SPD (BTW 2025)

Bei unserem Wahlcheck betrachten wir die jeweiligen Wahlprogramme und Antworten auf unsere Wahlprüfsteine sowie die parlamentarischen Aktivitäten in der vergangenen Legislaturperiode.

Programm

Der drogenpolitische Teil des SPD-Wahlprogramms ist recht kurz geraten. Ein wichtiger Satz ist jedoch enthalten: “Bei Cannabis wollen wir […] die notwendigen Schritte einleiten, um eine europarechtskonforme Legalisierung zu ermöglichen”. Damit wird deutlich, dass die SPD weiterhin zum Ziel einer echten Legalisierung mit legalem Verkauf  steht. Ansonsten möchte man die Suchtpräventionen stärken und strengere Regulierungen inklusive Werbebeschränkungen und Altersgrenzen für Energy-Drinks, Alkohol, Einweg-Zigaretten und neuartige Nikotinprodukte.

Auszug aus dem Wahlprogramm: 

“Wir kämpfen für eine gerechte und schützende Drogenpolitik.

Bei Cannabis wollen wir, um den Gesundheitsschutz, den Jugendschutz und den Kampf gegen die Organisierte Kriminalität verbessern, die notwendigen Schritte einleiten, um eine europarechtskonforme Legalisierung zu ermöglichen.” S. 40

“Zudem wollen wir die Suchtprävention und die Prävention psychischer Erkrankungen stärken. Für junge Menschen in psychisch schwierigen Lebenslagen streben wir bundesweit niedrigschwellige, auch digitale Beratungsangebote an. Wir arbeiten weiter konsequent daran, dass alle Menschen, die eine Psychotherapie benötigen, zügig einen Therapieplatz erhalten. Der mutige Schritt, eine Psychotherapie zu machen, darf nicht zum Nachteil im Berufsleben werden. Außerdem wollen wir das Thema Einsamkeit im Kontext der gesundheitlichen Prävention verankern. Ein Querschnittsthema, das aber gerade das

Gesundheitssystem vor große Herausforderungen stellt. Daher werden wir diese Aspekte gezielt in einer Präventionsstrategie aufgreifen.” S. 26

“Wir wollen strengere Regulierungen, Werbebeschränkungen und Altersgrenzen für Energy-Drinks, Alkohol, Einweg-Zigaretten und neuartige Nikotinprodukte. Zusätzlich stärken wir mit Aufklärungskampagnen und präventiven Maßnahmen in Schulen das Bewusstsein für die Gefahren. Um den Zucker-, Salz- und Fettgehalt in unseren Lebensmitteln zu reduzieren, legen wir verbindliche Ziele fest und setzen ökonomische Anreize für weniger gesundheitsschädliche Produkte – über eine Herstellerabgabe für zuckerhaltige Getränke.” S. 24

Antworten auf Wahlprüfsteine

Die SPD nutzt die Chance nur zum Teil, mit den Antworten auf unsere Wahlprüfsteine die Leerstellen im Wahlprogramm auszufüllen. Sie bekräftigt, dass sie zum CanG, den geplanten Modellprojekten zur Cannabisabgabe und einer “europarechtskonformen Legalisierung” steht. Konkrete Probleme beim CanG werden aber ebenso wenig benannt wie Änderungswünsche, was allerdings bei allen drei Ampel-Parteien der Fall ist. Das gilt auch für das Thema Führerschein.

Immerhin verweisen die Sozialdemokraten auf die anstehenden Evaluierungen und wollen anhand der Ergebnisse ggf. Änderungen vornehmen. In Bezug auf das CanG soll diese Evaluierung unter Federführung des oder der Bundesdrogenbeauftragten stattfinden. Es ist wohl aufgefallen, dass mit diesem Amt nicht viel Einfluss verbunden ist.

Die Antwort zum Thema Drugchecking ist immerhin insoweit positiv, dass man sich auf Bundesebene darum kümmern wolle, wenn die Bundesländer ihre Möglichkeiten weiterhin nicht ausschöpfen sollten.

Beim Thema “Entkriminalisierung aller Drogenkonsumenten” bleibt die Antwort wiederum vage. Die SPD verweist auf bereits bestehende Möglichkeiten, die von den Bundesländern unterschiedlich genutzt werden, kennt das portugiesische Modell der Entkriminalisierung und zeigt sich offen dafür, ohne irgendetwas zu fordern oder anzukündigen.

