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Cannabis Social Clubs in Spanien- Ein Modell für uns? Teil II

Der nächste Stopp nach dem Besuch im Ganjazz Art Club sollte der ABCDA (Associació Cannàbica Barcelonesa d’Autoconsum) werden. Beim ersten Besuch, der auch hier im Vorfeld angemeldet werden musste, werde ich Augenzeuge eines vergeblichen Versuchs deutscher Touristen, ins Innere der Clubräume zu geraten. {C}Denn trotz der großen Anzahl Mitglieder, mittlerweile sind es fast 10.000, scheint sich der Club an die Regeln zu halten. Selbst Ed Rosenthal musste sich bei einem gemeinsamen Besuch an diese Regularien halten und der Aufnahmeprozedur aufmerksam lauschen, was die Hanf-Ikone aus Übersee offensichtlich überraschte. Auch im ABCDA muss ein ein neues Mitglied von einem Vereinsmitglied empfohlen werden, um in den Genuss der Vorteile eines CSC zu kommen.  Die Clubräume erinnern hier stark an niederländische Coffeeshops, nur ist das Gras billiger und die Getränke sind umsonst. Ich spüre auf jeden Fall, dass es hier weniger persönlich ist, dafür aber eine umso freundlichere Atmosphäre herrscht, bevor ich mich mit Bayan, dem 2.Vorsitzenden des Clubs, treffe.

Barcelona- Hauptstadt der CSCs

Wir plaudern zuerst einmal über das Cannabis-Anbauprojekt in Rasquera, das die kleine Gemeinde zusammen mit dem ABCDA durchführen wollte, jedoch von der Zentralregierung keine Erlaubnis erhielt. Das Projekt liege jedoch nur auf Eis, man versuche jetzt den langen Klageweg zu gehen. Seit der Club mit dem Projekt in den Fokus der Öffentlichkeit geraten ist, kann man sich vor Anfragen kaum noch retten und die Mitgliederzahlen sind in die Höhe geschossen. Deshalb wurden auch neue, größere Räumlichkeiten direkt gegenüber des Französischen Bahnhofs angemietet.  Der ABCDA ist auch in Barcelona einer der ersten Clubs gewesen und hält sich an die gleichen Regeln wie andere, trotzdem haben sie aufgrund der Größe mittlerweile regelmäßig Ärger mit der Polizei. CSCs sind den Ermittlern, wie im ersten Teil bereits beschrieben, sowieso suspekt und ab einer gewissen Größe wird den Hanf-Anbauvereinen grundsätzlich vorgeworfen, sie seien illegal.  Bayan aber meint, dass es in der zweitgrößten Stadt Spaniens eben auch große Clubs geben muss, schließlich arbeitet man nicht weniger transparent als andere. Ich solle mir mal überlegen, wie es aussehen würde, wenn der Bedarf der Stadt nur durch Mini-Clubs gedeckt würde. Dann hieße es wieder, es seien zu viele und sie sprießen wie Pilze aus dem Boden, überall rieche es nach Gras und die Kinder seien ja ob der hohen Dichte so gefährdet. “Wir haben die Ramblas (Anm. d. Redakteurs: Die ehemalige Schwarzmarkt-Hochburg für Cannabisprodukte) sauber bekommen”, sagt Bayan nicht ohne Stolz in der Stimme.

Wer im ABCDA Mitglied werden will, braucht einen Bürgen in Form eines bereits registrierten Mitglieds und sollte angeben, wie viel Gras sie/er pro Woche ungefähr konsumiert, so dass die angestellten Clubgärtner den Anbau entsprechend des Bedarfs vorausplanen können. Hier sind 27 Gramm das Maximum pro Person und Woche, wobei die auch kaum jemand ausnutzt. Ich erfahre, dass man den Mitgliedern eigentlich gar keine Vorschriften machen wolle,  schließlich kann man sich im Schnapsladen nebenan ein ganzes Fass holen, wenn einem danach verlange. Aber die Kooperation mit den Behörden verlange nach Zahlen, die auch für Außenstehende nachvollziehbar sind. Über Größe und Lage der Anbauräume spricht man hier natürlich nicht gerne, aber fast 10. 000 Clubmitglieder brauchen sicher mehr als ein paar Indoor-Zelte.

Das Gras im ABCDA ist weniger exquisit als das im Ganjazz,  aber durchaus von ansprechender Qualität. Es gibt zwischen vier und acht Sorten, die Gebühr liegt bei 3 Gramm für 20 Euro, egal welche Sorte.  Goodies oder Specials für Patienten, Gebäck oder Tinkturen sucht man hier vergeblich, das BHO-Konzentrat ist jedoch außerordentlich. Ich werde eingeladen, als Aktivist und Hanf-Berichterstatter “Ehrenmitglied” im ABCDA zu werden und erhalte prompt einen Mitgliedsausweis. Natürlich muss ein anderes Mitglied für meine Integrität bürgen und auch ich komme nicht um die obligatorische Einführung in die rechtliche Situation herum, für die man extra einen englischsprachigen Kollegen herbei holt. So erfahre ich auch, dass der ABCDA seinen Mitgliedern rät, das Gras im Genitalbereich nach Hause zu transportieren. Denn der Transport findet auf öffentlichen Raum statt, was den Besitz  in Spanien erst illegal macht (siehe Teil I). Den Genitalbereich dürfen Polizisten in Spanien, anders als hierzulande, nur mit richterlichem Beschluss durchsuchen. Wird ein Mitglied auf dem Heimweg von den Clubräumen mit Gras erwischt, das von dort stammt, kümmert sich der Club um die Rechtsangelegenheiten des Mitglieds.

