Bremen hat die sogenannte Geringe Menge Cannabis, bis zu der Strafverfahren eingestellt werden sollen bzw. können, auf 10 bis 15 Gramm erhöht. Das entspricht der Regelung in Berlin. Die beiden Stadtstaaten haben nun gemeinsam die liberalste Regelung zu §31a BtMG in Deutschland. Der Plan der neuen Bremer Koalition, auch den Eigenanbau zu entkriminalisieren, ist jedoch an juristischen Hürden gescheitert.
Entsprechend den mittlerweile öffentlich verfügbaren Richtlinien der Bremer Justizsenatorin vom 05. März 2020 sollen Verfahren bei bis zu 10 Gramm immer eingestellt werden, bis 15 Gramm liegt die Entscheidung im Ermessen der Staatsanwälte. Wie in Berlin gibt es diverse Ausnahmen von der Einstellungsregel, abgesehen natürlich von Fällen, in denen Handel mit Cannabis nachgewiesen wurde. Die Verfahren sollen nicht eingestellt werden, wenn vor Jugendlichen konsumiert wird oder vor Einrichtungen, die von Jugendlichen und Kindern frequentiert werden (Schulen, Spielplätze) sowie bei Personen, die dort arbeiten oder die “mit dem Vollzug des Betäubungsmittelgesetzes beauftragt sind”, also Polizisten, Staatsanwälte usw. Auch das entspricht im Wesentlichen den Regelungen in Berlin. Der einzige wesentliche Unterschied: In Bremen sollen Strafverfahren gegen Jugendliche nur gegen Auflage eingestellt werden (Präventionskurse).
Von dieser neuen Regelung profitieren insbesondere Cannabiskonsumenten, die mit Mengen zwischen 6 und 15 Gramm aufgegriffen werden sowie die in solchen Fällen entlasteten Staatsanwälte und Gerichte. Es handelt sich bei diesen Veränderungen der Geringen Menge also nicht um riesige Fortschritte, zumal es viele Konsumenten gibt, die nicht mit Cannabis handeln, aber aus diversen Gründen mehr als 15 Gramm besitzen. Insofern geht es auch um ein politisches Signal in Richtung einer liberaleren Cannabispolitik.
Laut unserem entsprechend aktualisierten Bundesland-Vergleich der Richtlinien zur Anwendung des § 31a BtMG gibt es damit sechs Bundesländer mit einer Geringen Menge oberhalb von 6 Gramm. Das ist ist wichtig im Hinblick auf die Diskussion um eine bundesweite Vereinheitlichung der Geringen Menge. Die Bundesdrogenbeauftragte Daniela Ludwig und die Bayrische Polizeigewerkschaft sind sich einig, dass eine solche Vereinheitlichung nur auf dem restriktiven Niveau von Bayern und anderer Bundesländer bei sechs Gramm liegen kann. Das ist mit der Änderung in Bremen noch unwahrscheinlicher geworden.
Bremen hat laut Koalitionsvertrag zwischen SPD, Grünen und Linken von August 2019 noch viel mehr vor in der Drogenpolitik. Unter anderem bekennt sich die Koalition zur Forderung an die Bundesebene, Cannabis komplett zu legalisieren, und will unter anderem Drugchecking einführen sowie nüchternen Autofahrern nicht weiter die Führerscheine abnehmen. Wichtig im Zusammenhang mit der Anwendung des §31a ist neben der Anhebung der Geringen Menge das Vorhaben, auch den Eigenanbau zu entkriminalisieren:
Wir setzen uns auf Bundesebene dafür ein, die kontrollierte Freigabe von Cannabis an Erwachsene gesetzlich zu ermöglichen. Solange werden wir wie das Land Berlin die Möglichkeiten zur Entkriminalisierung auf Landesebene nutzen. Die Staatsanwaltschaft wird nach den Umständendes Einzelfalles von Strafverfolgung gemäß §31aBtMG absehen, beim Besitz von Cannabisharz oder Marihuana von nicht mehr als 15g für den Eigenbedarf. Bei Besitz von nicht mehr als 10gCannabisharz oder Marihuana oder von bis zu vier Pflanzen im Eigenanbau wird das Ermittlungsverfahren grundsätzlich eingestellt. In jedem Fall ist der Schutz von Kindern und Jugendlichen zu berücksichtigen.
Eine Vorgabe zur Einstellung der Verfahren wegen Eigenanbau findet sich aber nicht in den neuen Richtlinien der Justizsenatorin. Das wäre ein deutlich größerer Schritt in Richtung einer vernünftigen Cannabispolitik gewesen als nur die Anhebung der Geringen Menge. Schließlich hat bisher kein Bundesland eine offizielle Regelung zur Entkriminalisierung des Eigenanbaus. Dabei lässt §31a BtMG selbst das grundsätzlich zu:
…so kann die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre, kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht und der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.
Dabei gibt es aber ein grundsätzliches juristisches Problem mit §29a BtMG, der bei “Nicht Geringen Mengen” zwingend Freiheitsstrafen vorschreibt. Die Nicht Geringe Menge ist im Gesetz nicht definiert, die Rechtsprechung hat allerdings den Wert von 7,5 Gramm THC festgelegt. Oberhalb dieser Grenze haben die Bundesländer also keinerlei Spielraum für eine Entkriminalisierung. 7,5 Gramm THC werden zum Beispiel schon bei 50 Gramm mit 15% THC erreicht, bei stärkeren Sorten entsprechend früher. Aus diesem Grund hat zum Beispiel der Berliner Senat 2005 einen Beschluss des Abgeordnetenhauses nicht umgesetzt, die Geringe Menge auf 30 Gramm festzulegen, und stattdessen die 10-15-Gramm-Grenze eingeführt. Da der Eigenanbau durch den Erntezyklus mit einer gewissen Vorratshaltung verbunden ist und die Ernte in aller Regel über 50 Gramm liegen dürfte, ist die Einstellung solcher Verfahren mit §29a in Verbindung mit der zu niedrig angesetzten Nicht Geringen Menge von 7,5 Gramm THC nicht vereinbar. Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls eine Untersuchung der Bremer Bürgerschaftskanzlei im Auftrag der Grünen, die nichts unversucht lassen wollten, um auch den Eigenanbau zu entkriminalisieren. Außerdem sieht das Gutachten, das dem DHV vorliegt, Probleme bei der Unterscheidung von Cannabis vom Schwarzmarkt und Cannabis aus Eigenanbau.
Bei der Entkriminalisierung des Eigenanbaus ist also die Bundesebene gefragt. Es ist bedauerlich, dass das auf Landesebene kaum zu regeln ist. Bremen hat aber noch genug Baustellen im Koalitionsvertrag. Insbesondere sind wir gespannt, wie Bremen diese Vereinbarung umsetzen will:
Wer nicht berauscht am Straßenverkehr teilnimmt, soll –wie beim Alkohol –grundsätzlich den Führerschein behalten können.
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