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Bericht: Erfolgreicher Cannabis-Fachtag in Münster

Am 13.12.2016 fanden sich zahlreiche Experten aus ganz Deutschland in Münster ein, um über die regulierte Abgabe von Cannabis zu sprechen. Hintergrund ist ein Bürgerantrag der Hanffreunde Münster, Ortsgruppe des DHV, die ein Modellprojekt zur Cannabisabgabe fordert, welches von der Stadt beschlossen wurde. Bei der Konferenz überwogen die Legalisierungsbefürworter. Micha Greif, Sprecher der Hanffreunde Münster, hat diesen ausführlichen Bericht zur Konferenz und den Hintergründen verfasst:

Am 04.04.2014 reichten Robert, Jonas und ich (Micha) die DHV-Musterpetition mit eigenen Anpassungen ein und starteten eine Unterschriftensammlung, mit der in den folgenden Monaten Online und Offline über 2.100 Unterschriften gesammelt wurden, welche in einem persönlichen Ortstermin vor versammelter Presse an Oberbürgermeister Lewe (CDU) übergeben wurden. Bereits im April 2014 meldeten sich so viele Unterstützungswillige für das Anliegen, dass der Entschluss fiel, eine Bürgerinitiative zu initiieren: Die Hanffreunde Münster wurden gegründet und ein eigener Blog + Facebook-Präsenz erstellt. Die Bürgerschaft der Stadt wählte unseren Vorschlag für ein Cannabis-Modellprojekt im Bürgerhaushalt in die Bestenliste.

Alle im Rat vertretenen Parteien und deren Jugendorganisationen wurden mehrfach für Fachgespräche kontaktiert. Es fanden Gespräche mit den Grünen, den Jungen Piraten / Piratenpartei, der ÖDP, den jungen Liberalen / FDP, den Jusos/SPD und der AfD statt. Die Grüne Jugend / Kaktus & die Linksjugend/Linke erklärten Ihre Unterstützung auch ohne formelles Treffen. Als einzige große Fraktion verweigerte sich die CDU und deren Jugendorganisation, die Junge Union, dem persönlichen Gespräch.

Für die anstehenden Kommunal- und OB-Wahlen gaben wir Wahlempfehlungen aus und nach der Wahl verteilten wir Infos an alle Teilnehmer der Ratssitzung, bei der unser Antrag erstmals auf der Tagesordnung stand. Nach einigen Ausschussberatungen wurde am 16.09.2015 endlich über den Antrag abgestimmt. Gleich 7 (!) Parteien stimmten dem inhaltlich geänderten Antrag zu: SPD, Grüne, Linke, FDP, Piraten, UWG, ÖDP und Parteilose stimmten zu, nur CDU und AfD dagegen.

In der Folge wurde eine Planungsgruppe durch die Stadt Münster einberufen, um die fachliche Gestaltung der Konferenz vorzubereiten. Gleich drei unserer Mitstreiter wurden von den Parteien als Vertreter nominiert, so dass wir direkt in der Planungsgruppe mit eigenen Vorschlägen an der Gestaltung mitwirken konnten. Nach zwei Treffen und ein paar Nachfragen wurde die Fachkonferenz für den 13.12.2016 terminiert. Ein Anruf bei der Stadt reichte aus, damit diese auch eine Facebook-Veranstaltung hierzu erstellte. Wir haben den Termin mit Unterstützung des DHV intensiv online beworben und hierzu über unsere Pressemitteilungen hinaus erstmals zwei kleine Facebook-Werbeanzeigen geschaltet. Des Weiteren führten wir gleich vier Infostände in den Wochen vor dem Fachtag durch, bei denen wir auch den städtischen Infoflyer zur Konferenz verteilten. Am Vortag waren der Leiter des Gesundheitsamtes, Herr Dr. Schulze Kalthoff und wir in einem guten Beitrag des WDR zu sehen.

Nun war es endlich soweit: 144 Anmeldungen lagen vor, rund 200 Interessierte nahmen an der Veranstaltung teil. Das Durchschnittsalter des Publikums lag schätzungsweise bei 50 Jahren und war, ebenso wie die meisten Experten, offenbar legalisierungsfreundlich eingestellt. Die gesamte Veranstaltung wurde live im Internet auf der Homepage der Stadt Münster übertragen. Die Links zu den Vortragsvideos sind unter dem Artikel aufgeführt.