Doch während meines Aufenthalts in der Hauptstadt Kataloniens sind mir auch zwei Beispiele sehr kommerzieller Clubs begegnet, die jedoch nicht unbedingt von deren Größe abhingen. Vielmehr ist es die Intention des oder der Gründer(s).  Da es sich bei meiner Kritik um einen rein subjektiven Eindruck handelt, den ich während drei Besuchen von 2013-2014 gewonnen habe, verzichte ich auf die Nennung von Namen der bei mir persönlich in Ungnade gefallenen Clubs. Nicht, weil sie Gras verkaufen, sondern weil sie durch übereiltes, vorschnelles und zu öffentliches Agieren dem Re-Legalisierungsprozess einen Bärendienst erweisen könnten. Es gibt mittlerweile “Schlepper”, die Blanko Clubausweise dabei haben, mit denen sie Touristen in die Clubräume locken, ohne sie wenigstens über die rechtliche Lage zu informieren, ihnen Verhaltenstipps zum Umgang mit dem Gras oder der Polizei zu geben. Andere Clubs wiederum nutzen sehr bekannte Namen aus der Cannabis-Szene, um einen Anlaufpunkt für Touristen aus Übersee zu etablieren. Grundsätzlich ist das auch nicht verwerflich, könnte aber in der immer noch angespannten Situation dazu führen, dass das Pendel in die falsche Richtung ausschlägt, weil solche Clubs auch in der Öffentlichkeit als getarnte Coffeeshops wahrgenommen werden. Deshalb ordert die FAC zum Schutz der Vereine auch die Einführung eines Verkaufssystems unter Einbeziehung des Jugendschutzes. Wird es das in naher Zukunft nicht geben, ist ein Missbrauch des CSC-Systems vorprogrammiert, die Vorboten sind bereits jetzt zahlreich.

Es geht auch ganz privat-  der Castelló Cannabis Club

Ein paar hundert Kilometer weiter südlich habe ich mich in der Hafenstadt Castellon mit Robino verabredet, der im Vorstand des örtlichen CSC, dem Castelló Cannabis Club, sitzt. Anders als in allen mir bislang bekannten Clubs sehe ich keine Abgabestelle, weil das Gras für die Mitglieder nur auf Vorbestellung herausgegeben wird. Auch hier muss ein Neumitglied bei Eintritt den ungefähren Monatsbedarf angeben, den sie/er sich dann eine Woche nach der Bestellung als versiegeltes Päckchen abholen kann.Der Preis liegt auch hier bei ungefähr sechs Euro/Gramm. Der Club hat 2012  mit einer Hand voll Mitglieder angefangen und bis heute noch rund 50 dazu gewonnen, so dass die kleine Gemeinschaft nun knapp 60 Leute zwischen 18 und 70 umfasst. Da Castellon keine Touristenstadt ist, laufen Anbau und Abgabe sehr dezent und in kleinem Rahmen ab. Das ist wahrscheinlich auch der Grund für die ignorante Haltung der Polizei, die den CSC einfach nicht wahrnimmt oder ihn nicht wahrnehmen möchte, so lange er kein großes Aufsehen erregt. Im Laufe des gemütlichen Nachmittags trudeln immer mehr Cannabis-Liebhaber ein und unterhalten sich über ihre neuesten Outdoor-Experimente, denen sie in Spanien ganz ungeniert und ungestraft nachgehen können. Jeder hat ein kleines Blütchen dabei, so dass gegen Ende des Nachmittags eine wahre Sortenvielfalt auf dem Gemeinschaftstisch liegt, von dem sich jede/r der Anwesenden bedienen kann. Ich habe das Gefühl, dass hier die ursprüngliche Idee der Social Club Bewegung noch am ursprünglichsten umgesetzt wird. Das liegt natürlich auch an der Einstellung der örtlichen Behörden, die hier, unweit von Valencia, weitaus weniger tolerant sind. So ist der Club neben dem Anbau von gutem Gras auch daran interessiert, möglichst unauffällig und unbemerkt von der Öffentlichkeit und den Medien zu agieren.

