Der Deutsche Hanfverband berichtete in der Vergangenheit bereits mehrfach über die Beschlagnahmung von Kundendaten bei Growshops im Raum Hannover/Bremen und anschließende Hausdurchsuchungen bei den Kunden dieser legalen Geschäfte. Seit Anfang 2014 ermittelt die Hannoveraner Staatsanwaltschaft und es ist kein Ende in Sicht. Die Anzahl der beschlagnahmten Kundendaten ist hoch. Somit ist auch in den nächsten Monaten und möglicherweise sogar in Jahren noch mit Hausdurchsuchungen auf Grund der alten, beschlagnahmten Daten zu rechnen.
Wir müssen klar darauf hinweisen, dass in allen Fällen ausschließlich Bestellungen, die vor den jeweiligen Razzien gemacht wurden, davon betroffen sind. Wer nach dem Juni 2014 bestellt hat, dessen Daten wurden nach unseren Erkenntnissen in keinem der folgenden Fälle beschlagnahmt!
Vor allem eine Firma in Bremen ist betroffen. Die zunächst erteilte Gewerbeuntersagung wurde zwar aufgehoben, die im Jahr 2014 beschlagnahmten Kundendaten werden aber weiter ausgewertet. Ein Großteil der uns bisher bekannt gewordenen Fälle bezieht sich auf dieses Geschäft, sicherlich auch, weil deren Online-Shop sehr stark genutzt wird. Die Anzahl der hier beschlagnahmten Kundendaten ist dementsprechend groß, es gibt also noch viel Luft nach oben für weitere Hausdurchsuchungen. In einem Fall kam es sogar bei jemandem zu einer Hausdurchsuchung, der vor Jahren eine Bestellung aufgegeben, diese aber storniert, nicht bezahlt und dementsprechend auch nicht erhalten hatte!
Ein langfristig womöglich viel größeres Problem ist aber durch die Beschlagnahmung von Versanddaten des deutschen Großhändlers Miha GmbH entstanden. In den letzten Wochen erreichten uns diesbezüglich mehrere Meldungen, es scheint also, dass hier die Auswertung der Daten verstärkt vorangetrieben wird. Viele, wenn nicht alle deutschen Internethändler haben irgendwann schonmal von einem Großhändler Ware bestellt, und direkt an den Endkunden liefern lassen. Dies nennt sich Dropshipping und ist aus Gründen der Zeit- und Geldersparnis mittlerweile sehr weit verbreitet. Die Kunden werden davon nicht in jedem Einzelfall informiert und merken dadurch gar nichts davon, außer eine verkürzte Wartezeit und einen günstigeren Preis – die Adressdaten liegen dann aber bei dem jeweiligen Großhändler. Dadurch sind also nicht mehr nur die Kunden der wenigen Shops betroffen, bei denen es Beschlagnahmungen von Daten gab, sondern theoretisch eine viel größere Anzahl. Allerdings wird Dropshipping meist nur bei einem kleinen Teil der Bestellungen durchgeführt. Wie viele Fälle konkret betroffen sind, ist nicht bekannt.
Nachdem zunächst keine Durchsuchungen in Growshops stattfanden, die ihre Ware vom Großhändler Miha beziehen, sondern nur bei Privatpersonen, die entweder über eine eigene Firma bei Miha bestellt hatten oder via Dropshipping mit “haushaltsüblichen” Mengen an Equipment von Miha beliefert wurden, hat sich dies jetzt geändert: Das Ladengeschäft von Progrow Witten wurde durch die Polizei durchsucht, mit besonderem Fokus auf den Rechnern. Da der Shop aber keinen Versandhandel betreibt, konnten nur die Kommunikationsdaten, jedoch keine Kundenkartei beschlagnahmt werden. Die Firma wendet sich mit einem offenen Brief an ihre Kunden und die Öffentlichkeit, um über die Vorfälle zu unterrichten:
“Sehr geehrte Kunden, liebe Geschäftspartner & Freunde,
wir sehen uns in der Pflicht euch darauf hinzuweisen, dass das Amtsgericht Bochum eine Durchsuchung unserer Geschäftsräume veranlasst hat.
Im Zuge des Informationszugangsrechtes und dem Wunsch nach einer freien, transparenten Gesellschaft weisen wir hiermit darauf hin, dass Kopien unserer Festplatten angefertigt wurden.
Somit verfügen jetzt nicht nur wir und die NSA, sondern auch das Amtsgericht Bochum über die gesamte E-Mail Kommunikation von und an “” und alle weiteren über progrow.de abgewickelten E-Mails. Bisher bekannter Grund der Durchsuchungen sind Ermittlungen gegen einen deutschen Großhändler, dessen Kunde wir sind.