Jenseits der Cannabispolitik haben die Sozialdemokraten klarere Pläne. Als drogenpolitische Ziele für die kommenden Jahre nennen sie die Abschaffung des begleiteten Trinkens mit 14, ein Rauchverbot im Auto bei Anwesenheit von Kleinkindern, stärkere Regulierungen für Alkohol-, Tabak- und Glücksspielwerbung sowie die Schaffung eines nationalen Koordinierungsrats für Sucht- und Drogenpolitik unter der Leitung des Bundesdrogenbeauftragten.

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Thema 1: Beurteilung Cannabisgesetz

Wie beurteilen Sie das von der Ampel-Regierung umgesetzte Cannabisgesetz, nach dem nun der legale Besitz und Eigenanbau von Cannabis sowie Anbauvereine möglich sind?

Mit dem Cannabisgesetz, mit dem der Besitz kleiner Mengen und der Eigenanbau von Cannabis sowie Anbauvereine legal gemacht wurden, hat die Bundesregierung den Einstieg in eine neue Drogenpolitik vollzogen, die den Fokus auf Gesundheits- und Jugendschutz, Entstigmatisierung, Suchtprävention und Unterstützung für Menschen mit Suchtproblemen sowie Bekämpfung des Schwarzmarktes legt. Das ist ein wichtiger Schritt, der Millionen Menschen, die bis jetzt Cannabis allein vom Schwarzmarkt bezogen haben, besseren Gesundheitsschutz und entstigmatisierten Zugang zu Hilfe bei Sucht ermöglicht. Für sehr wichtig halten wir, dass bei der Cannabisgesetzgebung von Anfang an auf guten Jugendschutz gesetzt wurde: keine Werbung, kein öffentlicher „Verzehr“ in der Nähe von unter 18-Jährigen.

Thema 2: Änderungen am Cannabisgesetz

Welche Änderungen am geltenden Cannabisgesetz schlagen Sie vor? Nennen Sie ggf. die wichtigsten Punkte.

Im nächsten Schritt wollen wir Modellprojekte zur Erprobung des zertifizierten Verkaufs von staatlich kontrolliertem Cannabis an Erwachsene einführen, um wirkungseffektiv den Schwarzmarkt auszutrocknen und so Konsumierende besser vor den Folgen des Konsums verunreinigter Substanzen zu schützen und zudem einen effektiven Jugendschutz sowie eine wirkungsvolle Suchtprävention durchzusetzen. Wir wollen, dass diese Modellprojekte durch wissenschaftliche Forschungsprojekte begleitet werden und die Basis zu einer umfassenden Evaluierung ermöglichen. Eine aus dieser Evaluierung resultierende Weiterentwicklung des Gesetzes sollte aus der Sicht der SPD auf Einladung und unter Federführung des Bundesdrogenbeauftragten stattfinden. Hier besteht bereits ein gutes Netzwerk aus Wissenschaft, Suchthilfesystem, NGOs, Politik, Cannabiswirtschaft

und weiteren wichtigen Akteuren.

Thema 3: Wissenschaftliche Modellprojekte zur Cannabisabgabe

Befürworten Sie wissenschaftliche, regional und zeitlich begrenzte Modellprojekte zur

kommerziellen Produktion und Abgabe von Cannabis z.B. in Fachgeschäften für Erwachsene, wie sie z.B. derzeit in der Schweiz laufen? Halten Sie eine Obergrenze für die Teilnehmerzahl für erforderlich?

Wissenschaftliche, regional und zeitlich begrenzte Modellprojekte zur nicht kommerziellen, aber auch kommerziellen Produktion und Abgabe von Cannabis z.B. in Fachgeschäften für Erwachsene, wie sie z.B. derzeit in der Schweiz laufen, erachten wir für sehr sinnvoll. Sie könnten eine europarechtlich konforme Ausgestaltung einer modernen Drogenpolitik ermöglichen, die sich an Jugendschutz und Gesundheitsschutz orientiert. Wichtig bleibt, dass für den Verkauf in den staatlich lizenzierten Läden nicht geworben werden darf und der Jugendschutz einzuhalten ist.

Thema 4: Vollständige Legalisierung von Cannabis

Wie stehen Sie grundsätzlich zur vollständigen Legalisierung von Cannabis, also einer bundesweiten, vollständigen Regulierung des existierenden Cannabismarktes mit Fachgeschäften wie z.B. in Kanada? Halten Sie dies für EU-Recht-konform?

