Am Montag (03.06.2024) findet eine Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestages zu einer geplanten Änderung des Cannabisgesetzes statt. Es geht dabei um Verschärfungen der Regelungen für Anbauvereine. Damit soll eine sogenannte Protokollerklärung von Gesundheitsminister Lauterbach umgesetzt werden, die er vor der Abstimmung über das CanG im Bundesrat abgegeben hat.
Auf der Homepage des Bundestages ist der Entwurf für die Gesetzesänderung und die Liste der Sachverständigen zu sehen. Auch die noch zu erwartenden Stellungnahmen werden dort noch eingefügt.
Die Sitzung findet voraussichtlich von 13:30 bis 14:30 Uhr statt und wird hier live übertragen.
Georg Wurth wird für den DHV bei der Anhörung dabei sein. Hier dokumentieren wir seine Stellungnahme in voller Länge:
Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Konsumcannabisgesetzes und des Medizinalcannabisgesetzes, BT-Drucksache 20/11366
Einige der vorliegenden Änderungsvorschläge werden dazu führen, dass weniger Anbauvereine gegründet werden und somit ein größerer Schwarzmarktanteil verbleiben wird, ohne dass die Vorschläge reale Vorteile mit sich bringen. Von folgenden Änderungen raten wir ab:
Verbot gebündelter Dienstleistungen
Zu den größten Hürden beim Aufbau eines Anbauvereins gehören die hohen Investitionskosten. Fachleute rechnen mit weit über 100.000 Euro an notwendigen Investitionen in Technik und sonstige Ausstattung bei Indoor-Anbau für 500 regelmäßig konsumierende Vereinsmitglieder. Es gibt nicht viele überzeugende Möglichkeiten, dieses Problem zu lösen. Die ehrenamtlichen Vorstandsmitglieder können versuchen, für den Verein einen sechsstelligen Kredit aufzunehmen. Oder die einzelnen Mitglieder müssen eine Anmeldegebühr im vierstelligen Bereich einbringen. Beides sind wenig attraktive Modelle, die den Aufbau der Anbauvereine erheblich ausbremsen. Eine viel attraktivere Möglichkeit ist es, einen voll ausgestatteten Anbauraum zu mieten oder zu leasen. So kann die nötige Startinvestition über einen längeren Zeitraum auf Mitgliedsbeiträge bzw. auf den Verkaufspreis umgelegt werden. Neben der Lösung des Problems mit dem Startkapital hat dieser Weg außerdem den Vorteil, dass für die Ehrenamtler der Vereine der Managementaufwand auf ein Minimum reduziert wird. Der Anbau selbst kann wie vorgesehen vollständig nicht-kommerziell von den Mitgliedern des Vereins erledigt werden.
Ohne die Möglichkeit gebündelter Angebote müssten die Vereine viele verschiedene Verträge mit Lieferanten und Dienstleistern selbst aushandeln und vorfinanzieren. Manche Vereine werden diesen Weg bevorzugen, wenn sie sich die Investition leisten können und sich das notwendige Micro-Management zutrauen. Andere werden davor zurückschrecken und schlicht auf die Gründung eines Anbauvereins verzichten oder mit wenigen Mitgliedern und kleinem Anbau starten. Insofern stärkt das Verbot der gebündelten Dienstleistungen den Schwarzmarkt.
Die Nachteile dieses Verbots sind also offensichtlich. Das Ziel, wirtschaftliche, „kommerzielle“ Aktivitäten im Vorfeld des Anbaus zu verhindern, erscheint dagegen fragwürdig. Zunächst ist dieses Ziel selbst in Frage zu stellen, da es aus europarechtlicher Sicht unproblematisch ist, solange es nicht unmittelbar um den Anbau selbst geht. Von daher gibt es gar keinen Grund, vom üblichen Ziel abzuweichen, wirtschaftliche Aktivitäten und die Schaffung von Arbeitsplätzen zu fördern. Das Ziel, wirtschaftliche Aktivität im Umfeld der Anbauvereine zu verhindern, wird aber auch gar nicht erreicht durch das Verbot der Bündelung. Schließlich sind die Vereine ohnehin auf diverse externe Vertragspartner angewiesen. Sie brauchen Lieferanten für Technik und Ausstattung, Vermieter, Strom, Wärme, Beratung, Software, Samen, Elektriker etc., man könnte die Liste noch lange fortsetzen. Was daran „nicht-kommerziell“ und irgendwie besser sein soll, wenn die Vereine diese Dienstleistung und Lieferungen gezwungenermaßen alle einzeln anstatt gebündelt kaufen, erschließt sich nicht.
Unter dem Strich wird hier eine vollkommen sinnlose Hürde für die Vereine aufgebaut.
