Der FDP-Abgeordnete Marcel Luthe hatte im Rahmen einer Kleinen Anfrage im Berliner Abgeordnetenhaus den Wirkstoffgehalt von in Berlin beschlagnahmtem Cannabis abgefragt. Die Werte, die Luthe in der Antwort der Berliner Senatsverwaltung für Inneres und Sport vorfand, dienten als Grundlage für einen Artikel der Berliner Morgenpost, in dem Luthe auf die Gefahren und die Unsicherheit eines unregulierten Cannabis-Marktes hinwies und die „Pro-Legalisierung“-Position seiner Partei untermauerte. Luthe beklagte die Steigerung des Wirkstoffgehalts bei Berliner Straßengras von durchschnittlich 11,1 Prozent THC (2007) auf 13,7 Prozent im Jahr 2017. Die Gefahr, die von unbekannten und steigenden Wirkstoffgehalten für Konsumenten ausgehe, ist nach Ansicht Luthes und der gesamten Berliner FDP nur durch eine Regulierung des Marktes zu erreichen.
Doch ein genauer Blick auf die Zahlen wirft neben den Risiken des Schwarzmarkts noch eine ganz andere Frage auf. Wer die THC-Gehalte des in Berlin beschlagnahmten Grases mit anderen Zahlen weltweit vergleicht, muss vermuten, dass es in Berlin das stärkste Gras der Welt gibt. Zwar ist der durchschnittliche THC-Gehalt von Berliner Straßengras mit 11,1-13,7 Prozent durchaus realistisch und nachvollziehbar, doch als Spitzenwert wurden mit Ausnahme von 2016 jedes Jahr Funde mit einem THC-Gehalt von mehr als 30 Prozent genannt. 2010 wurden sogar Blütenstände mit bis zu 44 Prozent THC beschlagnahmt und auch 2011 soll es einen Spitzenwert von 39,7 Prozent gegeben haben. Neben den extrem starken Blüten wurde neben Haschisch auch eine Position “Cannabiskraut (Marihuana)” angeführt, die mit einem Wirkstoffgehalt zwischen zwei und vier Prozent keinem handelsüblichen Cannabis-Produkt entspricht. Ob hier die konfiszierten Ernteabfälle gemeint sind, konnte auch eine Anfrage bei der Pressestelle des Senats bislang nicht klären.
Stärker als alle Cupsieger
Stimmen diese Ergebnisse, deren Feststellung die Berliner Polizei im Rahmen zahlreicher Strafprozesse bei einem forensischen Labor in Auftrag gegeben hatte, hätte Berlin wirklich das stärkste Gras der Welt. Denn trotz intensiver Forschung ist es kanadischen, niederländischen oder US-amerikanischen Growern bislang nur in extremen Ausnahmefällen gelungen, Cannabisblüten mit einem Wirkstoffgehalt von über 30 Prozent zu züchten. So soll das stärkste Gras der Welt (OG Godfather) laut High Times derzeit 34 Prozent THC aufweisen. Allerdings war hier der THCA (THC-Säure)-Wert zum eigentlichen THC-Wert hinzu addiert worden, um dann einen Gesamtwert von 34 Prozent aufzuweisen. Somit entspricht das Ergebnis nicht den üblichen Testmethoden zur Ermittlung des für den Menschen verwertbaren THCs bei medizinischen Cannabis. Noch im Jahr zuvor wurde beim selben Cup nur der THC-Wert gemessen und so hatte das stärkste Gras 2016 (A-Dub) auch „nur“ 28 Prozent THC.
Die von europäischen Labors bestätigten Spitzenwerte liegen, genau wie die Spitzenwerte für medizinisches Cannabis aus Kanada, allerdings immer noch unter 30%. In Deutschland weisen die stärksten Sorten aus der Apotheke derzeit 22% THC auf. Eine mit im Frühjahr angekündigte Sorte könnte mit 26 Prozent THC zwar das stärkste Gras in Europas Apotheken sein, aber in Form von Blüten ist ein wesentlich höherer Wirkstoffgehalt weder bei medizinischem Cannabis, noch bei Cannabis zum Freizeitkonsum – nicht mal Kanada – absehbar. Die in Berlin gefundenen Cannabisblüten mit angeblich 44 (2010); 39,7 (2011), 37,9 Prozent (2009) oder 31,9 (2014) Prozent THC wären demnach nicht nur das stärkste Weed der Welt. Für Investoren und auch die deutsche Produzenten von Medizinalhanf könnten sie eine begehrte Grundlage zur Entwicklung neuer, medizinischer Sorten mit einem hohen THC-Gehalt bilden – sofern sie noch in der Asservatenkammer liegen und zur medizinischen Forschung frei gegeben werde können.
Verschiedene Messmethoden der Labore als möglicher Grund
Ein möglicher Grund für die eklatante Differenz könnten die unterschiedlichen Messmethoden der Labore sein. Die Vorschriften bei medizinischem Cannabis sind strenger, die Ergebnisse differenzierter als bei einer einfachen, forensischen Untersuchung von beschlagnahmten Blüten.
Die Pressstelle der Senatsverwaltung für Inneres und Sport konnte eine entsprechende Anfrage nicht beantworten und hat auch bei den Details zum THC-Gehalt an die Pressestelle der Berliner Polizei verwiesen. Die hat auf eine Anfrage zu den ermittelten THC-Gehalten zwischen 2007 und 2017 sowie der Beschaffenheit des aufgeführten Cannabiskrauts-Marihuana bislang noch nicht geantwortet
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