Eine vollständige Legalisierung von Cannabis, also einer bundesweiten, vollständigen Regulierung des existierenden Cannabismarktes mit Fachgeschäften wie z. B. in Kanada würde neben einer Bundesratsbeteiligung auch völkerrechtliche und europarechtliche Konsequenzen haben. Die SPD strebt einen europarechtskonformen Weg an. Dieser soll der Entstigmatisierung und der gesundheitspolitischen und jugendpolitischen Ausrichtung dienen sowie den Schwarzmarkt und die damit verbundene Kriminalität wirkungsvoll bekämpfen.

Thema 5: Aktuelle Regelungen im Verkehrsrecht bzgl. Cannabis

Wie beurteilen Sie die aktuellen Regelungen im Verkehrsrecht bzgl. Cannabis (Grenzwert, MPU, Sanktionen etc)? Welche Änderungen schlagen Sie ggf. vor?

In dieser Legislaturperiode haben wir erstmals einen Grenzwert für Cannabis im

Straßenverkehrsgesetz festgelegt. Beim vorgeschlagenen Wert von 3,5 ng/ml THC im Blutserum war uns wichtig, dass dieser Grenzwert sicherstellt, dass keine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit vorliegt und somit die Vision Zero nicht gefährdet wird, mit der tödliche und schwere Unfälle weitestgehend verhindert werden sollen. Das ist durch die aktuelle Regelung sichergestellt; zudem wirkt hier auch, dass zwischen Konsum und Autofahrt eine gewisse Zeit vergehen muss, um den Wert zu unterschreiten. Wir haben uns zusätzlich für eine Null-Toleranz von Rauschmitteln bei Fahranfänger*innen eingesetzt, egal ob bei Alkohol oder Cannabis, da das Unfallrisiko bei dieser Gruppe von Fahrer*innen generell höher ist und Erfahrungswerte im Straßenverkehr fehlen. Ein weiterer Pluspunkt der Regelung: Sie wird regelmäßig überprüft, um die noch begrenzte Datenlage zu Cannabis und Fahrverhalten zu verbessern. So stellen wir sicher, dass die Vorgaben wissenschaftlich fundiert sind.

Thema 6: Drug Checking

Trotz der kürzlich beschlossenen gesetzlichen Grundlage für Drug Checking Modellprojekte gibt es bisher kaum Angebote. Wie beurteilen Sie Drug Checking grundsätzlich? Wie möchten Sie ggf. Drug Checking in der Praxis fördern/realisieren?

Drug Checking ist ein wichtiger Baustein zur Schadensminimierung sowohl für schwerstsuchterkrankte Menschen als auch in der Party- und Festivalszene und trägt zum besseren Monitoring sowie einer Früherkennung aktueller Entwicklungen auf einem sehr dynamisch und global agierenden Drogenmarkt bei. Mit einem ausgebauten Beratungsangebot und weiteren schadensminimierenden Maßnahmen wie Drogenkonsumräumen können schwerwiegende gesundheitliche Folgen vermieden und Leben gerettet werden. Insbesondere die Verbreitung synthetischer Opioide müssen wir besser in den Blick nehmen. Die SPD strebt an, dass es flächendeckende Drug Checking Angebote gibt. Sollten die Länder die aktuell zu Grunde liegende Rechtslage dafür nicht ausreichend nutzen, werden wir weitergehende bundesgesetzliche Regelungen anstreben, die ein ausgewogenes Zusammenwirken aller schadensminimierenden Maßnahmen sichert.

Thema 7: Entkriminalisierung aller Drogenkonsumenten

Sind Sie für die Entkriminalisierung aller Drogenkonsumenten (z.B. durch die Einstellung von Strafverfahren bei bundeseinheitlich geringen Mengen oder eine Herabstufung zur OWI)?

Bereits jetzt werden Strafverfahren bei geringen Mengen in einigen Bundesländern oft eingestellt, jedoch fehlt eine bundeseinheitliche Regelung. Diese wäre wünschenswert, vorausgesetzt, alle Länder einigen sich auf gemeinsame Standards. Eine grundsätzliche Entkriminalisierung von Drogenkonsumierenden, wie in Portugal, verdient auch in Deutschland Beachtung. Denn ähnliche Erfahrungen wie Portugal machen zu können, wo aufgrund der Entkriminalisierung von Drogenkonsumierenden ein bewusster und informierter Umgang mit Drogen etabliert sowie ein erheblicher Rückgang der Drogenkriminalität beobachtet wurden, wäre sicherlich auch gut für uns. Voraussetzung für diesen Weg wäre jedoch, dass sich alle Bundesländer beteiligen und die gesellschaftliche Debatte intensiver und vorurteilsfrei geführt wird.

