Knapp ein Jahr nach der Entdeckung von 1,8 Kilogramm Koks im Spind des Leiters der Kemptner Drogenfahndung hat der Prozess vor dem dortigen Landgericht begonnen. Bereits zum Prozessauftakt wurde klar, dass das Gericht dem Angeklagten einen Deal angeboten hat: 35.000 Euro und sieben Jahre Haft für Vergewaltigung, schwere Körperverletzung, eine 1,49 Promille-Psychopharmaka-Fahrt und fast zwei Kilo Koks, dessen Herkunft nicht geklärt ist. Wer in Bayern auf 500m² Graspflanzen anbaut, erntet und verkauft muss übrigens mit einer ähnlich harten Strafe rechnen.
Voraussetzung für so einen Deal wie in Kempten ist ein voll umfängliches Geständnis, was Armin N. dann auch gleich am ersten Prozesstag abgelegt hat. Der Angeklagte hat einfach gesagt, was das Gericht hören will. Er sei auf den falschen Weg gekommen, konnte den beschlagnahmten Drogen nicht widerstehen und habe schließlich die Kontrolle über seinen Job und sein Privatleben verloren. Nach einem Jahr U-Haft sei er geläutert und so weiter und so fort. Außerdem hat er seiner Ex, die er im Kampfanzug gewürgt und zum Oralsex gezwungen hatte, wohl im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleichs Geld gezahlt und sich für seine Untaten entschuldigt. Die sagt jetzt als Hauptbelastungszeugin nicht mehr im Zeugenstand gegen Armin N. aus, die Vergewaltigungs-Vorwürfe gelten nach dem Täter-Opfer Ausgleich ohnehin als ausreichend belegt. So können ihr auch keine Fragen zur Herkunft des Koks ihres Gatten gestellt werden.
Denn nur die Herkunft des Koks hätte für den Ex-Polizisten noch zum Problem werden können. Er behauptet weiterhin, einen Teil bereits vor Jahren zu Schulungszwecken von der Staatsanwaltschaft erhalten zu haben, zudem habe er sich immer mal etwas von beschlagnahmten Blöcken abgekratzt. Der damals zuständige Kemptner Staatsanwalt konnte diese Version zu Lebzeiten nicht bestätigen, stand dem Gericht allerdings jetzt nicht mehr als Zeuge zur Verfügung. Staatsanwalt Herbert Pollert war während der Ermittlungen zur Herkunft des Kokains „nach kurzer, schwerer Krankheit überraschend verstorben“, wie es in einer Pressemitteilung hieß. Der Spiegel schreibt hingegen, der als Prozess-Zeuge ungemein wichtige Staatsanwalt habe sich während der laufenden Ermittlungen das Leben genommen. Die Vermutungen, das Koks stamme aus Mafia-Kreisen, wollte Armin N. Vor Gericht nicht bestätigen. Das Allgäu gilt seit den 1980er Jahren als Rückzugsgebiet des “Ndrangheta”-Clans. Als sich zwei des Kokainhandels verdächtigte Kemptner Mafiosi 2008 nach einem Tipp kurz vor einer Razzia nach Italien absetzen konnten, war der Chef-Drogenfahnder eigener Aussage zufolge bereits heftig am Koksen. Die beiden wurden inzwischen nach Deutschland ausgeliefert, die undichte Stelle ist bis heute nicht entdeckt. Die Gegend zwischen Kempten und Memmingen gilt bereits seit den 1980er Jahren als Kokain-Hotspot. Mafia-Expertin Petra Reski glaubt, dass Koks im Spind sei italienischen Ursprungs. Doch ohne belastende Aussagen und mit einem totem Zeugen gilt natürlich auch für Armin N. die Unschuldsvermutung. Das Urteil wird bereits für den 9.Februar erwartet. Allein die für so einen großen Prozess doch sehr kurze Verhandlungszeit lässt vermuten, dass weder die tatsächliche Herkunft des Kokains noch irgendwelche Hinterleute bekannt werden. Der ebenfalls zu sieben Jahren Haft verurteilte Grower aus Nürnberg war übrigens, genau wie Armin N., in vollem Umfang geständig.
Im Kempten hingegen feiern die Nachfolger des vom Wege abgekommenen Beamten weiterhin beachtliche Erfolge beim Kampf gegen das Organisierte Verbrechen. So konnten Beamte der Füssener und der Kemptener Drogenfahndung bei einem Schlag gegen die örtliche Rauschgift-Szene nach monatelangen Ermittlungen im Zuge von 12 Hausdurchsuchungen bei zwei Personen geringe Mengen nicht näher bezeichneter Drogen finden. Da es in Bayern lediglich für Cannabis eine „Geringe Menge“ gibt, handelt es sich bei den Drogen höchstwahrscheinlich um Gras oder Haschisch.
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