Am Mittwoch fand im Gesundheitsausschuss des Bundestages eine Anhörung zum Gesetzentwurf der Grünen für ein Cannabis-Kontrollgesetz (CannKG) statt. Diverse Verbände und Einzelsachverständige haben dazu Stellungnahmen eingereicht. Georg Wurth zieht in der Stellungnahme des DHV folgendes Fazit: Zumindest eine weitergehende Entkriminalisierung von erwachsenen Cannabiskonsumenten ist Konsens bei den Fachleuten, sogar bei den CDU-nahen Sachverständigen. Auch in Deutschland wird die Regulierung des Cannabismarktes kommen und das CannKG der Grünen ist dafür eine gute Diskussionsgrundlage.
Der Bundestag hat alle Stellungnahmen der Sachverständigen veröffentlicht. Ebenso ist die komplette Videoaufzeichnung der Anhörung abrufbar. Die Stellungnahme des DHV hier nun in voller Länge und im Anhang an diese Nachricht.
14.03.2016
Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung am 16.03.2016
Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Entwurf eines Cannabiskontrollgesetzes (CannKG) BT-Drucksache 18/4204
- Vorbemerkung
Dass der Deutsche Hanfverband (DHV) für die Legalisierung von Cannabis ist, dürfte Sie wenig überraschen. Die Argumente sind bekannt: Schutz der Konsumenten vor Verunreinigungen und Strafverfolgung, Schutz der Gesellschaft vor kriminellen Strukturen, Verbesserung der Prävention und Behandlung durch mehr Offenheit und durch Umschichtung von Ausgaben der „Säule Repression“, mehr Steuereinnahmen uvm. Ich möchte mich in dieser Stellungnahme auf andere Aspekte konzentrieren und diese Argumente nicht erneut detailliert darlegen.
- Die Legalisierung wird kommen
Aber auch diejenigen, die der Regulierung des Cannabismarktes ablehnend gegenüber stehen, sollten sich klarmachen, dass es immer wahrscheinlicher wird, dass früher oder später Cannabis auch in Deutschland legalisiert werden wird.
Im Herbst dieses Jahres wird es wieder in mehreren US-Staaten Volksabstimmungen zu dem Thema geben, unter anderem im bevölkerungsreichsten US-Staat Kalifornien. Aktuellen Umfragen zufolge gibt es dort stabile Mehrheiten für die Legalisierung. Insgesamt erscheint eine vollständige Regulierung des Cannabismarktes in den USA nur noch eine Frage weniger Jahre zu sein. Nachdem nun auch Kanada die Legalisierung von Cannabis angekündigt und das oberste Gericht in Mexiko das grundsätzliche Verbot des Eigenanbaus von Hanfpflanzen gekippt hat, geht die Ära des totalen Hanfverbotes praktisch in ganz Nordamerika in absehbarer Zeit zu Ende.
Auch in Südamerika wird heftig diskutiert, die international viel beachtete Entwicklung in Uruguay ist nur die Spitze des Eisbergs.
In Europa gibt es diverse Ansätze, die Cannabispolitik zu liberalisieren, zum Beispiel mit den Anbau-Clubs in Spanien und Belgien. Diverse Städte haben beschlossen, die staatlich kontrollierte Cannabisabgabe erproben zu wollen, darunter nicht nur viele deutsche Städte und Stadtbezirke, sondern z.B. auch Kopenhagen und einige Städte in der Schweiz.Repräsentative Meinungsumfragen in Deutschland messen einen stetigen Anstieg der Zustimmung zur Regulierung des Cannabismarktes. Laut der aktuellsten Umfrage befürworten mittlerweile 42 Prozent der Deutschen Cannabisfachgeschäfte wie in Colorado.
Das alles spricht dafür, dass das Cannabisverbot auch in Deutschland in nicht allzu ferner Zukunft fallen wird.
Es ist offensichtlich, dass die aktuelle Regierung Deutschland nicht zum ersten Land in Europa machen will, das den Cannabismarkt reguliert. Das CannKG der Grünen wird wohl zur Zeit keine Mehrheit finden.
Aber genauso wenig wie Deutschland dieses Jahr die Insel der Legalisierung werden wird, kann Deutschland auf Dauer das einzige Land bleiben, dass dies nicht tut.
