Meldung des DHV vom 27.09.2010
In Kalifornien bewegt sich derzeit Substanzielles in der Drogenpolitik. Eine weitgehende Entkriminalisierung liegt in greifbarer Nähe und selbst eine Legalisierung innerhalb der kommenden zwei Monate scheint inzwischen eine reale Möglichkeit zu sein.
Am 31.8. stimmt die California State Assembly, das kalifornische Unterhaus, für den Gesetzesvorschlag SB 1449 von Senator Mark Leno. Er sieht eine völlige Entkriminalisierung des Cannabisbesitzes vor. Der Senat hatte bereits im Juni seine Zustimmung hierfür gegeben, nun liegt das Gesetz bis am kommenden Freitag, den 1.10.2010, auf dem Schreibtisch von Gouverneur Arnold Schwarzenegger und wartet auf dessen Unterschrift. Die Zustimmung im Unterhaus verlief klar entlang der Parteilinien. Die herrschenden Demokraten konnten alleine trotz acht Gegenstimmen aus den eigenen Reihen die erforderliche Mehrheit aufbringen, wobei auch zwei Republikaner für den Gesetzesvorschlag stimmten. Nach der aktuellen Gesetzeslage ist der Besitz von bis zu einer Unze Marihuana (etwa 28 Gramm) ein Vergehen, das mit einer Strafe von maximal 100 US-Dollar belegt wird. Nun soll er zu einer “Übertretung” herruntergestuft werden, was bedeutet, dass die Polizei sich die Verhaftung, erkennungsdienstliche Behandlung und den sonstigen Papierkram für sich und die Gerichte sparen kann.
Parallel dazu läuft die Debatte um die Proposition 19. Diese wird Anfang November abgestimmt und sieht eine Legalisierung und Besteuerung von Cannabis vor. Die kalifornischen Bierbrauer fürchten um ihren Umsatz im Falle eines Erfolges der Volksabstimmung. 10.000 US-Dollar ging von den California Beer and Beverage Distributors an die Kampagne namens Public Safety First, die gegen die Proposition 19 ausgerichtet ist – wenngleich die Bierbrauer sich hier auch nicht einig sind, die Brauerei Sierra Nevada und Stone Brewing Co. protestierte nach dem Bekanntwerden der Spende und trat aus dem Verband aus. Im Rahmen einer von CNN initiierten Live-Debatte warf Mason Tvert, ein Proposition 19 Befürworter dem Vertreter von Public Safety First vor, Angst zu verbreiten, auch wenn es ihnen im Grunde nur um die Umsätze der Bierindustrie ginge. Der Public Safety First Vertreter behauptete, eine Legalisierung von Cannabis würde für Chaos auf den Straßen sorgen. Neben der Alkoholindustrie spendeten auch Polizeiorganisationen gegen die Prop 19: $30,000 kamen zudem von der California Police Chief’s Association und weitere $20,500 von der California Narcotics Officers Association – während sich kurz zuvor einige ehemalige Polizisten und Richter öffentlich für eine Zustimmung zur Proposition 19 ausgesprochen hatten.
Wie ernst die Abstimmung genommen wird, zeigt zudem sowohl ein Brief ehemaliger DEA Mitarbeiter an Präsident Obama, die ihn auffordern, im Falle einer Zustimmung juristisch gegen den Staat Kalifornien vorzugehen, als auch ein Leitartikel von Gil Kerlikowske, Obamas Drogenzar. Er behauptet, die Konsequenzen einer Legalisierung seien kaum abzuschätzen, der Konsum und die sozialen Kosten würden aber fast sicher steigen. Aus Mexiko sind wiederum Stimmen zu hören, die sich von einer Legalisierung in Kalifornieren sowohl weniger Profite für die Drogenkartelle im eigenen Land als auch einen Schub in der mexikanischen Legalisierungsdebatte erhoffen.
In Umfragen liegt die Proposition 19 knapp vorne. Ethan Nadelmann von der Drug Policy Alliance erklärte in einem Interview, dass es schwierig sei, Volksabstimmungen mit einem fast 50 / 50 Stand zu gewinnen. Falls die Abstimmung jedoch positiv entschieden würde, wäre dies seiner Ansicht nach ein historischen Durchbruch. Für die Proposition 19 macht sich inzwischen auch die Dienstleistungsgewerkschaft Service Employees International Union California stark, die größte und machtvollste Gewerkschaft in Kalifornien mit insgesamt 700.000 Mitgliedern. Die ebenfalls mächtigen Unterstützer für die Proposition 19 aus der Cannabis-als-Medizin-Industrie wie der Unternehmer Richard Lee, der inoffizielle Bürgermeister von Oaksterdam, dem Mekka des Cannabisanbaues, konnten sich dieser Tage auch über die erste kommerzielle Fernsehwerbung für medizinisches Cannabis freuen.
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