Verbot der Bündelung verschiedener Tätigkeiten bei Angestellten der Vereine
Ein so großes Projekt wie einen Anbauverein für 500 Mitglieder ehrenamtlich zu stemmen, ist eine große Herausforderung und wird in vielen Fällen scheitern. Es könnte sehr hilfreich sein, wenigstens eine Person zu haben, die sich Vollzeit auf das Projekt konzentrieren kann und „den Laden am Laufen hält“. Die Vereine werden sich keine Vielzahl an Angestellten leisten können und jemanden z.B. ausschließlich als Geschäftsführer einzustellen. Nach aktueller Rechtslage können die Vereine dieses Problem lösen, indem eine Vollzeit angestellte Person diverse Tätigkeiten verschiedener Bereiche erledigt: Verträge, Kommunikation, Mitgliederverwaltung, Buchhaltung, Koordination der Beteiligung der Mitglieder bei Anbau und Ausgabe von Cannabis, Meldungen an Behörden, Transport, Hausmeister-Arbeiten.
Auch hier erschließt sich nicht, welchen Sinn es haben soll, unterschiedliche Tätigkeiten aus verschiedenen Bereichen zwangsweise auf mehrere Teilzeit-Beschäftigte aufzuteilen, die Vereinsarbeit dann nur nebenbei erledigen, so dass am Ende möglicherweise niemand genug Durchblick und Zeit hat, den Verein stabil zu halten. Natürlich ist auch hier die Bündelung von Tätigkeiten zur Finanzierung einer hauptverantwortlichen Person nur eine von mehreren Optionen. Aber diese Option grundsätzlich zu verbieten, hat nichts damit zu tun, „Kommerz“ zu verhindern.
Verbot der Ansiedlung mehrerer Anbauvereine am gleichen Standort
Auch hier erschließt sich der Sinn dieser Einschränkung nicht, aber der Nachteil für die Anbauvereine ist offensichtlich. Dass diese Entscheidung den zuständigen Behörden mit vollem Ermessensspielraum überlassen wird, zeigt schon, dass die Einschränkung im Sinne des EU-Rechts nicht notwendig ist, weil dieses nur den Anbau selbst betrifft und nicht irgendwelche Vorbereitungsmaßnahmen oder Standort-Fragen eines nicht-kommerziellen Anbaus. Die Suche nach Standorten ist für Anbauvereine ohnehin schwierig durch die ebenfalls wenig sinnvollen vorgeschriebenen Abstände zu diversen Gebäuden. In urbanen Gebieten gibt es dadurch nur wenige Standorte, die in Frage kommen. Eine Bündelung von Vereinen an solchen Standorten ist also eine sinnvolle Option. Außerdem können sich dadurch Synergieeffekte ergeben. Das Verbot einer solchen Bündelung ist weder europarechtlich geboten noch ist die Verteilung auf mehrere auseinander liegende Standorte weniger „kommerziell“.
Nicht geringe Menge THC
In unserer Stellungnahme zum Kabinettsentwurf haben wir vorgeschlagen, auf den Verbrechenstatbestand per „nicht geringe Menge“ zu verzichten. Da diese Menge im Gesetzestext nicht konkret benannt wurde, war außerdem zu befürchten, dass die Gerichte am nicht mehr zeitgemäßen Wert von 7,5 Gramm THC festhalten werden, wenn man ihnen die Entscheidung überlässt. Mittlerweile gab es zwei Entscheidungen des BGH, die das Votum des Gesetzgebers im Begleittext ignoriert haben, dass die Definition der Menge per Gericht erhöht werden müsse. Nun sollte der Bundestag die nicht geringe Menge Cannabis selbst festlegen und mit Blick auf die legalen Besitzmengen erheblich höher ansetzen, wenn er schon unbedingt daran festhalten will.
Im Übrigen wird auch die weiterhin nicht definierte „geringe Menge“ nach § 35a KCanG die Gerichte beschäftigen bzw. wie gehabt zu einem Flickenteppich unterschiedlicher Regelungen in den Bundesländern führen.
Wir könnten noch viele sinnvolle Änderungen des CanG vorschlagen, jetzt wo die erste Änderungsrunde eingeläutet wurde. Aber in Bezug auf die nicht geringe Menge hat der BGH mit seinen Urteilen neue Tatsachen geschaffen. Es besteht akuter Handlungsbedarf.
Georg Wurth
DHV-GeschäftsführerErklärung zu etwaigen finanziellen Interessenverknüpfungen in Bezug auf den Gegenstand der Beratungen: Das Budget des Deutschen Hanfverbands wird zu ca. 85 Prozent finanziert durch Mitgliedsbeiträge und Spenden von privaten Legalisierungsbefürwortern und zu ca. 15 Prozent von Sponsoren aus der Hanfbranche.
Schreibe einen Kommentar