Auch aus wirtschaftlichen Gründen sollten wir damit nicht allzu lange warten. In den USA bauen die am Markt beteiligten Firmen schon jetzt Know How und Kapital auf, mit dem deutsche Firmen schwer konkurrieren können.
Selbst wenn Sie nicht an die oben skizzierte Entwicklung hin zur Legalisierung glauben, täten Sie gut daran, sie zumindest für möglich zu halten. Das bedeutet auch, dass es an der Zeit ist, über einen „Plan B“ nachzudenken. Wenn die Legalisierung kommt, sollten wir nicht kopflos hinein stolpern, sondern uns frühzeitig Gedanken darüber machen, wie eine Regulierung am besten aussehen könnte, welche Voraussetzungen gelten sollten, um den Schutz der Konsumenten am besten zu gewährleisten und problematischen Cannabiskonsum möglichst zu minimieren.
- CannKG gute Diskussionsgrundlage
Genau für diese Diskussion ist das CannKG der Grünen aus Sicht des DHV eine sehr gute Grundlage. Eigentlich wäre es an der Zeit, diese Vorlage genau zu diskutieren und in jedem Details zu beleuchten. Es wäre an der Zeit, nicht mehr darüber zu diskutieren, ob die Legalisierung von Cannabis sinnvoll ist, sondern darüber, wie wir es genau machen sollten.
Es zeichnet sich aber ab, dass das in dieser Anhörung noch nicht so sein wird, dass wir das Thema wieder eher ganz allgemein und oberflächlich besprechen werden.
Deshalb und weil wir vom DHV die im CannKG vorgeschlagenen Regelungen für weitgehend und in vielen Details für gelungen halten und wenig daran auszusetzen haben, hier nur einige allgemeine Anmerkungen.
Es fällt auf, dass das CannKG den Cannabismarkt sehr stark regulieren will und für die Marktteilnehmer viel mehr bürokratische Hürden aufstellt als das zum Beispiel in den US-Staaten der Fall ist. Das hat Vorteile, wo in den genannten Ländern Regelungen fehlen, zum Beispiel bei der Überwachung der Produktqualität. Es schränkt den Markt aber auch sehr stark ein, viel stärker als das bei Alkohol der Fall ist, ohne dass es medizinisch nachvollziehbare Gründe für diese Ungleichbehandlung gibt. Das spricht aber nicht unbedingt gegen das CannKG, sondern vielleicht eher dafür, auch die Regelungen für Alkohol und Tabak noch einmal zu überdenken. Muss Alkohol in Supermärkten verkauft werden? Muss es Werbung für Alkohol und Tabak geben?..
Insgesamt ist das CannKG eine sehr deutsch bürokratische Herangehensweise. Dennoch wäre die sofortige Verabschiedung dieses Gesetzes ein riesiger Schritt nach vorn und allemal besser als die massenhafte strafrechtliche Verfolgung von Konsumenten und der Handel von Cannabis auf dem Schwarzmarkt.
Konkrete Kritik bzw. Diskussionsbedarf haben wir nur in wenigen Details.Zum Beispiel müsste die Besteuerung der Hanfprodukte noch einmal genau beleuchtet werden. Sie sollte so ausfallen, dass der Preis nicht deutlich unter das Niveau des Schwarzmarktes sinkt, um keine Konsumanreize zu setzen und Steuereinnahmen in Milliardenhöhe zu generieren. Auf der anderen Seite darf der Preis aber auch nicht zu einem Verkaufspreis führen, der deutlich über dem Schwarzmarktpreis liegt. Nur so kann es gelingen, den Schwarzmarkt in großen Teilen auszutrocknen. Doch auch in diesem Punkt bietet der Gesetzentwurf ausreichend Flexibilität. Eine umsatzbasierte Besteuerung (in Prozent auf den Verkaufspreis) scheint uns naheliegender als eine starre Pro-Gramm-Besteuerung.
In sehr vielen Punkten begrüßen wir die Ansätze des CannKG ausdrücklich, darunter zum Beispiel die Möglichkeit, einige Pflanzen zum Eigenbedarf zu Hause anzubauen, oder eine Neuregelung der Führerscheinfrage, so dass endlich nicht mehr Menschen ihren Führerschein verlieren, wenn sie nicht berauscht gefahren sind.
- Einzelne Ansätze auch für Legalisierungsgegner bedenkenswert
Ich bin davon überzeugt, dass sich auch in den Reihen von Union und SPD langsam die Erkenntnis durchsetzt, dass die Cannabispolitik nicht so weitergehen kann wie bisher.