Im Zuge dieser Ermittlungen wurde dem Großhändler und nun auch uns vorgeworfen gegen §§ 29 Abs. 1 Nr.1 BtMG, 27 StGB verstoßen zu haben.
Wer uns näher kennt, weiß natürlich wie offenkundig falsch diese Behauptungen sind.
Den ermittelnden Beamten wird das eigentlich offenkundige nach kurzer Ermittlungszeit wohl ebenfalls klar werden.
Aufgefundene und sichergestellte Beweismittel nach ausgiebiger Durchsuchung unseres gesamten Ladens: 0. (In Worten null, nix, nada)
Jedoch gab’ es den expliziten Auftrag unsere Computer zu kopieren um Kundenlisten unseres Online-Handels sicherzustellen.
Wenn es auch eigentlich unnötig ist, so weißen wir darauf hin, dass wir keinen Online-Handel betreiben.*
Wir keinen Versandhandel betreiben.*
Wir keine Kundendaten erheben, verarbeiten oder speichern.*
Wir von Endkunden lediglich Barzahlung akzeptieren, somit auch über keinerlei Bankverbindungen verfügen.*
Die Auswertung unserer “Kundenlisten” dauert zwar noch an, dürfte aber aufgrund der überschaubaren Zahl 0 (in Worten null, nix, nada) vergleichsweise schnell von statten gehen. * Wir wurden lange dafür belächelt, mit unserem umfangreichen Lagersortiment nicht noch einen schnellen Online/eBay/etc-Euro dazuzuverdienen. Unsere private Meinung war und ist, dass alle Daten die irgendwann erhoben werden auch missbraucht werden. Diese Erkenntnis ist nicht erst der “Generation Facebook” geschuldet, sondern resultiert vielmehr aus der jüngeren deutschen Geschichte, in der bereits zwei Mal Unrechtssysteme harmlose Namenslisten zur Umsetzung der Tyrannei missbrauchten)
Nicht verhindern ließ sich jedoch, dass nun jegliche E-Mail Kommunikation in den Händen der ermittelnden Beamten ist. Wir hoffen sehr, dass die Kriminalpolizei Bochum über genügend personelle Reserven verfügt die geschätzt 20.000 E-Mails auszuwerten und zur Widerlegung der Anschuldigungen zu verwenden.
Obwohl zur Widerlegung der Anschuldigungen eigentlich kein weiterer Aufwand unsererseits von Nöten ist und jeder abgewrackte Wald- und Wiesenanwalt zur Klärung ausreicht, freuen wir uns sehr, dass wir in diesem Fall den bundesweit bekannten Anwalt Udo Vetter verpflichten konnten. Als Rechtsexperte für Grundrechte, ausgezeichnet mit dem Grimme-Award und Lehrbeauftragter der FH-Düsseldorf wird Herr Vetter hoffentlich nicht nur für uns, sondern vor allem für die Zukunft (und unsere geschätzten Mitbewerber!) weitere Willkür durch Rechtsstaatlichkeit zu ersetzen wissen.Beste Grüße,
Pascal DrischP.S.: Wir sind für Informationsfreiheit und Transparenz. Die Verwertung, Weiterleitung, Verbreitung und Veröffentlichung dieser Mail ist jedem gestattet.”
Wie genau die Polizei die ihr vorliegenden Daten im Einzelfall auswertet, ist offen. Die Zahl der Fälle, in denen bei einer Durchsuchung nichts Verbotenes gefunden wurde, scheint aus unserer Sicht geringer als beim Fall Catweazel im Jahr 2008. Auch die Gesamtzahl der Durchsuchungen ist aus unserer Sicht bisher niedriger, auch wenn wir das nicht hundertprozentig sicher wissen. Es gibt keine Großrazzien bei vielen Leuten gleichzeitig und dementsprechend auch keine diesbezügliche Polizeipressemitteilung, stattdessen melden sich alle paar Wochen einzelne Betroffene bei uns. Dies – sowie einige Informationen, die aus den Verfahrensakten vorliegen – spricht dafür, dass die Polizei die Daten genauer analysiert, bevor eine Hausdurchsuchung durchgeführt wird. Es ist nicht davon auszugehen, dass jeder, dessen Daten der Polizei vorliegen, auch eine Hausdurchsuchung über sich ergehen lassen muss.