Ein Sonderfall: Die Kanarischen Inseln

Die bislang letzten Besuche in den Hanf-Anbauvereinen sollten auf den kanarischen Inseln stattfinden, wo ganz andere Voraussetzungen herrschen als auf dem Festland. Die Zentralregierung ist weit weg, das Klima lässt bis zu sechs Ernten im Jahr unter freiem Himmel zu und die Wirtschaftskrise hat die Menschen hier, anders als im Norden Spaniens, besonders hart getroffen. In den Clubs der Inseln herrscht gerade Pionierstimmung, allein Teneriffas Touristen-Hotspot im Süden Los Christianos / Los Americanos verfügt bereits über fünf Clubs, zudem gibt es fast in jeder Kleinstadt der Kanaren einen Club. Doch wider Erwarten war keiner der sechs von mir besuchten Clubs Anlaufstelle für Touristen. Selbst die an der Neckermann-Promenade gelegenen Vereine sind so unauffällig gestaltet, dass sie von den Heerscharen an Touristen kaum wahrgenommen werden. Auch sind die Clubs gar nicht an Werbung von “Touris” interessiert, weil das die Polizei auf den Plan bringen würde. Die Aufnahmebedingungen sind ähnlich wie in Barcelona, was dazu führt, dass man zwar keine Touristen, dafür aber viele Engländer, Deutsche oder Italiener, die sich als Saisonkräfte auf den Inseln verdingt haben, trifft. Ein Tourist, der zwei Wochen Pauschalurlaub bucht, kommt kaum in den Genuss, ein Clubmitglied kennenzulernen, das ihn einführt. Wer hingegen monatelang dort kellnert, putzt oder zum Wassersport animiert, stößt früher oder später auf einen der entspannten Vereine. Einige Clubs wie der ACMFUER (Asociación de Cannabis medicinal de Fuerteventura) haben sich auf die Versorgung von Cannabis-Patienten spezialisiert, wobei die Arbeit des Vorsitzenden Josetxu  in diesem Zusammenhang besonders hervorgehoben werden soll. Josetxu, Aktivist und Präsident des Clubs, kämpft schon seit vielen Jahren für  Aufklärung und eine Anpassung der spanischen Gesetze und ist so über die Grenzen der Inseln hinaus bekannt geworden. In seinen Clubs werden Patienten besonders gut beraten und versorgt, außerdem hat “El Presidente” es geschafft, viele Lokalpolitiker von der Seriosität und Notwendigkeit seines Anliegens und der Clubs zu überzeugen. Das hat zu einem großen Maß an Akzeptanz in der Bevölkerung geführt und  gibt dem ACMFUER mehr Handlungsspielraum als den vielen Clubs.

Last but not least ist auch die klimatische Situation sowie die Nähe zu Marokko mitverantwortlich für die Beliebtheit von Cannabisprodukten unter den Einwohnern, zudem wächst Hanf  bei ein wenig Wasserzufuhr dort fast wie Unkraut, mit bis zu sechs Ernten pro Jahr.  Die Einhaltung gewisser Regeln scheint besonders hier wichtiger als die sprichwörtliche Gesetzestreue. Denn auch auf den Inseln im Atlantik  lässt die Polizei gerne einmal die Muskeln spielen, ohne jedoch die Existenz der Clubs ernsthaft in Frage zu stellen. Da die Jugendarbeitslosigkeit  der Inseln besonders hoch ist und da der Staat kaum Geld hat, bemühen sich die Clubs hier auch besonders um sinnvolle Freizeitgestaltungs-Möglichkeiten für Mitglieder. Es gibt zahlreiche Workshops zum Anbau oder zur Veredlung des Endprodukts, Kochkurse, Musikabende, Sportmöglichkeiten und vieles mehr. Der Gesamteindruck auf den Kanaren war geprägt von sehr gut organisierten Clubs, die ihren Mitgliedern einfach eine Menge Spaß und Möglichkeiten bieten, ohne kommerziell zu wirken.

Funktioniert das auch in Deutschland?

Grundsätzlich ja, aber: Bei uns wäre kaum ein Gericht bereit, CSCs agieren zu lassen, ohne dass der Gesetzgeber die gesetzliche Grundlage hierfür schafft und bis ins kleinste Detail definiert. In Deutschland  wäre eine Tolerierung schon aufgrund des BtmG, das sich grundlegend vom spanischem Recht unterscheidet, gar nicht möglich. In Deutschland würde der Gesetzgeber einen legalen Rahmen definieren müssen, in dem solche Clubs agieren könnten. Vorstellbar wäre eine Regelung wie die, die in Uruguay in Kraft treten soll. Dort dürfen Clubs nicht mehr als 45 Mitglieder haben und 99 Pflanzen anbauen, um eine Kommerzialisierung zu verhindern. Das spanischen Modell, das, ähnlich wie das niederländische, nach dem Motto “Wiir machen’s jetzt einfach” von den Usern selbst eingeführt wurde, ist bei uns kaum denkbar. Wohl aber eines, bei dem, ähnlich wie im Club in Castellon, Abgabe, Mitgliederzahl und Anbaumenge strengen Obergrenzen unterliegen. Nicht etwa, weil mehr gefährlicher oder unmoralisch wäre, sondern weil das gemeinsame Anliegen sonst noch schwerer vermittelbar wird.

Nachtrag: Kurz vor Veröffentlichung dieses zweiten Teils hat die Polizei in Barcelona einen auf Touristen fokussierten Club durchsucht und aufgrund zahlreicher Regelverstöße schließen lassen.