Viele Cannabis-Patienten, die ihre Medizin in der Apotheke abholen oder bestellen wollen, gehen derzeit mit leeren Händen nach Hause. „Frühestens im November wieder“, heißt es momentan oft. Solche Antworten sind seit der Einführung des neues Gesetzes zur Verwendung von Medizinal-Hanfblüten immer wieder zu hören. Angebliche Daten zu bevorstehenden Lieferungen oder gut bevorrateten Apotheken werden in Patientenkreisen ähnlich heiß gehandelt wie früher ein guter Tipp für eine illegale Gras-Quelle.
Grundsätzlich gibt es zwei Gründe für die für alle Seiten unbefriedigende Situation:
- Die Patientenzahl hat sich vervielfacht. Der geschätzte Jahresbedarf deutscher Patienten wurde allerdings noch nach dem Bedarf 1.000 ehemaliger Inhaber einer Ausnahmegenehmigung berechnet. Hier könnte das BfArM schnell handeln, anhand der Verordnungen seit März 2017 zumindest einen annähernd realistischen Bedarf errechnen und die Zahlen nach oben korrigieren.
- Der Import aus Kanada und den Niederlanden läuft lange noch nicht reibungslos. Anfang vergangener Woche waren viele Apotheken komplett ausverkauft, seit ein paar Tagen gibt es immerhin die Sorte Pedanios 22/1. Allerdings enthält die aktuelle Charge Samen, was bei Cannabis aus medizinischer Produktion nicht der Fall sein dürfte.
Nachfrage höher als von der Regierung vorgesehen
Die Firma Bedrocan in den Niederlanden hat ihre Produktion zwar immens gesteigert, aber auf Nachfrage mitgeteilt, dass eine Steigerung der Export-Kapazitäten nicht in ihrem Ermessen läge:
Die Bundesregierung hat die niederländische Regierung aufgefordert, in diesem Jahr 700kg Cannabis zu liefern. Das niederländische Amt für Medizinisches Cannabis (OMC), das für die Ausfuhr des holländischen Cannabis verantwortlich ist, wird die beantragte Menge gemäß diesem Vertrag liefern. Es scheint, dass die deutsche Nachfrage höher ist als von der Bundesregierung berechnet. Wir empfehlen deutschen Patienten, sich mit einem Abgeordneten in Verbindung setzen, um das Thema anzusprechen. Leider können wir von unserer Seite aus nichts tun. Wir liefern, was das niederländische OMC verlangt,
heißt es aus der Pressestelle des Unternehmens.
Spektrum-Cannabis, das die Sorten des kanadischen Produzenten Tweed importiert, will nichts von einem Versorgungsengpass wissen.
Unsinn. Alle Apotheker können bestellen und haben bestellt. Bakerstreet, Penelope und Argyle kommen in ein paar Tagen, die Freigabe dauert auch ein paar Tage und dann fangen wir mit dem Versand an.
Der Importeur Pedanios ist mit der aktuellen Situation auch nicht zufrieden, hofft aber auf baldige Besserung. Man habe die Produktion in Kanada von Ontario nach Alberta verlagert, sagte Pedanios-Geschäftsführer Patrick Hoffmann auf telefonische Nachfrage am Dienstag. Dort seien die Behörden noch nicht mit dem Export-Procedere vertraut, was bei den letzten Lieferungen zu Verzögerungen geführt habe. Das habe sich allerdings eingependelt und man könne noch im November die nächste große Lieferung in Empfang nehmen.
In einer Pedanios 22/1-Dose eines Berliner Cannabispatienten fand dieser in einigen Blüten jeweils zwei bis drei Samen. Ein Patient aus Augsburg hat den DHV gestern informiert, dass in seiner 10 Gramm Dose Pedanios 22/1 ganze 2,4 Gramm Saatgut enthalten war. Pedanios, die die Medizinalblüten seit kurzer Zeit beim kanadischen Produzenten Aurora anbauen lassen, bedauert den qualitativen Mangel der letzten Charge. Man habe die Wahl gehabt, entweder jetzt diese Blüten zu importieren oder den Patienten wochenlang gar nichts anbieten zu können. Deshalb habe man sich angesichts der aktuellen Versorgungsengpässe im Sinne der Patienten entschieden, die Ware trotz des offensichtlichen Mangels einzuführen. Eigentlich müsste der Strain dieses Mal auch “Pedanios 19,5/1” heißen, da die aktuelle Charge laut Etikett nur 19,5% THC enthält.
Auf eine schriftliche Anfrage beim Pedanios-Produzenten Aurora zur Ursache des Mangels sowie zum Umgang mit den versamten Blüten hat die Firma aus dem kanadischen Alberta bislang nicht reagiert.
Bunkern lohnt sich
Am schlechtesten ist die Versorgungslage in Apotheken, die keinen Vorrat anlegen. Denn Apotheken, die viele Cannabispatienten versorgen, bestellen mittlerweile in weiser Voraussicht eine für ihre Stamm-Patienten ausreichende Menge vor. Dann ist für die Apotheken, die erst bei dringendem Bedarf, also bei Abgabe des Rezepts, bestellen möchten, nichts mehr übrig. Besonders schwer haben es Patienten in ländlichen Gegenden, wo Apotheken meist so wenige Cannabis-Patienten haben, dass sich ein Bevorraten nicht lohnt. Um die Regelversorgung mit medizinischem Cannabis zu verbessern, bleibt den Betroffen derzeit nur eine Option: Sie müssen sich über Plattformen wie diese austauschen und gemeinsam eine Apotheke in ihrer Region finden, die dann mehrere Cannabis-Patienten versorgt. Hat man erst mal eine handvoll oder mehr Patienten, wird auch vorausschauender vorbestellt.
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