Es fällt doch auf, dass zumindest die Strafverfolgung von Cannabiskonsumenten in der heutigen Form praktisch von ALLEN Fachleuten abgelehnt wird, inklusive denen, die von der Union als ausgewiesene Legalisierungsgegner nominiert werden. Jörn Patzak verweist diesbezüglich in seiner aktuellen Stellungnahme auf seine Ausführungen als Sachverständiger im Jahr 2014. Dort schlägt er eine Klarstellung der Entkriminalisierung erwachsener Cannabiskonsumenten im BtMG vor. Dieser Stellungnahme hatte sich damals auch Prof. Thomasius angeschlossen:„Von der Verfolgung soll abgesehen werden, wenn sich die Tat auf bis zu 6 Gramm Haschisch oder Marihuana oder 1 bis 3 Cannabispflanzen, die ausschließlich dem Eigenkonsum dienen, bezieht (…)“
Mit anderen Worten: Der Rückhalt für das aktuell massive Vorgehen gegen Cannabiskonsumenten geht in der Fachwelt gegen Null.
Auch in Bevölkerung und Medien sieht kaum noch jemand einen Sinn darin, Konsumenten schon wegen geringer Eigenverbrauchsmengen mit dem Strafrecht zu drohen.
Das BtMG könnte leicht dahingehend geändert werden, wie es Patzak und Thomasius vorschlagen, bundesweit einheitlich eine geringe Menge Cannabis zu definieren, bis zu der die Strafverfahren eingestellt werden sollen (statt „können“) bzw. bis zu der der Besitz von Cannabis gar keine Straftat mehr darstellt.Auch die von Patzak vorgeschlagene Entkriminalisierung des Eigenanbaus würde einerseits die Selbstversorger vor Strafverfolgung schützen und andererseits den Schwarzmarkt schwächen.
Ähnlich sieht es beim Thema Führerschein aus. Zur Zeit ist der THC-Grenzwert so gering, dass er keinen Zusammenhang mit einer den Straßenverkehr gefährdenden Wirkung von Cannabis hat. Zusammen mit sehr repressiven Auslegungen des Führerscheinrechts und einer massiven Fahndung nach Restwerten von THC-Abbauprodukten im Straßenverkehr sorgt das dafür, dass massenhaft Menschen ihren Führerschein verlieren, die tatsächlich keine Gefahr für den Straßenverkehr bedeuten.
Das CannKG bietet für diese Problemfelder Lösungsansätze an, die sich auch legalisierungsunwillige Politiker genau anschauen sollten.
Deutschland ist, wenn man alle Verfolgungsmaßnahmen gegen Konsumenten zusammen betrachtet, eines der repressivsten Länder Europas. Es ist an der Zeit, daran etwas zu ändern und Kapazitäten bei der Polizei für wichtigere Aufgaben freizumachen.
- Modellprojekte ermöglichen
Immer mehr Städte möchten die staatlich kontrolliere Abgabe von Cannabis erproben und im Rahmen eines wissenschaftlichen Modellprojektes erforschen. Obwohl das bei Heroin möglich war, ist Friedrichshain/Kreuzberg mit dem ersten Anlauf an den hohen Hürden gescheitert, die die derzeitigen Regeln dazu bisher aufstellen. Es scheint auch eine grundsätzliche politische Blockade gegenüber solchen Ansätzen zu geben.
Solche Modellprojekte wären aber eine gute Möglichkeit, die Auswirkungen einer staatlich kontrollierten Cannabisabgabe in kleinem Rahmen zu erforschen. Die Bundesregierung sollte nicht die Rolle des Blockierers solcher Versuche einnehmen, wenn sie vor Ort gewünscht sind. Ich verweise diesbezüglich auf die Stellungnahme von Prof. Ambos, in der eine entsprechende Gesetzesänderung vorgeschlagen wird.
- UNO / UNGASS
Ähnlich verhält es sich bei der anstehenden Sitzung der UNO zu Drogenfragen (UNGASS April 2016). Die Bundesregierung wird dort sicher nicht der Vorreiter für eine liberalere Drogenpolitik sein. Sie sollte aber auch nicht aus ideologischen Gründen Reformen blockieren, die es anderen Ländern ermöglichen würden, neue Wege auszuprobieren.
Georg Wurth
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