der Bundesländer über die Einstellung von Verfahren wegen des Besitzes von Cannabis nach §31a BtMG gekommen. Zuletzt hatten das Saarland und Rheinland-Pfalz entsprechende Regeln verschärft.
Grund genug für den Deutschen Hanf Verband eine aktuelle Übersicht über die “Geringe Menge” und ihre Anwendung zwischen Flensburg und Bodensee zu erstellen.
Am 9. März 1994 stellte das Bundesverfassungsgericht klar, dass in Fällen, in denen “Cannabisprodukte lediglich in kleinen Mengen zum gelegentlichen Eigenverbrauch erworben und besessen werden” “das Maß der von der einzelnen Tat ausgehenden Rechtsgütergefährdung und der individuellen Schuld gering” sei. Um nicht die Verfassungswidrigkeit des Hanfverbotes feststellen zu müssen, suchten die Richter nach einer politisch weniger problematischen Lösung und legten fest, dass in solchen Fällen “die Strafverfolgungsorgane nach dem Übermaßverbot von der Verfolgung der in § 31a BtMG bezeichneten Straftaten grundsätzlich abzusehen haben”.
Flickenteppich Deutschland
Weil der §31a des Betäubungsmittelgesetzes keinen konkreten Grenzwert für eine Einstellung des Verfahrens wegen fehlenden öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung kennt, erließen die Bundesländer, in deren Gesetzgebungskompetenz die nötige Bestimmung dieses Grenzwertes fällt, sehr unterschiedliche Regelungen zur “Geringen Menge”. Was so entstand, erinnerte stark an einen Flickenteppich oder mittelalterliche Fürstentümer, hatte aber mit einer gleichmäßigen Anwendung des deutschen Rechts in den Bundesländern nicht viel zu tun.
Obwohl die durch die Geringe Menge entstandene Ungerechtigkeit bei einem Blick auf die Zahlen (Schleswig-Holstein 30 Gramm, Bayern 0,3 Gramm) selbst juristischen Laien sofort ins Auge fiel, brauchten die Justizminister der Bundesländer mehr als zehn Jahre und zwei wissenschaftliche Studien, um ernsthaft über eine Angleichung der Verhältnisse nachzudenken.
Ein von viel Medieninteresse begleitetes Normenkontrollverfahren des Bernauer Amtsrichters Müller und nicht zuletzt unerbittliches Nachbohren des DHV führten dazu, dass seit 2006 immer mehr Bundesländer ihre Regelungen änderten, um so im “Alleingang” wieder eine Rechtsgleichheit im Bundesgebiet herbei zu führen.
Zunächst hofften viele Cannabiskonsumenten auf “Schleswig-Holsteiner Verhältnisse” in ganz Deutschland. Schnell wurde jedoch klar, dass die Annäherung der Regeln für viele einen Rückschritt und für die meisten Bundesländer eine Senkung der Grenzwerte bedeuten würde. Zu stark war der Einfluss alter und neu gewählter konservativer Landesregierungen.Inzwischen wird deutlich, dass viele Justizminister bestrebt sind, einen bundeseinheitlichen Grenzwert von 6 Gramm zu erreichen. Aber sechs Gramm sind nicht immer 6 Gramm!
Grenzwerte der “Geringen Menge” in den Bundesländern (Stand 01.08.2007) |
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Baden-Württemberg | 3 Konsumeinheiten |
Bayern | 6 Gramm |
Berlin | 10-15 Gramm |
Brandenburg | 6 Gramm |
Bremen | 15 Gramm |
Hamburg | 6 Gramm |
Hessen | 6 Gramm |
Niedersachsen | 15 Gramm |
Nordrhein-Westfalen | 6 Gramm |
Mecklenburg-Vorpommern | 5 Gramm |
Rheinland-Pfalz | 6 Gramm |
Saarland | 6 Gramm |
Sachsen | 6 Gramm |
Sachsen-Anhalt | 6 Gramm |
Schleswig-Holstein | 6 Gramm |
Thüringen | 6 Gramm |
Ein Grenzwert – unterschiedliche Wirkung?
Wer in Hamburg mit einem Gramm Marihuana aufgegriffen wird, braucht kaum Angst vor einem Gerichtsverfahren zu haben. Inzwischen haben selbst die fleißigsten Staatsanwälte der Hansestadt die Lust daran verloren, umfangreiche Ermittlungen einzuleiten, wenn klar ist, dass das Verfahren am Ende eingestellt werden muss und die Unterlagen im Papierkorb landen. In Bayern kann man wegen des gleichen Delikts schnell mal eine saftige Geldstrafe bekommen und muss im Wiederholungsfalle sogar eine Hausdurchsuchung befürchten. Dabei liegt der Grenzwert für eine Einstellung des Verfahrens nach §31a BtMG in beiden Bundesländern bei 6 Gramm. Wie kann das sein?
Das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht untersuchte im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums die Unterschiede in der Anwendung der Geringen Menge in den Bundesländern. Dabei stellten die Forscher fest, dass zwei grundverschiedene Modelle von Regelungen existieren.
Hessen, Berlin, Sachsen und das Saarland haben Regelungen erlassen, die eine Grenze festsetzen bis zu der “das Verfahren grundsätzlich einzustellen ist” – das so genannte “Modell Untergrenze”. Die anderen Länder folgen mit ihren Vorschriften dem “Modell Obergrenze” und haben einen Grenzwert geschaffen bis zu dem “eine Anwendung des §31a in Betracht kommt”.
Das heißt, dass ein Staatsanwalt in Bayern auch bei einer verschwindend geringen Menge Cannabis ein Verfahren “eröffnen kann”, wenn er es für geboten hält, während sein Kollege in Berlin ein solches Verfahren “einstellen muss”.
Aber auch über diese Regelungsmodelle hinaus existieren zum Teil erhebliche Unterschiede in der Anwendung des §31a. So hat jedes Bundesland eigene Vorschriften erlassen um “besondere Fälle” von der Anwendung der Geringen Menge auszuschließen. Dies betrifft in erster Linie Jugendliche bzw. Aufgriffe im Umfeld von Kindern und Jugendlichen und Wiederholungstäter, aber zum Beispiel auch die Anwendbarkeit der Vorschrift auf Ausländer oder Personen die in der Öffentlichkeit Cannabis konsumieren (Hanfparadegesetz).
Der Deutsche Hanf Verband wird sich mit dieser Ungleichbehandlung weiter beschäftigen und dafür kämpfen, klare bundeseinheitliche Regeln für alle Cannabiskonsumenten zu finden.
- DHV- Meldung vom 10.07.2007 Rheinland-Pfalz senkt Geringe Menge von 10 auf 6 Gramm
- Das Geringe-Menge-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 09.03.1994
- Diskussion um die “Geringe Menge” in Berlin
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