In einigen Fällen erhielten Menschen auch keine Hausdurchsuchung, sondern erstmal nur eine Vorladung zur Polizei als Beschuldigter oder direkt eine schriftliche Strafanzeige wegen angeblichem Anbau von Cannabis. In allen derartigen Fällen, die uns bekannt sind, wurde die Aussage entweder verweigert, oder eine legale Begründung für die Bestellung angegeben. In keinem dieser Fälle kam es nach einer Vorladung oder einer Anzeige noch zu einer Hausdurchsuchung, die Strafverfahren wurden letztlich alle aus Mangel an Beweisen eingestellt. Vermutlich entscheiden die jeweiligen Strafverfolgungsbehörden vor Ort, wie sie mit den Meldungen der Hannoveraner Staatsanwaltschaft umgehen.
Im Internetforum von grower.ch tauschen sich Betroffene untereinander aus. Dort finden sich viele Informationen, aber auch Gerüchte und Halbwahrheiten rund um die aktuellen Vorfälle.
Die uns vorliegenden Informationen deuten klar darauf hin, dass die Hannoveraner Staatsanwaltschaft eine gezielte Kampagne durchgeführt hat, um die legal operierenden Growshops angreifen zu können. Zunächst wurden einzelne Cannabiszüchter, die von der Polizei erwischt wurden, unter Druck gesetzt. Sie sollten “Hintermänner” verraten, die es natürlich nicht gab. Uns wurde von mehreren erwischten Cannabiszüchtern bestätigt, dass sie in diesem Zusammenhang gezielt dazu befragt wurden, woher sie ihr Equipment bezogen hatten und was sie über den Shop zu sagen hätten. Mit dieser Methode fand die Polizei scheinbar Leute, die glaubten, sich mit Behauptungen über illegales Verhalten ihres Growshops besser darstellen und ihre Strafe mindern zu können. Natürlich treffen solche Aussagen dann nicht unbedingt zu, dennoch hat die Polizei schon mit einer einzelnen derartigen Aussage die Möglichkeit, Maßnahmen gegen Shops durchzuführen und in diesem Zusammenhang auch Kundendaten zu beschlagnahmen. Aus unserer Sicht ist dieses Verhalten der Hannoveraner Polizei und Staatsanwaltschaft sowie der Richter, die die einzelnen Hausdurchsuchungen unterschreiben, klar rechtswidrig. Das ändert aber nichts an der grundsätzlichen Situation.
Da wir uns ziemlich sicher sind, dass den genannten Growshops juristisch gesehen absolut nichts vorzuwerfen ist, müssen auch andere Firmen, die sich an alle Regeln halten, grundsätzlich mit derartigen Problemen rechnen. Wir als Deutscher Hanfverband werden natürlich weiterhin bestmöglich aufklären und in Einzelfällen auch juristische Unterstützung leisten, um dieses Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden überprüfen zu lassen.
Wir haben einen Betroffenen der aktuellen Vorfälle gefunden, bei dem absolut nichts Verbotenes gefunden wurde, der nicht polizeilich vorbekannt war und der sich mit unserer Unterstützung juristisch gegen die Hausdurchsuchung wehren will. Diesen Fall haben wir an den bekannten Anwalt Udo Vetter vom Lawblog weitergereicht, der aktuell die Akten prüft. Dennoch sind wir weiter auf der Suche nach Leuten, die eine Hausdurchsuchung wegen einer Bestellung von legalem Growequipment hatten. Bitte meldet euch bei uns, alleine schon damit wir einen Überblick über das Geschehen bekommen.
Die Polizei versucht mit solchen juristisch zweifelhaften Aktionen, den stark zunehmenden Eingenanbau von Cannabis in Deutschland zu bekämpfen, obwohl das nur dazu führen würde, den illegalen Schwarzmarkt für Cannabis zu stärken. Wir gehen aber davon aus, dass es nicht gelingen wird, den Eigenanbau zurückzudrängen. Die Polizei hat gar nicht die Kapazitäten, gegen zehntausende Growshopkunden vorzugehen. Es geht dabei wohl eher darum, die Szene zu verunsichern. Das gelingt wohl auch in gewissem Umfang, aber gleichzeitig wird auch innerhalb der Polizei immer mehr über die Entkriminalisierung der Konsumenten diskutiert. Es gibt jede Menge Polizisten, die keinen Sinn mehr darin sehen, einem “kleinen Kiffer” seine fünf Pflanzen abzunehmen oder gar bei völlig unbescholtenen Bürgern die Wohnung zu durchsuchen, nur weil sie sich ein paar Blumentöpfe bestellen.
Der DHV setzt weiter alles daran, diese unsinnige Menschenjagd endlich zu beenden. Die Legalisierungsdebatte in Deutschland nimmt immer mehr Fahrt auf. Ein Ende des Kriegs gegen Hanf rückt näher und gemeinsam können wir eine friedliche Zukunft für alle Hanfliebhaber erzielen.
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