Thema 8: Drogenpolitischen Initiativen – letzte und zukünftige Legislaturperiode

Welche drogenpolitischen Initiativen gab es von Ihrer Fraktion in der aktuellen Legislaturperiode? (Bitte listen Sie Anträge, Anfragen etc. konkret und mit Link auf, damit wir Ihre parlamentarische Arbeit besser einschätzen können!) Welche Initiativen planen Sie in der nächsten Legislaturperiode?

In der ablaufenden Wahlperiode wurden wichtige Fortschritte im Bereich Drogen- und Suchtpolitik erzielt: die Einführung von Drug-Checking-Möglichkeiten, das Cannabisgesetz sowie stärkere Regelungen für Tabakerhitzer und E-Zigaretten zum Schutz der Gesundheit. Zudem wurden so hohe Mittel für Prävention bereitgestellt wie noch nie zuvor. In der kommenden Wahlperiode sollten weitere Maßnahmen umgesetzt werden, darunter die Abschaffung des Trinkens mit 14, ein Rauchverbot im Auto bei Anwesenheit von Kleinkindern, stärkere Regulierungen für Alkohol-, Tabak- und Glücksspielwerbung (z. B. Lootboxen) und klare Regelungen für Vapes. Diese Vorhaben erfordern neue Strukturen, wie einen nationalen Koordinierungsrat für Sucht- und Drogenpolitik, der unter Leitung des Bundesdrogenbeauftragten regelmäßig zusammenkommt, der entsprechend zu stärken

ist.

Bisherige parlamentarische Aktivität

Die SPD verweist auf das Cannabisgesetz, die Einführung von Drug-Checking und stärkere Regelungen für Tabakerhitzer und E-Zigaretten. Allerdings wäre das Cannabisgesetz beinahe am Widerstand einiger Mitglieder der SPD-Fraktion, angeführt von Innenpolitiker Sebastian Fiedler, und am Widerstand von SPD-Innen- und Justizministern der Bundesländer gescheitert. 

Von 207 Fraktionsmitgliedern stimmten letztendlich jedoch nur vier SPD-Abgeordnete gegen das CanG.
Die beiden zuständigen Fraktionsmitglieder Carmen Wegge und Dirk Heidenblut haben engagiert für die Rechte der Hanffreunde gekämpft.Die Arbeit des federführenden SPD-Gesundheitsministers Karl Lauterbach war wenig überzeugend. Er hat den ursprünglichen Plan der vollständigen Legalisierung nach intransparenten Gesprächen mit der EU-Kommission beerdigt. Als Alternative hat er ein Gesetz für kommunale wissenschaftliche Modellprojekte zur Cannabisabgabe angekündigt, aber nie geliefert. Auch viele unsinnige Details des CanG wie das Konsumverbot in Anbauvereinen gehen offenbar direkt auf den Minister zurück. Seine PR-Kampagne “Legal, aber…” hat eher Stigmatisierung als Aufklärung gefördert.
Doch trotz aller Kritik war die SPD natürlich letztlich Teil des Fortschritts und tausendmal besser für Hanffreunde als es CDU und CSU jemals waren.

Aus den Antworten in den WPS:

“In der ablaufenden Wahlperiode wurden wichtige Fortschritte im Bereich Drogen- und Suchtpolitik erzielt: die Einführung von Drug-Checking-Möglichkeiten, das Cannabisgesetz sowie stärkere Regelungen für Tabakerhitzer und E-Zigaretten zum Schutz der Gesundheit. Zudem wurden so hohe Mittel für Prävention bereitgestellt wie noch nie zuvor.”

Die SPD hat ein kurzes Programm inklusive Bekenntnis zum Ziel der Legalisierung,  leider etwas durchwachsene Antworten auf unsere Wahlprüfsteine und einen beratungsresistenten Gesundheitsminister. Insgesamt steht die SPD aber für eine progressive Drogenpolitik und hat letztes Jahr als Teil der Ampel einen Neustart in der deutschen Drogenpolitik auf den Weg gebracht, auch wenn Teile der Partei damit merklich fremdeln. Das Erreichte wird verteidigt, weitere Fortschritte wird die SPD aber wohl nur sehr vorsichtig und langsam angehen. Der Umgang mit anderen illegalen Drogen spielt für die SPD offenbar keine große Rolle. Als Hanffreund kann man durchaus sein Kreuz bei der SPD machen.