Die Deutsche Polizeigewerkschaft hat in ihrem aktuellen Mitgliedermagazin “Polizeispiegel” zum Umgang mit Cannabispatienten im Straßenverkehr klar gestellt, dass diese weiterhin an die Führerscheinstellen gemeldet werden. Noch im März hatte die Bundesregierung in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken festgestellt, dass
“Cannabispatientinnen und -patienten […] keine Sanktionierung gemäß § 24a Absatz 2 StVG [droht], wenn Cannabis aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt”
und
“Cannabispatientinnen und -patienten […] genauso behandelt [werden] wie andere Patienten, die unter einer Dauermedikation stehen bzw. die ein psychoaktives Arzneimittel verordnet bekommen haben. Eine Entziehung der Fahrerlaubnis droht, wenn gemäß § 14 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 Fahrerlaubnis-Verordnung eine missbräuchliche Einnahme des cannabishaltigen Arzneimittels nachgewiesen wird.”
Trotzdem müssen Cannabispatienten weiterhin mit einer Sonderbehandlung rechnen, wie der Fachgruppenleiter für Verkehrswissenschaften an der Hochschule für Polizei Baden-Württemberg, Polizeidirektor Ludwig Laub, in dem Artikel schreibt:
“Unabhängig von der ahndungsrechtlichen Betrachtung sind Polizeibeamte zur Unterrichtung der Fahrerlaubnisbehörden verpflichtet, wenn sie Kenntnis davon erhalten, dass ein Fahrerlaubnisinhaber einer Cannabismedikamentation unterliegt. Gemäß Ziffer 9 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung stellt – unter bestimmten Voraussetzungen – sowohl die Einnahme als auch die Dauerbehandlung mit psychoaktiv wirkenden Arzneimitteln für den Regelfall einen die Fahreignung ausschließenden Mangel dar, was grundsätzlich zur verwaltungsbehördlichen Entziehung der Fahrerlaubnis führt.”
Doch anders als Laub behauptet, führt eine Dauerbehandlung mit psychoaktiv wirkenden Arzneimitteln nicht fast automatisch zum Entzug der Fahrerlaubnis. Vielmehr ist der Sachbearbeiter nach der Polizeimeldung aufgerufen, das so genannte Compliance-Verhalten* des Patienten in einem Gespräch zu überprüfen. Ist ein solches therapietreues Verhalten gegeben, stellt auch die Einnahme verschreibungsfähiger psychoaktiver Substanzen keinen Fahrausschlussgrund dar. Der ganze Artikel im Magazin der Polizeigewerkschaft dreht sich darum, wie man Cannabispatienten trotz ihres anerkannten Status weiterhin das Leben schwer machen kann, selbst wenn im Rahmen einer Kontrolle keinerlei Ausfallerscheinungen festgestellt werden. Rein rechtlich betrachtet ist die Haltung des Autors nicht anfechtbar und widerspricht auch der Auffassung der Bundesregierung nicht, weil eine Meldung an die Führerscheinbehörde an sich noch keine Sanktion darstellt. Doch angesichts der Realität, fehlender oder falscher Richtlinien und schlecht informierter Fallbearbeiter wird Cannabispatienten trotz offensichtlichem Compliance-Verhalten immer wieder die Fahreignung aberkannt. Eine Gleichbehandlung von Cannabispatienten mit denen, die seit Jahren aus gesundheitlichen Gründen andere verschreibungspflichtige Betäubungsmittel konsumieren müssen, ist die beschriebene Praxis nicht. Die Bundesregierung schätzt die Zuverlässigkeit von Cannabispatienten in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage anders ein als der Fachgruppenleiter der Polizeihochschule:
“Die Wirkung der Substanzen als Therapeutikum bei der Einnahme nach ärztlicher Verordnung unterscheidet sich deutlich von der Wirkung bei missbräuchlichem Konsum. Während ein Drogenkonsument eine Substanz zu sich nimmt, um berauscht zu sein, nimmt ein Patient eine Substanz zu sich, um seinem Leiden entgegen zu wirken. Wichtig ist insbesondere, dass Patientinnen und Patienten anders als Drogenkonsumenten über eine hohe Zuverlässigkeit und Verantwortlichkeit verfügen (Compliance). Sie verhalten sich eher regelkonform und sind achtsam im Umgang mit der Medikation und den Nebenwirkungen.”
Aber solange die Polizei keine konkrete Dienstanweisung zum Umgang mit dem neuen Phänomen erhält, werden Lehrkörper wie Laub weiterhin den Polizeinachwuchs lehren, wie man Cannabispatienten trotz medizinischer Indikation sanktionieren kann. In anderen Ländern müssen die Polizisten konkrete Ausfallerscheinungen glaubwürdig dokumentieren, um weiterführende Überprüfungsmaßnahmen in die Wege leiten zu dürfen. In Deutschland reicht bei Cannabispatienten der Status zum Anschwärzen.
*Compliance steht für das kooperative Verhalten von Patienten im Rahmen einer Therapie und bedeutet „Therapietreue“.
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