Bolivien will legal Coca kauen und plant deshalb die Kündigung der internationalen Drogenverträge. Damit beginnt das weltweite Prohibitionskorsett endlich zu zerbröseln.
Boliviens Präsident Evo Morales ist auch Präsident einer Cocabauern-Vereinigung. Seit seiner Ernennung zum Präsidenten kämpft er für die Legalisierung des traditionell weit verbreiteten Coca-Kauens bzw. -Anbaus. Große Anbauflächen sind in Bolivien bereits legalisiert. Dafür wird das Land seit Jahren an den Pranger gestellt, weil dies ein Verstoß gegen die internationalen Drogenverträge ist, obwohl Bolivien weiterhin gegen die Verarbeitung der Blätter zu Kokain und dessen Handel kämpft.
Bolivien würde die mild anregenden und durchaus auch gesundheitsförderlichen Blätter gerne auch exportieren, z.B. als Teebeutel. Um den Makel des Illegalen endlich los zu werden, hat Bolivien zunächst innerhalb der zuständigen UN-Gremien versucht, Cocablätter aus den internationalen Konventionen streichen zu lassen. Damit ist das Land im Januar diesen Jahres gescheitert.
Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern hat auch Deutschland gegen die Änderung gestimmt. Die Veto-Länder befürchten, die Lockerung würde die gesamte UN-Konvention aufweichen und sprechen von einem “falschen Signal” im Kampf gegen die Drogenökonomie.
Diese Argumentation trifft den Kern der Sache sehr gut und zeigt gleichzeitig die enorme Bedeutung des bolivianischen Schritts. Jahrzehntelang wurde das System der Drogenprohibition mit Hilfe der internationalen Verträge auf dem gesamten Erdball installiert, bis vor ca. 15 Jahren auch in den letzten traditionellen Hanfkonsum-Ländern Laos und Kambotscha das Verbot durchgesetzt wurde. Treibende Kraft waren dabei vor allem die USA.
Auch in Deutschland mussten die Verträge immer wieder als Argument herhalten, warum es schon aus international-juristischen Gründen keine Möglichkeit gibt, Hanf zu legalisieren. Auch die Bundesdrogenbeauftragte Dyckmans benutzt gerne dieses Argument, um zu erklären, warum man in Deutschland das Cannabisrecht – auch die Verfolgung der Konsumenten – nicht liberalisieren könne:
International hat sich die Bundesrepublik Deutschland ebenso wie 166 weitere Staaten durch die Ratifizierung des Einheitsübereinkommens der Vereinten Nationen über Suchtstoffe von 1961 verpflichtet, die Verwendung von Suchtstoffen auf ausschließlich medizinische oder wissenschaftliche Zwecke zu beschränken. Daneben verlangt Artikel 3 Abs. 2 des VN-Suchtstoffübereinkommens von 1988 von allen Vertragsparteien, “vorbehaltlich ihrer Verfassungsgrundsätze und der Grundzüge ihrer Rechtsordnung … den Besitz, den Kauf oder den Anbau von Suchtstoffen oder psychotropen Stoffen für den persönlichen Verbrauch … als Straftat zu umschreiben”.
Dyckmans auf abgeordnetenwatch, 14.01.2010
Wie praktisch, da kann man leider nichts machen… Auf diese Weise wird ein längst überholtes und von immer mehr Menschen, Prominenten und Wissenschaftlern scharf kritisiertes, sinnloses, teures und schädliches System aufrecht erhalten.
Staaten, die an der einen oder anderen Stelle die Drogenpolitik etwas liberaler gestalten wollen, haben kaum eine Chance, die Verträge im Detail ändern zu lassen, da das Verfahren kompliziert ist und die Abstimmungen von immer noch reformunwilligen Staaten bestimmt werden. Genau das hat Bolivien bei seinem Versuch zu spüren bekommen.
Ein Austritt aus den Konventionen sei nicht denkbar, hieß es immer von Seiten deutscher Politiker, das könne man sich – schon wegen der USA – international nicht leisten. (Dabei wäre es sogar möglich, den Verträgen nach einem Austritt sofort wieder beizutreten, mit dem Vorbehalt einer Ausnahme für die jeweils gewünschte Änderung.)
Die praktisch reformresistenten internationalen Verträge stehen also jeder wesentlichen Abkehr von der Repression im Wege. Allerdings verschwindet langsam der Druck aus dem System, zumal sich beim bisherigen Hauptprotagonisten des “war on drugs”, den USA, eine dramatische Kehrtwende abzeichnet. Dort werden Reformen heftig diskutiert und die Supermacht hat immer weniger Interesse daran, den Drogenkrieg international mit allen Mitteln aufrecht zu erhalten.
Bolivien zeigt nun klare Kante und macht Schluss mit dem ganzen Unsinn. Wenn Präsident Morales wie erwartet den Beschluss durch seinen Kongress bekommt und aus der “United Nations Single Convention on Narcotic Drugs” von 1961 aussteigt, könnte das der Anfang vom Ende sein. Das Korsett zeigt erste Auflösungserscheinungen. Genau das, was die deutsche Bundesregierung und andere befürchten. Endlich!
The Guardian, 23.06.2011: Bolivia to withdraw from drugs convention over coca classification
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