Bericht von Chris von der DHV-Ortsgruppe Rhein-Neckar
Am 13.1.2015 fuhren zwei Vertreter der DHV-Ortsgruppe Rhein-Neckar zum grünen Bürgerdialog nach Wiesloch, südlich von Heidelberg, um der grünen Landtagsfraktion und insbesondere dem Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Herrn Kretschmann, zur Frage der Cannabislegalisierung auf den Zahn zu fühlen.
Der Bürgerdialog bestand zunächst aus etwa einer Stunde politischer Reden. Herr Kretschmann (“Wir regieren gerne”) gab dann den Startschuss für die Fragen der Bürger zu vielfältigen Themen, welche an mehreren Stehtischen behandelt wurden. Die vorgesehenen Themen waren unter anderem: “Energie”, “Umwelt”, “Flüchtlinge”, “Europa”, aber auch “Justiz/Strafverfolgung”, “Polizei/Innere Sicherheit” und “Gesundheit/Soziales”.
An den Thementischen konnte man leicht mit den grünen Mitgliedern des Landtags (MdL’s) oder sogar den Fraktionssprechern zu den jeweiligen Themen ins Gespräch kommen. Unser Fokus war jedoch Herr Kretschmann, welcher ebenfalls für 1:1 Gespräche zur Verfügung stand. In der Praxis war es allerdings gar nicht so einfach, an ihn ranzukommen, weil er immer von einer Traube von Mitarbeitern, Sicherheitsleuten oder Bürgern umgeben war. Unser Mitaktivist Roland hat es dann aber nach einer Anmeldung bei seiner Büroleiterin und einer kleinen Wartezeit geschafft, einige Minuten mit ihm zu sprechen.
Roland zitierte als Einstieg eine Passage aus dem Koalitionsvertrag der rot-grünen Landesregierung von 2011, nämlich das Konzept “Hilfe statt Strafe”. Wie er dann weiter ausführte, führt die baden-württembergische Landespolizei nach unserer Beobachtung scheinbar anlasslose und routinemässige Kontrollen im Heidelberger Hauptbahnhof durch, welche speziell Jugendliche und junge Menschen zwischen 15 und 30 Jahren betreffen und unserer Meinung nach der sogenannten “Bekämpfung der Drogenkriminalität” dienen. Diese
Beobachtungen machen neben uns auch andere Bürger seit Jahren. Eine Umsetzung des Konzepts “Hilfe statt Strafe” können wir an dieser Stelle nicht erkennen. Herr Kretschmann verteidigte das Vorgehen der Polizei im Heidelberger Hauptbahnhof prinzipiell aus Gründen des Legalitäts-Prinzips. Das Legalitäts-Prinzip besagt, dass die Strafverfolgungsbehörde (Polizei/Staatsanwaltschaft) verpflichtet ist, ein Ermittlungsverfahren zu eröffnen, wenn sie Kenntnis von einer
Straftat erlangt hat, welche, wie im Falle des BtmG, kein reines Antragsdelikt ist. Inwiefern bei anlasslosen Kontrollen die Kenntnis einer Straftat vorliegt, bleibt das Geheimnis des Herrn Kretschmann.
Als unser Mitaktivist Roland weiter ausführte, dass Konsumenten von Cannabis der Gesellschaft und anderen keinen Schaden zufügen und dennoch strafrechtlich verfolgt werden, erwiderte Herr Kretschmann, dass es keine Mehrheit für eine Legalisierung in unserer Gesellschaft gäbe. Er gab insbesondere zu bedenken, dass sich die beiden Fraktionen (Grüne und SPD) in seiner eigenen Koalition zur Frage der Legalisierung nicht einig seien. In ernstem Ton verdeutlichte er dann weiter, dass “Drogen einfach süchtig machen”, dass man “in einer aufgeklärten Gesellschaft einen klaren Kopf behalten müsse” und sich nicht “mit Drogen den Kopf vernebeln” solle.
So war das Ergebnis unseres Gesprächs dann auch sehr ernüchternd. Herr Kretschmann hat sich insgesamt im Laufe des Gesprächs kaum bewegt. Immerhin hat er auch seine persönliche Meinung verraten, dass “man das [Cannabis] weiter entkriminalisieren sollte, aber dafür gibt es erstmal keine gesellschaftliche Mehrheit”.
An dieser Stelle muss man ihm leider recht geben, wenn man die von infratest dimap durchgeführte Umfrage des Deutschen Hanfverbandes vom Oktober 2014 betrachtet, in welcher 59% der Bevölkerung einer strafrechtlichen Verfolgung auch von geringen Mengen Cannabis zustimmen.
Wie von Herrn Kretschmann angedeutet, hat sich in der Frage der Cannabis-Entkriminalisierung bzw. -Legalisierung die SPD bei den Koalitionsverhandlungen 2011 nicht bewegt. Alle vielversprechenden Inhalte des Wahlprogramms der Grünen von Ende 2010, nämlich die “legale Abgabe von Cannabis durch öffentlich-rechtliche Stellen” innerhalb einer “Erprobung in wissenschaftlich begleiteten Modellversuchen” seien damals dem Konsens der Koalition mit der SPD geopfert worden.
Wie wir von einem weiteren Teilnehmer der Koalitionsverhandlungen an diesem Abend erfahren haben, bezog sich das Konzept “Hilfe statt Strafe” aus dem Koalitionsvertrag von 2011 von Anfang an nicht auf Cannabis. Eine Einbindung von Cannabis habe speziell der SPD-Innenminister Gall und der SPD-Justizminister Stickelberger zu verhindern gewusst. Dies ist umso verwunderlicher, wenn man bedenkt, dass der Leiter der Staatskanzlei der Landesregierung, Herr Murawski, uns
gegenüber in einem Schreiben vom Juni 2011 konkrete Schritte zur Entkriminalisierung von Cannabis-Konsumenten in den nächsten Monaten in Aussicht gestellt hatte.
Anmerkung von Florian Rister, Deutscher Hanfverband:
Dieser Bericht zeigt sehr schön auf, wie wichtig es ist, den Kontakt zu Politikern aktiv zu suchen. Auch wenn man erstmal scheinbar keine Erfolge erzielt, so ist es doch langfristig absolut entscheidend, das Thema Cannabislegalisierung immer wieder anzusprechen. Schon am Donnerstag dem 29.Januar bietet sich diese Möglichkeit erneut bei Winfried Kretschmann, da dieser sich in einer Online-Sprechstunde den Fragen seiner Bürger stellen will. Bitte, nutzt diese und andere Gelegenheiten um für die Legalisierung zu werben. Es lohnt sich!
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