Der Oberste Gerichtshof Kanadas hat Cannabis-Patienten erlaubt, wieder selbst zu medizinischen Zwecken anzubauen. Dieses Recht war den meisten der damals noch 28.000 Lizenzinhaber im Zuge einer Reform der Gesetzgebung zu medizinischem Cannabis genommen worden. Nur wenige, z.B. der bekannte YouTuber UrbanRemo, konnten ihre Pflanzen vorläufig behalten, weil sie gegen die Entscheidung der Regierung geklagt und die Prozesse in niederen Instanzen gewonnen hatten. Am Mittwoch hat jetzt das Oberste Gericht des Landes den Klagenden endgültig Recht und der neuen Regierung sechs Monate Zeit gegeben, um ein neues Regularium für medizinisches Cannabis zu erarbeiten, das auch die Möglichkeit der Selbstversorgung vorsieht. Mit diesem Urteil dürfen alle 28.000 Patienten, deren Lizenz 2013 zwangsweise erloschen war, ab sofort wieder Cannabis anbauen. Wer damals keine Anbaulizenz hatte oder erst nach der Neuregelung in das staatliche Programm für medizinisches Cannabis aufgenommen wurde, darf sich vorerst nicht selbst versorgen.
Das Gericht war der Meinung, das Anbauverbot für Patienten verstoße gegen Artikel eins und sieben der kanadischen Verfassung, die die persönlichen Freiheitsrechte definieren. Zudem führe die Kommerzialisierung des Anbaus dazu, dass Patienten mit eingeschränkten finanziellen Mitteln der Zugang zu ihrer Medizin verwehrt bleibe. Das Argument, die Regierung könne nicht alle benötigten Medizinalblüten-Sorten zur Verfügung stellen, akzeptierte das Gericht nur teilweise, führte in seiner langen Begründung allerdings noch zahlreiche andere Versäumnisse von “Health Canada” an, die letztlich zu dieser patientenfreundlichen Entscheidung geführt haben. Lediglich die erlaubte Zahl an Pflanzen müsse innerhalb der kommenden sechs Monate überprüft und neu geregelt werden. Inhaber von Alt-Lizenzen durften damals durchschnittlich 89 Pflanzen anbauen, woraus das Gericht eine Tagesdosis von fast 19 Gramm errechnete. Andere Länder, so der Vorsitzende Richter Michael Phelan, hätten eine weitaus geringere Durchschnittsdosis bei ihren Patienten.
Zudem wurde in dem Urteil mehrmals darauf hingewiesen, dass die Regelung für Patienten derzeit nichts an der grundsätzlichen Illegalität von Cannabis als Genussmittel ändere, selbst wenn die Regierung plane, Cannabis generell zu legalisieren. Der Anwalt der klagenden Cannabis-Patienten, Kirk Tousaw, bezeichnet das Urteil als Sieg auf ganzer Linie. Von den 26 kanadischen Firmen, die im staatlichen Auftrag medizinisches Cannabis produzieren, kam bislang noch keine Reaktion auf den Richterspruch. Begeisterung wird er dort kaum auslösen.
In Deutschland plant die Regierung derweil weiterhin ein Modell, bei dem der Eigenanbau vollkommen ausgeschlossen werden soll. Deutsche Politiker sollten sich die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in Kanada jetzt genau anschauen und überlegen, ob nicht auch hierzulande Patienten das Recht brauchen, die Sorten zu nutzen, die ihnen helfen, anstatt jene, die von Regierung oder privaten Firmen ausgewählt werden.
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