Die CDU äußerte sich bereits vor Anhörung der Fachleute ablehnend gegenüber dem Modellprojekt. Während die Düsseldorfer CDU sich für einen Fachtag zum dort geplanten Modellprojekt stark gemacht hat, bezeichnete der Münsteraner CDUler Stefan Leschniok die Fachkonferenz via Facebook als “überflüssig wie ein Kropf”. Auf der Veranstaltung selbst war die CDU durch den Ratsherrn Richard-Michael Halberstadt im Publikum vertreten, Herr Polizeipräsident Kuhlisch ist zudem ebenfalls Mitglied der CDU. Er sprach sich gegen die Legalisierung aus, in anderen Ländern hätte man damit “schlechte Erfahrungen” gemacht und die Probleme seien dadurch “nicht gelöst” worden. Die Reaktion von Dr. Gaßmann kam prompt, gefolgt von begeistertem Applaus: “Sie argumentieren ohne Fakten.” Auf meine Nachfrage, welche konkreten “Zahlen, Daten und Fakten” Herrn Kuhlischs Position zugrunde liegen, wiech dieser aus: “Das kann man nachlesen”. Er nannte als Quelle lediglich pauschal die Polizei von Colorado. Auf die Frage von Robert, wie sich denn das Verbot überhaupt rechtfertige, wenn es wirkungslos ist und keinen Vorteil bringe, reagierte Herr Kuhlisch ebenfalls ausweichend. Eine Entkriminalisierung von Cannabis sei jedoch auch für ihn denkbar.

Die Presseresonanz der Veranstaltung war gut (siehe WDR, WN davor, WN danach, Die Glocke & Radio Q). Fast alle der von uns beim Eingangstisch abgelegten DHV-Flyer oder ACM Prospekte wurden mitgenommen. Aus der Lokalpolitik kam Dank für unsere Initiative mit der Aufforderung an alle bürgerlichen Gruppen, nun auf die Landesregierungen einzuwirken, damit diese überzeugt werden, den Bremer Vorstoß zur Ermöglichung von lokalen Modellprojekten durch eine Bundesratsinitiative zu unterstützen. Das Modellprojekt in Münster wird weiter vorangetrieben werden. Die Stadt bereitet einen Antrag dazu vor.

Die Aufzeichnung des Fachtags “Konsum ohne Reue? – Verantwortungsvolle Regulierung von Cannabis auf kommunaler Ebene” vom 13.12.2016 steht auf dem YouTube-Kanal der Stadt Münster zum Nachschauen bereit:

Part 1 – Grußworte – Cornelia Wilkens, Dezernentin für Soziales, Integration, Kultur und Sport der Stadt Münster

Part 2 – Rechtliche Rahmenbedingungen – Professor Lorenz Böllinger, Universität Bremen, Prof. em. für Strafrecht und Kriminologie

Part 3 – Aus Fehlern lernen: Jugend- und Konsumentenschutz sind möglich! – Dr. Raphael Gaßmann, Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen

Part 4 – Kriminologische Aspekte der Drogenprohibition und internationale Erfahrungen mit der Entkriminalisierung – Hubert Wimber, Law Enforcement Against Prohibition Deutschland

Part 5 – Kiffen für alle? Die Cannabisdebatte und ihre Wirkung auf die Prävention – Dr Hans-Jürgen Hallmann, ginko-Stiftung, Landeskoordinierungsstelle Suchtvorbeugung NRW

Part 6 – Cannabis: Pharmakologisch- toxicologische Aspekte – Professor Martin Smollich, praxisHochschule Rheine

Part 7 – Gefahr in Tüten? Ratio und Mythos – Cannabiskonsum aus Sicht der Suchtmedizin und Psychiatrie – Dr. Jutta Settelmayer, LWL-Klinik Münster, Abteilung für Suchtkrankheiten

Part 8 – Podiumsdisskusion – Professor Volker Arolt, UKM, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie; Dr. Raphael Gaßmann, Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen; Hans-Joachim Kuhlisch, Polizeipräsident Münster; Dr. Wolfgang Schneider, INDRO e.V.

Blog der Hanffreunde Münster


Kommentare

2 Antworten zu „Bericht: Erfolgreicher Cannabis-Fachtag in Münster“

  1. Hans-Martin

    Danke auch von meiner Seite,
    Danke auch von meiner Seite, auch für das verlinken der gesamten Debatte auf youtube !!
    Und es freut mich zu sehen, das was die Spendenaktion betrifft,es scheinbar doch noch gelungen ist dem angestrebten Ziel recht nahe zu kommen !

    MfG & hoffe das WIR alle es schaffen dieses Jahr noch mehr Barrieren in den Köpfen einiger, was die Sicht auf Cannabis betrifft zu durchbrechen..

  2. Cookie

    Danke für den ausführlichen
    Danke für den ausführlichen Bericht – Ihr macht eine hervorragende Arbeit!